Putin annektiert die Krim "Westen verliert an Strahlkraft und Einfluss"
18.03.2014, 21:46 Uhr
Nach dem umstrittenen Referendum unterzeichnet Russlands Präsident Putin einen Vertrag zur Aufnahme der Krim. Der Westen zeigt sich empört und beklagt eine Verletzung des Völkerrechts. In den deutschen Tageszeitungen gehen die Meinungen auseinander, welche Reaktion auf die Provokation aus Moskau folgen soll.
"Putin ist zwar kein lupenreiner Demokrat, aber doch immerhin ein lupenreiner Realpolitiker. Als solcher verdient er durchaus Anerkennung. Er hat seinen Plan eiskalt durchgezogen und richtig kalkuliert, dass der Westen ihm nicht entschlossen gegenübertreten werde", schreibt das Aschaffenburger Main-Echo. Die Zeitung ist der Ansicht: "Der Westen muss sich jetzt endlich dazu durchringen, harte Sanktionen gegen den Mann im Kreml zu verhängen, um den Rest der Ukraine vor seinem Griff zu schützen."
Auch der Berliner Tagesspiegel fordert weitere Sanktionen: "Der Westen muss auf seinen Werten bestehen, weil er sonst alle Glaubwürdigkeit nach innen wie nach außen als Lordsiegelbewahrer der Demokratie verlöre. Doch muss er auch genau deshalb diese Werte in kluger Weise verteidigen, die im Wissen liegt, dass Konflikte im 21. Jahrhundert nicht mehr militärisch, kriegerisch zu lösen sind, sondern über ein komplexeres Reiz-Reaktions-Schema: Tust du dies, weißt du nicht genau, was wir tun werden - Sanktionen dürfen nicht so einfach ausrechenbar sein. Wie jetzt für Putin."
Die Essener Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung schätzt den Nutzen möglicher Sanktionen gering ein: "Wer davon redet, dass Russland international isoliert dastehe, hat einen Tunnelblick. Die immer intensiveren wirtschaftlichen Beziehungen Russlands zu Ländern wie China, Indien oder Brasilien blieben von möglichen europäischen oder US-amerikanischen Sanktionen unberührt. In der arabischen Welt oder in vielen afrikanischen Ländern könnte Putin sogar an Ansehen gewinnen - dort sieht man den Westen zunehmend kritisch, weil man seine Politik häufig als Bevormundung wahrnimmt. Die Welt ist eine multipolare geworden, der Westen verliert an Strahlkraft und Einfluss. Das ist wohl auch eine Lehre aus der aktuellen Krise."
"Putin leidet entweder an Realitätsverlust oder aber er konstruiert bewusst einen geopolitischen Machtkampf", meint die Badische Zeitung aus Freiburg: "Mag sein, dass er als Retter russischer Größe in die Geschichte eingehen will. Mag sein, dass er mit nationalistischer Freund/Feind-Rhetorik auch bloß die eigene Autorität nach innen abzusichern hofft. So oder so zwingt er Europäer und Amerikaner dazu, ihn als gefährlichen Gegenspieler zu betrachten. Das Echo dieser Rede wird noch Jahre nachhallen."
"Es ist der Wunsch nach Anerkennung, der den Kremlchef treibt", glaubt die Stuttgarter Zeitung: "Mindestens den Großmachtstatus will er wieder erlangen. Der Anschluss der Krim war da ein höchst willkommenes Geschenk. In Russland kommt das an. Befragt, ob ihre Nation eine Großmacht sein soll oder ein Land mit hohem Lebensstandard, dafür aber weniger Einfluss, stimmten die meisten Russen für die machtvolle Alternative. Das ist nicht ungefährlich, denn Putin wird dadurch auch zu einem Gefangenen des eigenen Systems."
Auch in den Augen des Nordbayerische Kurier sollte Putin nicht unterschätzt werden. Die Zeitung aus Bayreuth kritisiert den "scharfen, kompromisslosen Ton" von US-Präsident Obama: "Die Amerikaner hören sich an wie zuzeiten des Kalten Krieges; sie nehmen keine Rücksicht auf die Lage der Europäer und vor allem der Deutschen, die mit dem schwierigen Nachbarn Russland zurechtkommen müssen. Obama begreift anscheinend nicht, dass er den engen Schulterschluss Moskau-Peking provoziert, wenn er so fortfährt."
Zusammengestellt von Laura Kleiner
Quelle: ntv.de