Staatshilfen "Wer rettet eigentlich den Staat?"
02.06.2009, 20:59 UhrDer angeschlagene Karstadt-Mutterkonzern Arcandor hat Staatshilfen beantragt. Der Ruf nach dem Staat werde nicht abreißen, glaubt die Presse und warnt vor einem "Fass ohne Boden".
Der angeschlagene Karstadt-Mutterkonzern Arcandor hat Staatshilfen beantragt. Der Ruf nach dem Staat werde nicht abreißen, glaubt die Presse und warnt vor einem "Fass ohne Boden". Jenseits der Diskussion um den Erhalt von Arbeitsplätzen stellen sich die Fragen nach der Vernunft, der Verhältnismäßigkeit und der Bezahlbarkeit des Ganzen. Dabei stehe auch der Wähler in der Pflicht.
Die Kieler Nachrichten gehen über eine Kritik am Verhalten des Staates hinaus: "So leicht es ist, der Politik mangelnde Prinzipientreue vorzuwerfen, so sehr richtet sich der Vorwurf auch an die Wähler selbst. Wer seine Entscheidungen allein nach den unmittelbaren Auswirkungen auf den eigenen Geldbeutel trifft, verhindert politisches Denken, das über den nächsten Wahltermin hinausgeht." Das Blatt kommt zu dem Schluss, dass es für eine funktionierende Marktwirtschaft zweier Seiten bedarf: "Mutige Politiker, denen vernünftige Entscheidungen wichtiger sind als das nächste Mandat. Und Bürger, die sich für Zusammenhänge interessieren." Beides gebe es in Deutschland inzwischen viel zu wenig.
"Natürlich brauchen Firmen Hilfe in wirtschaftlich dramatischen Zeiten." Doch die Ostsee-Zeitung ist nicht verwundert, dass "mancher die Krise zum Vorwand nimmt, seine Lage mit Staates Hilfe zu stabilisieren" – schließlich habe sich der Staat bei Opel weit aus dem Fenster gelehnt. Das Blatt aus Rostock mutmaßt: "Da wird es schwerfallen, die Begehrlichkeiten von Arcandor abzuwehren. Zumal der Warenhauskonzern bei Kunden und Mitarbeitern aus dem Stand 700.000 Unterschriften für Staatshilfen gesammelt hat." Für die Ostsee-Zeitung ist das Volk nicht ganz unschuldig an der Arcandor-Misere, denn hätte es "zuvor dort öfter eingekauft, stünde der Konzern jetzt nicht als Bettler vorm Finanzminister". Doch dem Volk als Souverän könnten sich die Politiker kaum verweigern, wenn es sein Warenhaus behalten will.
"Die Debatte um milliardenschwere Staatshilfen droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Nach Opel steht jetzt Arcandor beim Kanzleramt auf der Matte und es ist nicht der einzige Konzern, der noch auf Geld des Steuerzahlers hofft. Man hat den Eindruck, dass sich inzwischen einige Politiker nicht mehr allein von wirtschaftlicher Vernunft leiten lassen", schreibt der Kölner Express. Über den Erhalt von Arbeitsplätzen müsse zwar gesprochen werden, doch Staatshilfen allein seien kein "Königsweg zur Sanierung maroder Firmen". Das werde jedoch "gern vom Tisch gewischt", womit das Risiko steige, "dass Staatshilfen bald zu einem Fass ohne Boden werden". "Wer rettet eigentlich den Staat?", hieße es dann irgendwann. "Da mag Kanzlerin Merkel noch so sehr beteuern, dass Opel kein Präzedenzfall ist. Die Geister, die sie und Politiker im Bund und in den Ländern riefen, werden sie nicht mehr los."
Der Mannheimer Morgen spricht von einer Wahl "zwischen Pest und Cholera", denn es gebe keine richtige Antwort auf die Frage, "ob der Staat Unternehmen vor dem Zusammenbruch bewahren soll oder nicht". "Ein Arbeitsmarktpolitiker wird die Horrorzahl von vielleicht sechs Millionen Arbeitslosen vor Augen haben und nicht die Milliarden aus öffentlichen Mitteln, die wirkungslos in Konzernen versickern. Der Ordnungspolitiker wird Wettbewerbsverzerrung geißeln und an höhere Steuern sowie niedrigere Sozialleistungen erinnern, mit denen die Wohltaten bezahlt werden müssen." Doch "jenseits der Tatsache, dass wir alle die Spendierfreude des Staates teuer bezahlen, gibt es ein gewichtiges Argument gegen die Milliarden aus der Staatskasse", betont das Blatt: "Der dringend nötige Strukturwandel der deutschen Wirtschaft wird hinausgezögert."
Zusammengestellt von Nadin Härtwig
Quelle: ntv.de