Reise

Trotz aller Touristen Mostar bleibt geteilt

In die bosnische Stadt Mostar ist nach dem Bürgerkrieg (1992-1995) besonders viel Geld und Hilfe aus dem Ausland geflossen. Doch auch wenn jährlich eine halbe Million Touristen die weltberühmte Brücke über den Neretva-Fluss besucht, bleibt die Stadt tief gespalten.

Die "Alte Brücke" von Mostar am Tag ihrer Wiedereröffnung. (Archivfoto vom 23. Juli 2004)

Die "Alte Brücke" von Mostar am Tag ihrer Wiedereröffnung. (Archivfoto vom 23. Juli 2004)

(Foto: dpa)

Die Scharen von Touristen von der nahen Adriaküste schieben sich wieder wie früher durch die wiederaufgebaute Altstadt. Sie erfreuen sich an der historischen osmanischen Architektur. Von dem Kriegsdrama bekommen sie höchstens durch die Erzählungen ihrer Reiseführer noch etwas mit. Doch gleich hinter den vielen Souvenirläden und Cevapcici-Buden liegt die Marschall-Tito-Straße auch nach 15 Jahren immer noch zum großen Teil in Trümmern.

Geteilte Stadt

Die Stadt ist tief gespalten zwischen der kroatischen Mehrheit auf dem westlichen Flussufer und den Muslimen im Osten. Nachdem hier im Krieg besonders erbittert gekämpft wurde, gibt es zwei Sportklubs, zwei Schul- und Ausbildungssysteme. Die Kommunalverwaltung ist getrennt, Kroaten besuchen die einen Kneipen, Restaurants und Diskotheken, die Muslime die anderen. Nicht einmal über die nationale Verteilung der 110.000 Einwohner kann man sich einigen. Die Kroaten sprechen von 60:40 zu ihren Gunsten, die Muslime sehen fast Parität.

"Die Versöhnung hat nur eine Chance, wenn es wirtschaftlichen Aufschwung durch den Wiederaufbau der zerstörten Industrie gibt. Das ist der Schlüssel!", sagt der Muslim Murat Coric, Präsident des Stadtrates. Doch da sieht es schlecht aus. Die Textilindustrie, die vor dem Krieg 4000 Menschen beschäftigte, wurde zweimal erfolglos privatisiert und produziert nichts. Die Metallbetriebe liegen ebenso am Boden wie die Landwirtschaft. Einziger kleiner Lichtblick ist das Agrokombinat Hepo, das mit 150 Beschäftigen die verwaisten Weingärten und Obstplantagen wieder aufbaut.

Noch viel unzufriedener ist der Kroate Zeljko Raguz, Leiter des regionalen kroatischen TV- und Radioprogramms. "Wir sind hier nicht gleichberechtigt, die Muslime wollen uns alles aufdrücken, obwohl wir klar in der Mehrheit sind", schimpft der Journalist. Seine Landsleute verlangten, das für Mostar geltende Konsensprinzip zugunsten des Mehrheitsprinzips abzuschaffen: "Wir wollen hier so entscheiden wie in Sarajevo und Tuzla, wo die Muslime die Mehrheit bilden".

Apartheid-Vorwurf an Kroaten

Viele Muslime werfen den Kroaten "Apartheid" und "Abspaltungstendenzen" vor. Begründet wird diese Position damit, dass die benachbarte "Mutterrepublik" Kroatien viel Geld in die örtliche kroatische Universität, das Krankenhaus und das nationale Schulsystem investiert. Raguz ist empört. "Wir sind doch auf dieses Geld angewiesen, weil wir nichts von den bosnischen Behörden bekommen. Und vor allem: Es ist doch normal, dass wir unsere Kinder in unserer kroatischen Muttersprache unterrichten".

In diesem Frühjahr hat der internationale Bosnien-Beauftragte, der österreichische Diplomat Valentin Inzko, sein Büro in Mostar geschlossen. Stadtratspräsident Coric fürchtet, dass "unsere Stadt jetzt von der internationalen Gemeinschaft vergessen wird".

Der Journalist Raguz hat noch eine viel düstere Prognose für den aus Kroaten, Serben und Muslimen gebildeten Staat. "Wenn es nicht gelingt, ein bosnisches Nationalbewusstsein aufzubauen, wird dieser Staat zerfallen", sagt er. Als erstes würden sich die Serben mit ihrer Landeshälfte (Republika Srpska) abtrennen, erwartet der Kroate. In Mostar selbst spielen die Serben keine Rolle mehr. Von ursprünglich 25 Prozent der Bevölkerung sind vielleicht noch sieben übrig geblieben.

Quelle: ntv.de, Thomas Brey, dpa

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