Nordamerikas "Pfad der Tränen" Auf den Spuren der Cherokee
13.09.2011, 10:23 Uhr
In der Blockhütte des Cherokee Removal Museums in Blythe's Ferry werden indianische Keramik, Waffenteile und Küchenutensilien ausgestellt.
Dreieinhalb Monate dauerte der Treck der Cherokee einst, 900 Meilen wurden sie nach Westen getrieben. Ein Viertel überlebte den Marsch nicht. Mittlerweile erinnert vieles in ihrem Stammland Tennessee an den "Trail of Tears".
Auf der Wiese im regenverhangenen Tal des Tennessee River tanzen Indianer. Rhythmisches Kriegsgeheul ertönt. Die Männer tragen Leder-Gamaschen, Mokassins, und sie haben Federn im lackschwarzen Haar. Die Gesichter sind bunt bemalt, der Ausdruck grimmig. Sie tanzen den Bärentanz - zur Musik von Trommeln und Flöten, geduckt umeinander schleichend, kraftvoll, beeindruckend. Und das hier im tiefen Süden der USA, der für Country Musik, Gospel und Elvis Presley berühmt ist.
Nur einmal im Jahr legt Sony Ledford die Indianer-Tracht seiner Ahnen an - zum Big Island Festival. Sonst trägt der Automechaniker Jeans und Lederjacke.
Aber im "Sequoyah Birthplace Museum" nahe der Kleinstadt Vonore am Cherokee National Forest erinnern die Cherokee-Indianer von Tennessee an ihre Vergangenheit. Dieses Fleckchen Erde war einst ihr Stammesland. Heute tanzen sie in traditioneller Jagd-Kleidung, in der sie vor mehr als 175 Jahren durch die Smoky Mountains streiften.
"Normalerweise tragen wir keine Indianer-Tracht", sagt Sony Ledford, ein Baum von einem Mann. Er ist in Jeans und Lederjacke mit dem Motorrad hierher gefahren, arbeitet als Automechaniker und lebt in einem kleinen Farmhaus. Nur für das Big Island Festival legen er und seine Stammesbrüder die traditionelle Kluft der Vorfahren an.
Einwanderer aus Asien
Schon vor 8000 Jahren besiedelten Einwanderer aus Asien die heutigen Bundesstaaten Georgia, North Carolina und Tennessee. Sie waren die Ahnen der Cherokee und anderer Stämme wie der Creeks, Choctaw und Chicasaw. Im 16. und 17. Jahrhundert kamen Spanier und Franzosen, und mit ihnen kamen Krankheiten wie Masern und Pocken, die die Indianer schnell dahinrafften. Als die Engländer um 1800 von der Atlantikküste ins Landesinnere vordrangen, wurden die dramatisch dezimierten Stämme weiter nach Westen verdrängt.
Im Cherokee Museum in Blythe's Ferry zeigt eine Landkarte aus Marmor, auf welchen Wegen die Cherokee von Tennessee nach Oklahoma getrieben wurden.
Der Mocassin Bend in der Stadt Chattanooga, Drehkreuz und größter Handelsplatz des Südens, war der Ort, von dem sich die Cherokee nicht weiter nach Westen drängen lassen wollten. Damit wurde Chattanooga zum Ausgangspunkt ihres "Trail of Tears", des "Pfades der Tränen".
Gnadenloses Gesetz
Der damalige Präsident Andrew Jackson setzte den Indian Removal Act gnadenlos um. Das Gesetz von 1836 sah die Zwangsumsiedelung der Stämme aus Tennessee und Georgia ins dünn besiedelte Oklahoma vor. Die Mehrheit der Cherokee stimmte gegen das Gesetz, das Ultimatum für den Exodus lief 1838 aus.
In die Gedenkstätte am Ufer des Tennessee River in Chattanooga sind die sieben Wappen der Clans eingelassen, die hier auf Boote gezwungen wurden.
Soldaten zwangen die Cherokee in Sammellager, rissen Familien auseinander, trieben sie mit Waffengewalt in teils überladene Boote an die Anlegestellen in Chattanooga, Charleston und Blythe's Ferry. Die Cherokee wurden gezwungen, mitten im Winter den 900-Meilen-Treck gen Westen anzutreten.
Ausgemergelte Ponys zogen die Planwagen. Viele Menschen, vor allem Frauen und Kinder, starben auf der dreieinhalb Monate dauernden Reise durch unwegsames Gelände nach Oklahoma. Es gab einen Nord- und einen Südweg, dazu eine Wasserroute. Alle waren gleich brutal. Ein Viertel der Vertriebenen habe die Tortur nicht überlebt, steht heute in den Geschichtsbüchern. "Nunna daul Isunyi" nannten die Cherokee diese Tragödie, "der Weg, auf dem wir weinten".
Schmerzvoller Weg der Cherokee
Daryl Black steht am Ufer des Tennessee River in Chattanooga und erklärt die Gedenkstätte, die hier an den schmerzvollen Weg der Cherokee erinnert. Sie besteht aus einer Treppe mit Wasserfall, die direkt vom Stadtzentrum hinunter an den Fluss führt, an die ehemalige Anlegestelle Ross's Landing. In die Wand sind sieben große Wappen aus Keramik eingelassen - die Symbole der verschiedenen Clans, die hier auf die Boote gezwungen wurden.
Shirley Hoskins hat ihre Familiengeschichte erforscht - hier in Blythe's Ferry wurden ihre Vorfahren einst abtransportiert. Die 75-Jährige wusste lange nichts von deren Schicksal.
(Foto: picture alliance / dpa-tmn)
Viele Gemeinden in Tennessee haben mittlerweile Geld gesammelt, um Gedenkstätten zu errichten wie das Cherokee Removal Museum in Blythe's Ferry. Hier spielt Shirley Hoskins eine wichtige Rolle. "Ich wusste immer, dass ich Cherokee-Blut in mir habe", sagt Shirley, "aber ich wusste nichts über die Deportation". Die kohlschwarzen Augen im faltigen Gesicht der Dame lassen die indianische Herkunft erahnen. Sie sind voller Tränen.
Die 75-Jährige wurde in Oklahoma geboren. Erst spät erfuhr sie nach ihrem Umzug nach Tennessee von dem traurigen Schicksal ihrer Vorfahren. Seitdem hat sich Shirley dafür eingesetzt, an einem Stausee in der Nähe von Dayton ein Museum zu bauen.
"Trail of Tears"
Vom Mocassin Bend in der Stadt Chattanooga aus begann der lange Marsch der Cherokee nach Westen - 900 Meilen weit bis Oklahoma.
Im Inneren der Blockhütte sind indianische Keramik, Waffenteile und Küchenutensilien in Vitrinen ausgestellt. Draußen ist der "Trail of Tears" in einem begehbaren Steingarten und auf einer riesigen Landkarte aus Marmor nachgezeichnet. Ein Wanderweg führt zu einem spektakulären Aussichtspunkt, ein anderer an die Anlegestelle Blythe's Ferry, von der die Cherokee damals abtransportiert wurden.
Die Reise durch die Vergangenheit der Cherokee führt weiter zum Red Clay State Park in der Nähe von Collegedale. Hier brennt das ewige Feuer als Erinnerung an den Treck. "Die Cherokee nahmen das Feuer, das hier an ihrem Versammlungsort immer brannte, mit auf die Reise", erklärt Park Rangerin Erin Medley. In einem Eisentopf trugen sie es bis nach Oklahoma.
Quelle: ntv.de, Tina Eck, dpa