Oase der Ruhe Schwitzen im Pariser Hamam
03.03.2009, 07:45 UhrEs ist eine unscheinbare Tür, die irgendwo in Paris mitten in den Orient führt. Draußen herrscht nasskalter Winter, dick angezogene Menschen drängeln sich in den Metros. Drinnen schlägt einem heißer Dampf entgegen, halbnackte Frauen räkeln sich auf warmen Marmorflächen. Orientalische Bäder gibt es mittlerweile in vielen europäischen Städten, doch der Hamam von Paris, der zur Großen Moschee gehört, gilt als einer der schönsten. Er ist abwechselnd für Frauen und Männer geöffnet. An den Frauentagen mischen sich dort Musliminnen aus Nordafrika, gestresste Pariserinnen und Touristinnen, die auf der Suche nach den weniger bekannten Sehenswürdigkeiten von Paris sind.
Die Pariser Moschee stammt aus den 20er Jahren und bildet mit ihren zinnenbesetzten Mauern und dem schlanken Minarett eine orientalische Insel im fünften Pariser Bezirk. Die Tür zur heißen Dampfwelt findet sich hinter einer kleinen Theke am Eingang, in der arabische Süßigkeiten angeboten werden. Der Duft von Eukalyptus steigt in die Nase, arabisches Geschnatter und Gekicher des weiblichen Badepersonals ist zu hören.
Hüllenlos Schwitzen trotz Textilvorschrift
"Badeanzug vorgeschrieben" steht auf einem Zettel an der Kasse, doch das wird weitgehend ignoriert. Wer zum ersten Mal den Hamam besucht, mag sich noch in ein Strandtuch hüllen und ein Handtuch mit sich herumtragen. Aber es wird schnell klar, dass hüllenloses Schwitzen angenehmer ist. Eine eigenartige Intimität entsteht zwischen all den Frauen, die sich dem uralten Reinigungs- und Entspannungsritual hingeben.
Schlanke Säulen und überkuppelte Nischen bestimmen die Architektur der Schwitzräume. Je weiter man vordringt, desto heißer wird es. Im hinteren Raum steigt der aromatische Wasserdampf so dicht auf wie Herbstnebel über einem See. Zwei, drei Frauen sitzen am Rand eines runden Beckens, das mit eiskaltem Wasser gefüllt ist. Ab und zu lässt jemand einen Arm oder ein Bein wie in Zeitlupe hineingleiten. Der Schock des kalten Wassers auf der erhitzen Haut tut gut. Die Hitze steigt in den Kopf, das Hirn schaltet auf Schlummerzustand.
Gegenseitig den Rücken schrubben
Im blau gekachelten Hauptraum mit seinen angewärmten Marmorflächen herrscht eine geschäftigere Atmosphäre. Hier widmet man sich der Körperpflege, und das am besten zu mehreren. Erfahrene Hamam-Besucherinnen schrubben sich gegenseitig den Rücken mit Sisalhandschuhen ab. Dabei entstehen lauter schwarze Röllchen, fast wie beim Ausradieren von Bleistiftschrift - Winterhaut adé!
Gedämpftes Geplauder erfüllt die Luft, die vertrauliche Atmosphäre lädt dazu ein, sich die Alltagssorgen von der Seele zu reden. Wer noch tiefere Entspannung sucht, begibt sich in die Hände einer der algerischen Masseurinnen. Energisch reiben sie aromatisches Öl in die Haut und spüren dabei all den Muskelsträngen nach, die sich nach langen Schreibtischstunden so häufig verspannen.
Nach zwei, drei Stunden im Hamam erscheint der Alltag fast so weit weg wie nach einer Woche Strandurlaub. Da macht es auch fast nichts, dass die einzige Umkleidekabine aus einem schmalen Gang vor winzigen Schließfächern besteht und man nicht umhin kommt, auf Socken in Pfützen zu stehen. Draußen warten die arabischen Süßigkeiten und der in orientalischem Dekor servierte Pfefferminztee. Und das Winterwetter und die vollgestopfte Metro lassen sich plötzlich viel besser ertragen.
Quelle: ntv.de