Recht verständlich Geht der Hund vor Interessen des Chefs?
09.11.2021, 05:58 Uhr
Hunde sind Rudeltiere, die bei längerem Alleinsein in Stress geraten.
(Foto: dpa)
Ein als Fahrer beschäftigter Teilzeitmitarbeiter weigert sich unter Verweis auf den zu betreuenden Familienhund, neue Arbeitszeiten zu akzeptieren. Er klagt stattdessen gegen die neue Regelung - zu Recht?
Das Arbeitsgericht Hagen entschied kürzlich (Az.: 4 Ca 1688/20), dass ein Arbeitgeber bei einer neuen Verteilung der Arbeitszeit billiges Ermessen einzuhalten habe. Dies erfordere eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Ist dem Arbeitgeber die erforderliche Nachmittagsbetreuung des Hundes durch den Mitarbeiter bekannt, kann er selbst aber keine besonderen betrieblichen Interessen vortragen, so ist die neue Weisung einer Nachmittagsarbeitszeit unwirksam.
Wie war der Fall?
Der klagende Arbeitnehmer war seit einigen Jahren in Teilzeit als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Im Arbeitsvertrag waren keine festen Arbeitszeiten vereinbart, sondern geregelt, dass der Arbeitgeber Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausen festlegt. In den letzten Jahren lagen die Arbeitszeiten montags bis freitags von 8 Uhr bis 13 Uhr. Dies wollte der Arbeitgeber ändern und wies leicht veränderte Zeiten an. So sollte der Fahrer lediglich freitags eine halbe Stunde früher startend von 7.30 bis 14.20 Uhr arbeiten. Begründet wurde dies damit, dass mit der Freitagstour auch Wochenendlieferungen erfolgen sollten.
Der Mitarbeiter klagte gegen diese neue Arbeitszeitverteilung und gab unter anderem an, dass er auf Arbeitszeiten vormittags bis 13 Uhr angewiesen und dies dem Arbeitgeber auch bekannt sei. Seine Ehefrau arbeite in Vollzeit und sei Berufspendlerin, er führe absprachegemäß den Haushalt und übernehme die Betreuung des gemeinsamen Hundes ab der Mittagszeit. Auch der 84-jährige allein lebende Schwiegervater sei auf seine Unterstützung angewiesen.
Das Urteil
Das Arbeitsgericht Hagen gab dem Arbeitnehmer recht. Zwar sei der Arbeitgeber aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelungen grundsätzlich berechtigt, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten neu festzusetzen. Eine Vereinbarung unabänderlicher fester Arbeitszeiten konnte nicht festgestellt werden, hierfür reiche in jedem Fall nicht der handschriftliche Vermerk lediglich des Arbeitnehmers ohne Arbeitgeberunterschrift auf einem Personaldatenerfassungsbogen. Die Neuverteilung der Arbeitszeit falle grundsätzlich unter das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Ist eine Arbeitgeberweisung grundsätzlich zulässig, muss in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Ausübungskontrolle immer geprüft werden, ob billiges Ermessen im Einzelfall als Grenze des Direktionsrechts eingehalten ist.
Die Arbeitsrichter gingen hier von der Überschreitung der Grenze des billigen Ermessens aus und erklärten die Weisung mit der Neuverteilung der Arbeitszeit für unwirksam. Die Begründung des Arbeitgebers, freitags müsse auch Tiefkühlessen für das Wochenende geliefert werden, spreche bei gleichbleibender Kundenzahl nicht für längere Fahrzeiten am Freitag, da es nach Meinung des Gerichts zeitlich kaum ins Gewicht fallen dürfte, ob auf der Tour ein oder mehrere Essen an bestimmte Kunden ausgeliefert werde. Außerdem hatte das Unternehmen genau für die durch den Kläger begehrten Arbeitszeiten in einer Stellenanzeige Aushilfsfahrer gesucht, weshalb die Richter davon ausgingen, dass diese Zeiten nach wie vor möglich sind.
Tier könnte in Stress geraten
Umkehrt seien die Interessen des Klägers nicht angemessen berücksichtigt. Zwar könne er den gemeinsamen Haushalt und den Schwiegervater auch an den anderen 4 Tagen ausreichend betreuen, aus Gründen des Tierschutzes könne er aber freitags den Hund nicht 7 Stunden zuzüglich Wegezeiten allein lassen. Hunde seien Rudeltiere, die bei längerem Alleinsein in Stress geraten und ihre Notdurft nicht verrichten könnten. "Die Unterbringung des Hundes bei einem Tiersitter oder einer Tierpension wäre zwar möglich, würde hingegen Kosten auslösen, die dem Kläger nur dann zugemutet werden können, wenn tatsächlich gewichtige betriebliche Gründe vorlägen und eine pflichtgemäße Ermessensausübung erfolgt wäre."
Zugegebenermaßen sind die Darlegungen der Arbeitgeberseite hier eher dünn, allerdings erstaunt schon, warum die relativ pauschale Behauptung des Klägers, er müsse sich um den Hund kümmern, ausreichte und zum Beispiel nicht kostenfreie Nachbarschaftshilfe geprüft wurde.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Quelle: ntv.de