Rheinland-Pfalz & Saarland Warum der Protest gegen die Pflegekammer weitergeht
06.09.2025, 04:03 Uhr
(Foto: Alexandra Schug/privat/dpa)
Pflegekräfte im Land protestieren erneut gegen die Landespflegekammer. Pflichtbeiträge sorgen weiter für Unmut. Die Kritik hat inzwischen die Politik erreicht.
Kaiserslautern/Mainz (dpa/lrs) - Die Proteste von Pflegekräften gegen die Landespflegekammer gehen in eine neue Runde. Nach Demonstrationen in Mainz, Trier und Koblenz ist die nächste Kundgebung der Kritiker am 13. September in Kaiserslautern geplant.
Am meisten ärgerten sich Pflegefachkräfte darüber, dass die Kammer sie verpflichte, Mitglied zu sein und jährlich Beträge zu zahlen, sagte Bernhard Schäfer vom Westpfalz-Klinikum, der die Demo in Kaiserslautern angemeldet hat. Und: "Die Pflegekammer macht nichts für Pflegekräfte."
Es gebe die Kammer nun seit 2016. "In den zehn Jahren gibt es jetzt eine Berufsordnung und eine Fortbildungsordnung, an der ich massiv Kritik äußere. Und das war es aber auch schon", sagte Schäfer, der selbst Pfleger ist.
Zur Demo in Kaiserslautern rechne er mit rund 500 Teilnehmern. In Mainz seien es Anfang März fast 200 gewesen, in Trier dann im Mai um die 300 und später in Koblenz fast 600, sagt der Leiter des Seniorenzentrums in Kell am See (Kreis Trier-Saarburg), Michael Pauken. "Der Protest wird stärker", sagte er.
Petition bekommt mehr als 2.800 Unterschriften
Und er erreicht inzwischen die Politik. Eine Petition bei der Bürgerbeauftragten des Landes für die Abschaffung der Pflegekammer haben mehr als 2.800 Menschen unterschrieben. Am 30. September werde die Petentin Alexandra Schug im Petitionsausschuss gehört, teilte die CDU-Landtagsfraktion mit.
"Ich wollte auch den parlamentarischen Weg nutzen", sagte Schug, die ein Seniorenzentrum in Baumholder im Kreis Birkenfeld leitet. Sie erlebt die Kammer als Standortnachteil. Ihre Einrichtung liege an der Grenze zum Saarland: "Es gibt Fachkräfte, die gehen ins Saarland, weil sie da kein Zwangsmitglied sein müssen." Gerade angesichts des bestehenden Fachkräftemangels in der Pflege sei das eine schlechte Entwicklung.
Die Landespflegekammer ist als gesetzliche Berufsvertretung aller Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger in Rheinland-Pfalz gegründet worden - auch mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Sie hat rund 40.000 Mitglieder. Die Beiträge der Pfleger hängen vom Gehalt ab und liegen im Schnitt bei knapp 140 Euro im Jahr.
Kammer nimmt Kritik ernst
"Grundsätzlich nehmen wir natürlich jede Kritik und jede Anregung ernst und beziehen sie in unser Handeln mit ein", teilte die Sprecherin der Kammer, Christine Orth-Theis, mit. Die verpflichtende kostenpflichtige Mitgliedschaft stärke die Grundlage für die Wirksamkeit der Kammer und bringe so für jedes Mitglied auch einen konkreten, individuellen Nutzen.
Die Arbeit der Kammer sei sehr wohl wirksam: Die Kammer engagiere sich auf Landes- und auf Bundesebene in Gesetzgebungsverfahren, entwickele ethische Leitlinien und fördere Fort- und Weiterbildung, sagte die Sprecherin weiter. Sie unterstütze ihre Mitglieder mit Beratungs- und Bildungsangeboten und setze sich für bessere Arbeitsbedingungen ein.
Politiker: Ein einfaches "Weiter so" geht nicht
CDU-Landeschef Gordon Schnieder fordert eine grundlegende Neuaufstellung. "Die Pflegekammer hat es offensichtlich in den vergangenen Jahren nicht geschafft, die notwendige Akzeptanz bei den Pflegekräften zu erreichen. Zu groß ist der Unmut an der Basis, zu zahlreich und nachvollziehbar sind die Beschwerden. Ein einfaches "Weiter so" würde die Probleme weiter verschärfen", sagt er der Deutschen Presse-Agentur.
"Zwangsmitgliedschaften ohne klaren Nutzen und mit zusätzlicher finanzieller Belastung sind weder zeitgemäß noch fair gegenüber den Pflegekräften, die ohnehin am Limit arbeiten", sagte Schnieder. Es müsse aber weiterhin eine zentrale Stelle zur Interessenvertretung geben. "Die Mitgliedschaft muss freiwillig sein, wie beispielsweise nach dem bayerischen Vorbild."
Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, sagte: "Die Pflege im Land muss eine starke Stimme und Vertretung haben. Das war auch der Kerngedanke, der hinter der Einführung der Landespflegekammer stand. Wir nehmen aber aktuell ernstzunehmende Stimmen wahr, die kritisieren, dass sich diese Hoffnung bis heute nicht komplett erfüllt hat."
Es seien auch zunehmend kritischere Stimmen rund um die Pflegekammer, insbesondere von Pflegekräften selbst, zu hören. "Mit diesem Verlust an Akzeptanz bei ihren eigenen Mitgliedern kann eine Interessens-Vertretung nur schwer die maximale Kraft entfalten", sagte sie. Ein einfaches "Weiter so" könne es allein deshalb nicht geben, weil dies auch die berechtigten Interessen an einer starken Vertretung der Pflege ignorieren würde.
Die Pflegekammer sollte aktuell alle Möglichkeiten nutzen, ihre Mitglieder in der Breite zu überzeugen und an Akzeptanz zu gewinnen, um zu zeigen, dass sie die berechtigten Interessen der Pflege mit starker Stimme vertritt, sagte Bätzing-Lichtenthäler. "Wie das gelingen kann, dazu stehen wir im intensiven Austausch mit den Beteiligten."
Bei Gesprächen mit Politikern stoße man oft auf Verständnis, sagte Pauken, der selbst Pflegefachkraft ist. Seit Monaten fordere man eine Vollbefragung aller Pflegekräfte, ob sie die Kammer mit gut 40 Mitarbeitern weiter behalten wollten. "Bis heute ist aber nichts passiert." Auf jeden Fall aber müssten die Pflichtbeiträge weg, die es so in keinem anderen Bundesland gebe.
Quelle: dpa