Aschewolke über Europa "Wie klein der Mensch ist ..."
19.04.2010, 20:58 UhrSeit Tagen legt die Aschewolke über Europa den Flugverkehr lahm und zeigt den Menschen eindrucksvoll, wie nichtig sie doch sind. Auch die Airlines sollten nicht übermütig werden und möglicherweise wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit der Passagiere stellen, so die Presse.

Der Flugbetrieb läuft langsam wieder an.
(Foto: dpa)
Die Wetzlarer Neue Zeitung findet, dass die Fluggesellschaften nicht leichtsinnig mit dem Vertrauen der Passagiere umgehen sollten: "Lufthansa und Co. riskieren mit ihrer Kritik an der Entscheidung der Deutschen Flugsicherung in Langen und des Verkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) ihr Image als zuverlässige Fluggesellschaften. Obwohl sie die Sicherheit ihrer Maschinen in den vergangenen Jahren immer weiter optimierten, scheint es plötzlich fast so, als seien ihnen unternehmerische Interessen wichtiger als die Sicherheit ihrer Kunden. Doch was wäre, wenn sie trotz Asche ihre Flieger in die Luft schicken würden, eine Maschine in der Aschewolke in Turbulenzen geraten oder sogar abstürzen würde? Wer trägt dann die Verantwortung? Die Luftfahrtbranche läuft Gefahr, ihr Vertrauen zu verspielen."
Auch für den Wiesbadener Kurier steht die Sicherheit der Fluggäste an erster Stelle: "Ein auch noch so vorsichtiger Flugbetrieb auf Probe verbietet sich, wenn es um Leben und Tod geht. Es gibt schließlich gravierende Präzedenzfälle aus den letzten Jahrzehnten, wo große Passagierflugzeuge durch Vulkanasche in Absturzgefahr geraten sind. Das schließt einen Kurs der Flexibilisierung, wie ihn nun die EU-Verkehrsminister beschlossen haben, nicht aus. Ob die plötzliche neue Sicherheitszonen-Einteilung der europäischen Luftstraßen und die von der Flugsicherung genehmigten Sonderflüge nach Sichtflug zur Vertrauensbildung bei den Passagieren beitragen, steht freilich auf einem anderen Blatt."
Die Lüneburger Landeszeitung erinnert daran, dass die Natur nicht beherrschbar ist: "Wie klein der Mensch ist trotz all seiner technischen Errungenschaften, zeigt seit Tagen eindrucksvoll die Vulkanasche-Wolke. (…) Die Natur nimmt eben keine Rücksicht auf Milliardenverluste, auf die empfindliche Einschränkung unserer Mobilität - und schon gar nicht auf das kollektive Klagen von Fluggesellschaften. Manchen von ihnen scheint die größtmögliche Sicherheit ihrer Passagiere weniger wert zu sein als die derzeit in Asche versinkenden Millionen. Anders ist das Gezeter über das Flugverbot und die angebliche Überreaktion der Politik kaum zu verstehen. Die Welt wird ihre Lehren ziehen müssen aus dem Asche-Desaster. Vor allem diejenige, dass Naturgewalten weder beherrschbar noch deren Auswirkungen - wie vielleicht schon fast alles andere - vom Menschen planbar sind und bleiben. Ein wenig mehr Demut vor Mutter Natur täte gut."
Die genaue wissenschaftlich Analyse der Aschewolke ist viel zu spät vorgenommen worden, konstatiert die Heilbronner Stimme: "So aschehaltig der Himmel über Europa ist, so dick ist auch die Luft zwischen Fluggesellschaften und Staat. Wer hat Recht? Beide, zum Teil. Selbstverständlich darf nie irgendein Risiko eingegangen werden. Die Luft muss vor jedem Flug rein sein. Die entscheidende Frage aber lautet: Wer weiß das? Soweit die Sicht auf die Fakten klar ist, zeigt sich eine erstaunliche Wissenslücke. Zwar gab es Messungen vom Boden aus und vereinzelte Flüge mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Verbreitung der Aschewolke wurde aber vor allem in Computern hochgerechnet und nicht fortlaufend und systematisch mit Messdaten aktualisiert. Viel zu spät ist das erste richtige Forschungsflugzeug gestartet. Milliardenschäden durch eine wirkliche Gefahr müssen hingenommen werden, nicht aber durch eine bloße Simulation."
Die Folgen des Vulkanausbruchs sind für die Berliner Zeitung eindeutig ein europäisches Problem. Deswegen fragt sich das Blatt, warum die EU nicht schon lange die Koordination übernommen habe: "Tagelang hörte man von der EU nichts. Außer vielleicht den Hinweis, dass sich die Verbraucher bei Flugausfällen selbstverständlich ihr Geld zurückholen können und die Airlines kostenlos Stullen und Getränke verteilen müssen. Die EU-Behörden sind zwar nicht zuständig für die Flugverbote und die Luftraumüberwachung. Das ist Sache der Staaten. Aber die EU hätte schon vor Tagen erkennen müssen, dass sich Schwierigkeiten auftun, auf das es keine nationalen Antworten geben kann. Sie allein ist in der Lage, Abstimmungsprozesse zwischen den Ländern in Europa - egal ob EU-Mitglied oder nicht - zu koordinieren."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki