SPD-Europawahl-Debakel "Zeit wird knapp, Zweifel wachsen"
08.06.2009, 22:01 UhrDie SPD will trotz ihrer schweren Wahlniederlage bei der Europawahl an ihrem politischen Kurs festhalten. Die Presse reagiert irritiert - und sieht ein Abrutschen der SPD auf die Oppositionsbank.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier muss mit der schweren Niederlage seiner Partei bei der Europawahl einen bitteren Tiefschlag hinnehmen. Die Sozialdemokraten wollen dennoch an ihrem politischen Kurs festhalten und die Konfrontation mit der Union verschärfen. Die Presse reagiert irritiert und warnt vor einem Abrutschen auf die Oppositionsbank.

Steinmeier muss vier Monate vor der Bundestagswahl einen herben Tiefschlag einstecken.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist das Ergebnis der Europawahl eine Bestätigung dafür, "dass das Parteiengefängnis der großen Koalition die Union bisher weniger stark beschädigte als die SPD". Den Hauptunterschied dabei mache die Kanzlerin aus, die von ihrer Partei wohlweislich plakatiert wurde, obwohl sie gar nicht zur Wahl stand. Nach Einschätzung des Blattes konnte das Paar Steinmeier-Schulz ihr weder auf den Plakatwänden noch in der Wirkung auf die Wähler das Wasser reichen: "Viele Bürger fühlen sich, mitunter gerade wegen Frau Merkels Verzicht auf programmatische Schärfe, gut bei ihr aufgehoben. Von den darüber verzweifelnden CDU-Anhängern aber gehen nicht wenige zur FDP. Diese bleiben, anders als die Nichtwähler, immerhin dem bürgerlichen Lager erhalten."
Schuld an dem Europawahl-Debakel der SPD, so die Hamburger Morgenpost, sei eine "geradezu schmerzhafte Konzeptionslosigkeit" der Partei. Das Problem der Partei sei dabei nicht Steinmeier. "Dass er andererseits auch nicht die Lösung ist, ist sein Dilemma", konstatiert das Blatt weiter. Abhilfe - so die Zeitungsmacher - könne nur ein Kanzlerkandidat schaffen, "dessen Charisma die konzeptionelle Konfusion der Genossen überstrahlt".
Die Märkische Allgemeine Zeitung stellt fest: "Frank-Walter Steinmeier ist noch keine Wahlkampfmaschine à la Gerhard Schröder". Das Ergebnis der Europawahl müsse er sich dennoch anrechnen lassen. "(…) dazu war er auf den Plakaten und auch sonst viel zu präsent", heißt es hier. In Anbetracht der Bundestagswahl werde es daher auch nicht reichen, das schwarz-gelbe Gespenst an die Wand zu malen. "Die Zeit wird knapp, die Zweifel wachsen auch in den eigenen Reihen", warnen die Potsdamer Zeitungsmacher..
"Die Chancen, Merkel aus dem Kanzleramt zu vertreiben, stehen derzeit schlecht", resümiert auch der Express. Das Problem der SPD sei dabei aber nicht allein ihr Kandidat. Es sei das Spitzenpersonal insgesamt, das nicht den Nerv der Menschen zu treffen scheine. "Ratlosigkeit" herrsche in der SPD - vermengt mit dem oppositionellen Gebaren einiger Top-Genossen. "In Krisenzeiten bringt das keine Pluspunkte", kommentiert das Kölner Blatt.
Der Kölner Stadtanzeiger greift zu einem schärferen Ton: "Wenn die SPD einfach so weiter macht, landet sie im Herbst in der Opposition". Begründung: "Auf der einen Seite hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die politische Mitte erfolgreich besetzt, auf der anderen Seite hat der begnadete Demagoge Oskar Lafontaine die gesamtdeutsche Linkspartei zusammengeschweißt und legt auf jede Forderung der SPD immer noch eins drauf."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de, dpa, AFP