Fäkalbakterien in Nord- und Ostsee ADAC schlägt Alarm
23.06.2010, 11:07 UhrUngetrübte Badefreuden an Nord- und Ostsee oder nicht? Die EU spricht vom "sauberen Badespaß" an deutschen Küsten, dagegen schlägt der ADAC Alarm. Eine ostfriesischen Gemeinde ist erbost, fürchtet einen Imageschaden und erwägt eine Klage gegen den ADAC.
Wie ungetrübt ist die Badefreude an Nord- und Ostsee wirklich? Die EU spricht vom "sauberen Badespaß" an deutschen Küsten, dagegen schlägt der ADAC Alarm.
Die Wassertester des Automobilclubs haben die Strände selbst unter die Lupe genommen - mit einer durchwachsenen Bilanz: Das Wasser an einzelnen Spiel- und Badebereichen von 22 Stränden ist mit Keimen belastet. "Besorgniserregend" nannte Thomas Burkhardt, ADAC-Vizepräsident für Technik, die eigenen Testergebnisse.
Fäkalbakterien im Badewasser
In fast einem Viertel der Fälle wurden die Grenzwerte teils mehrfach und oft auch sehr hoch überschritten. Fäkalbakterien trübten an 17 Stellen den Badespaß. Die ADAC-Experten hatten 72 Messstellen an der deutschen Küste eingerichtet und dabei besonders Problembereiche ins Visier genommen. "Aber wir haben unsere Wissenschaftler nicht neben eine Pfütze gesetzt, um zu warten, bis eine Möwe kommt und sich dort erleichtert", meinte Robert Sauter vom ADAC.

Knapp ein Viertel der Messstellen im flachen Badewasser etwa in der Nähe von Buhnen oder Mündungen fiel durch.
(Foto: dpa)
Der Badegewässer-Bericht der EU hatte erst vor wenigen Tagen nahezu allen Ostseeküsten und 99 Prozent der deutschen Nordseeküste die Einhaltung von EU-Standards bescheinigt. Die deutschen Küsten seien so sauber wie seit 20 Jahren nicht mehr, hieß es.
Dagegen sorgten die ADAC-Daten im Nordosten an einer schon bei früheren Messungen umstrittenen Stelle für neuen Konfliktstoff. Am westlichen Ortsrand von Kühlungsborn bewerteten die Prüfer die Wassergüte an einem Bachlauf als "mangelhaft". Vorigen Sommer hatte ein ADAC-Test an genau derselben Stelle einen zu hohen Bakteriengehalt angezeigt. "Alle Messpunkte sind jetzt aber einwandfrei", entgegnete der Sprecher des Landes-Tourismusverbands, Tobias Woitendorf. Die aktuelle Badewasserkarte für die mecklenburg-vorpommersche Ostseeküste zeige auch im Umkreis von Kühlungsborn nur blaue Punkte - laut Legende sind die entsprechenden Zonen "zum Baden sehr gut geeignet".
An vier Stellen "mangelhaft"
Der Chef des Landesamts für Gesundheit und Soziales, Heiko Will, hatte die Resultate im vergangenen August scharf kritisiert. Statt "an einem fließenden Gewässer" müssten solche Proben im Meer selbst gezogen werden. Die Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern hatten bereits im Mai auf Grundlage von Messungen nach EU-Vorgaben vom vorigen Jahr die Wasserqualität an rund 400 Stellen als hervorragend eingestuft. Jedoch erhielten zwei Stellen in der Badewasserkarte für 2010 wegen einmalig schlechter Messwerte einen roten Punkt und sind in dieser Saison mit "zum Baden noch geeignet" ausgezeichnet.
Immerhin 38 Stellen der vom ADAC gemeinsam mit dem Hydra-Institut untersuchten Stellen bekamen jetzt ebenfalls die Noten "sehr gut" und "gut". "Mangelhaft" lautete das Urteil an vier Stellen, "bedenklich" an 13. Zu den Siegern gehörten Strandabschnitte in Boltenhagen an der Ostsee sowie in Westerland auf Sylt an der Nordsee, zu den Verlierern neben dem Abschnitt bei Kühlungsborn auch Eckernförde. Untersucht wurden die Proben auf gesundheitsgefährdende Keime, die zum Beispiel Magen-Darm-Krankheiten oder Hautausschläge auslösen können.
