Pressestimmen

Gauck rügt EU-Flüchtlingspolitik "Wir könnten mehr tun"

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In einer Grundsatzrede fordert Joachim Gauck mehr Solidarität und einen respektvolleren Umgang mit Menschen, die in der EU Zuflucht suchen. Deutschland könne für Flüchtlinge weitaus mehr tun. Niemand dürfe abgewiesen werden, ohne dass er seinen Anspruch auf Asyl im Zweifelsfall geltend machen könne. Die Kritik des Bundespräsidenten stößt in der deutschen Presse auf breite Zustimmung.

(Foto: dpa)

Die Ludwigsburger Kreiszeitung kritisiert vor allem die deutsche Haltung in der EU-Flüchtlingspolitik: "Deutschland gehört zu den größten Blockierern einer gerechteren Flüchtlingspolitik. Keine Quotenregelung, keine eindeutigen Prinzipien." Gauck habe recht, wenn er behaupte, die Bundesrepublik mache es sich bequem: "Weil nach wie vor jene Länder in der EU zuständig sind, deren Boden Flüchtlinge erstmals betreten haben. Das ist unmenschlich, unsolidarisch und im eigenen Interesse wenig weitsichtig." Hinzu komme, so die Zeitung weiter, der steigende Bedarf an Arbeitskräften. Die bisherige Strategie der EU habe sich als wirkungslos erwiesen: "Den Flüchtlingsstrom hat die EU mit ihrer bisherigen Politik jedenfalls nicht eingedämmt. Vielleicht führt Gaucks Rede ja zu neuem Nachdenken. Schön wär's."

Auch die Märkische Oderzeitung fordert angesichts der Umstände in den Krisengebieten eine Lockerung der Flüchtlingspolitik: "Nun lassen sich leicht Argumente für eine Abwehr weiterer Flüchtlinge finden: Die Zahl der armen Kinder hierzulande steigt, es fehlen aus Kostengründen Lehrer, Polizisten und so weiter. Deshalb möge man bitte keine weiteren Asylbewerber in das Land holen. Aber greifen diese Argumente, wenn man das Leid der Menschen in Syrien und anderswo sieht? Ein zivilisierter Staat muss dazu bereit sein, für eine begrenzte Zeit mehr Asylbewerber aufzunehmen."

"Gauck hat recht, wenn er fordert, dass niemand in Europa sich daran gewöhnen sollte, dass jeden Tag Menschen den Tod finden, weil sie die Flucht nach Europa gewagt haben", kommentiert der Kölner Stadt-Anzeiger. Der Bundespräsident scheue nicht den Konflikt mit der Bundesregierung, "die Kritik gerne mit Statistiken zurückweist, nach denen kein europäisches Land so viele Flüchtlinge aufnehme wie Deutschland." Der Bundespräsident rede allerdings keiner naiven Forderung nach einer Öffnung der Grenzen das Wort: "Er weiß, dass wir nie allen Verfolgten Zuflucht gewähren können. Aber wie sagte er? Wir könnten mehr und manches besser tun. Zur Selbstgerechtigkeit haben wir keinen Grund."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hingegen wirft dem Bundespräsidenten Selbstgefälligkeit vor und wertet die Rede als reinen Kunstgriff: "Solange die praktischen Probleme - die Unterbringung ist nur eines davon, wenn auch in Deutschland derzeit das größte - nicht wahrgenommen, geschweige gelöst werden, wird rhetorische Flüchtlingshilfe zur moralischen Masche." Nur ein schmaler Grat trenne, so das Blatt weiter, "die beschwörende Vorbeugung gegen Radikalisierung von einer Überforderung von Staat und Gesellschaft, die mit Händen zu greifen ist, wenn Agitationsprojekte auf dem Dach einer verlassenen Berliner Schule enden." Die Kritik, die der Bundespräsident gegen Deutschland erhebt, "fällt dann auf die Erfinder dieser Masche zurück: Selbstgerechtigkeit", kommentiert die Zeitung abschließend.

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.

Quelle: ntv.de

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