ADAC untersuchte anders als EU-Prüfer
Der ADAC ging bei seinem ersten Test dieser Art - von Juli bis September 2009 - bewusst einen anderen Weg als die EU. Bei deren Messungen - vorwiegend an den Hauptstränden - blieben Problem- und Randzonen unbeachtet. Und: Während die EU-Prüfer ihre Proben ab einem Meter Wassertiefe vor dem Strand entnehmen, checkte der ADAC Stellen, die sonst unberücksichtigt bleiben, wie etwa Flachwasser. Gerade im flachen Gewässer aber planschten schließlich Kinder besonders gern, hieß es vom ADAC.
Die Tester richteten jeweils mehrere Messstellen ein, in die Wertung kamen aber meist nur diejenigen, wo auch gebadet wird - also nicht etwa zwischen den Steinen einer Buhne. Die ADAC-Wertungen könnten nicht auf die Wasserqualität des gesamten Strandes, Ortes oder Küstenabschnitts übertragen werden, hieß es. Man sehe sich auch nicht als Konkurrenz zur EU-Studie, sondern als Ergänzung. Das Ostseebad Kühlungsborn reagierte auf die ADAC-Ergebnisse und kündigte Maßnahmen an, um den festgestellten Verschmutzungen zu begegnen.
Ostfriesische Gemeinde sauer über Test
Der ADAC-Test zur Wasserqualität deutscher Badestrände ist der ostfriesischen Gemeinde Krummhörn sauer aufgestoßen. Dabei hatte eine Badezone am Strand von Upleward die Note "Mangelhaft" bekommen. Dem ADAC lagen nach eigenen Angaben keine neuen Messungen vor, er hatte sich auf Messdaten aus der gesamten Badesaison 2009 berufen. Gemeindesprecher Frank Baumann bezeichnete die Veröffentlichung dieser Zahlen als nicht nachvollziehbar. "Das Landesgesundheitsamt überprüft uns regelmäßig, bisher waren alle Ergebnisse einwandfrei."
Die Gemeinde befürchte jetzt einen Imageschaden, es hätten schon besorgte Vermieter von Ferienwohnungen und Hoteliers angerufen, sagte Baumann. Die Gemeinde werde nun auch eine Klage gegen den ADAC prüfen.

Leuchtturm am Nordseedeich bei Pilsum (Kreis Aurich): Symbol und touristischer Anziehungspunkt für die Gemeinde Krummhörn.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
2009 hatten ADAC-Tester eine hohe Konzentration von Bakterien in Upleward nachgewiesen. Die Werte für Kolibakterien seien mit über 4564 MPN ("most probable number": geschätzte Anzahl an Bakterien pro 100 Milliliter) bei zulässigen 1800 MPN gefährlich hoch, warnte der Automobilclub. Die sogenannten Enterokokken hätten mit einem Wert von 2618 den Grenzwert (700) sogar fast um das vierfache überschritten. Die Messwerte seien so drastisch, dass besonders Kinder und ältere Menschen gefährdet seien, etwa an Magen-Darm-Infekten zu erkranken.
"Dort hat sich nichts verändert"
In diesem Jahr prüften die Tester lediglich, ob an den Messpunkten Schwachpunkte wie Abwasser-Einleitungen verbessert wurden, sagte Katharina Bauer vom ADAC in München. "Theoretisch kann sich in Upleward die Lage verbessert haben, praktisch aber nicht. Dort hat sich nichts verändert."
"Dieser Schluss ist an den Haaren herbeigezogen", findet dagegen Gemeindesprecher Baumann. Das Landesgesundheitsamt habe 2010 keine bedenklichen Ergebnisse festgestellt. "Die Werte liegen nicht über dem Grenzbereich und sind bakteriologisch einwandfrei." Die in 2009 auffällige Stelle liege zudem an einem Wellenbrecher abseits des Badebereichs. "Das ändert sich dort ständig mit Ebbe und Flut." Die Gemeinde lasse den Bereich weiterhin prüfen und habe dazu auch ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben.
Quelle: ntv.de, abe/dpa