Im Norden Kanadas British Columbia ist anders schön
05.10.2010, 10:18 UhrBei British Columbia denken viele Kanada-Urlauber an die Olympiastadt Vancouver und den "Champagner-Schnee" von Whistler. Doch das ist nicht alles: Der Norden der Provinz zieht Naturliebhaber an - und bietet Überraschungen für verwöhnte Gaumen.

Fein speisen in der Kuh-Bucht: Das "Cow Bay Cafe" in Prince Rupert bekommt regelmäßig viel Lob für seine regionale Küche.
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Ein Gourmet-Restaurant sieht anders aus, zumindest in Europa. Im "Cow Bay Cafe" in Prince Rupert, einer Kleinstadt im Norden der kanadischen Pazifikprovinz British Columbia, soll es das beste Essen der Gegend geben. Durch die gardinenfreien Fenster sehe ich allerdings ein Inventar, das eher an eine Bahnhofskneipe erinnert: Schlichte Holztische und Stühle, stapelweise Zeitungen, aufgereihte Flaschen und zwei Pinnwände. Der Raum ist klein - wenn überhaupt, dann finden 50 Leute im "Cow Bay Cafe" Platz.
Mit gemischten Gefühlen betrete ich später das Restaurant von Adrienne Johnston. Eine Speisekarte ist nicht zu entdecken. Zweimal täglich ändert sich das Angebot. Die gerade aktuellen Menüs, je zwölf Hauptgerichte und Desserts, schreibt Mrs. Johnston auf die Pinnwände. Langsam begreife ich: Das "Cow Bay Cafe" ist anders. Ich entscheide mich in der Heilbutt-Hauptstadt Prince Rupert für eines der Plattfisch-Gerichte. Eigentlich müsste man zwar alles probieren. Doch das wird teuer, und auch der Hungrigste dürfte das nicht schaffen.

Totempfähle der Nisga'as: Der Norden von British Columbia ist stark von den Traditionen der Ureinwohner geprägt.
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So anders die beste Gaststätte am Platz aus der Sicht eines Mitteleuropäers erscheint, so anders sind auch das ganze Städtchen Prince Rupert und die Region drumherum. Das zeigt sich schon bei der Ankunft. Eine Stunde benötigt die Propellermaschine von Vancouver. Dabei überfliegt sie eine traumhaft unberührte Natur: Die Gipfel der Rocky Mountains türmen sich auf, durchzogen von vielen Flüssen - kaum vorstellbar, dass jemals Menschen einen Fuß dorthin gesetzt haben.
Das nördliche British Columbia ist besonders von den Ureinwohnern geprägt. Die Tsimshian siedelten nach Angaben des in Prince Rupert ansässigen "Museum of Northern BC" bereits im Jahr 3000 vor Christus hierher. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts kamen die ersten Europäer, um vom Pelzhandel und Fischfang zu profitieren. Noch heute leben die Tsimshian wie auch andere Ureinwohner aus den Stämmen der Haida und Nisga'as um Prince Rupert und prägen das touristische Angebot - nicht nur durch ihre handwerkliche Holzkunst, die in allen Arten im Museum und in vielen Souvenirshops zu bewundern und zu kaufen ist.
Oberstes Gebot: Ruhe
Um traditionelles Leben wirklich begreifen zu können, muss man die Lax-Kw'alaams-Inseln in Begleitung eines Ureinwohners bereisen, von denen etwa 10.000 in der Region leben. Von den dicht belaubten Bäumen beobachten Seeadler die "Eindringlinge". Ruhe ist auf dem scheinbar unberührten Fleckchen Erde oberstes Gebot, Abweichen von den schmalen Wegen streng verboten. Der Tsimshian-Häuptling erklärt "sein" Reich, zeigt essbare Früchte und solche, die man lieber nicht anrührt.

Bei einer Tour auf den Lax Kw'alaams-Inseln zeigen die Tsimshian-Ureinwohner die Spuren ihrer Vorfahren am Strand.
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Der Weg führt aus dem Dickicht heraus auf den mit großen Wurzeln übersäten Steinstrand. Er ist eine Fundgrube der kulturellen Vergangenheit der Tsimshian. Voller Stolz deutet der Häuptling auf Petroglyphen, denen auch nach Hunderten von Jahren Wind, Wasser, Sonne und Kälte nichts anhaben konnten. In erster Linie sind es Gesichter, die von seinen Vorfahren in die Steine geschlagen wurden. Über ihre Bedeutung lässt sich wenig sagen. Oft, so wird orakelt, waren sie Ausdruck von Freud und Leid, Glücksmomenten und Ängsten.
Zugfahren als große Touristenattraktion
Nur 20 Kilometer von Prince Rupert entfernt ist in Port Edwards die älteste intakte Lachskonservenfabrik an der Westküste Nordamerikas zu finden. Auf Stämmen errichtet, gibt die North Pacific Cannery einen Einblick in das Leben eines pazifischen Fischerdorfes. Die Wohnhäuser einfacher Fischer und wohlhabender Bürger sind ebenso ein Blickfang wie die Produktionsräume. Von Nadeln zum Netze-Flicken bis zu den ersten, noch voll funktionstüchtigen Fließbändern der Konservenherstellung ist alles vorhanden und wird Besuchern gezeigt.

Mit dem Zug durch dichte Wälder: Die Fahrt von Prince George nach Prince Rupert lässt sich auch mit der kanadischen Bahn absolvieren.
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Mit etwas Glück können Touristen auch Bären sehen - bei einer Fahrt von Prince Rupert entlang des Skeena-Flusses nach Terrace. Der Fernzug nach Prince George-Jasper, mit dem Prince Rupert überhaupt erst Anschluss an das übrige Eisenbahnnetz Nordamerikas bekam, gilt als touristische Attraktion ersten Ranges. Während der 147 Kilometer langen Tour entfaltet sich die komplette Schönheit der Region: Berge, Seen, Wälder, Bauernhöfe und Sägemühlen wechseln sich hier ab.
Nur 50 Tage im Jahr ohne Regen
Die Holzindustrie dominierte lange Zeit auch die Geschichte von Terrace, das heute nur noch touristische Bedeutung besitzt. Besonders stolz sind die Einheimischen auf den sogenannten Kermodei-Bären. Diese weiße Unterart des Schwarzbären ist als Wappentier überall zu sehen. In freier Natur wäre es aber ein Zufall, ihm zu begegnen.
Bekannt ist die Schnitzkunst der Nisga'as-Ureinwohner: Ob Masken, Marterpfähle oder traditionelle Instrumente - ein Blick in die Werkstätten und ihr gerade entstehendes neues Museum ist überaus erwünscht und hilft auch dabei, die nasse Kleidung zu trocknen. Denn zum Norden British Columbias gehört Regen. Nur 50 Tage ohne ihn zählt man im Jahr. Doch auch das kann schön sein - anders schön eben.
Quelle: ntv.de, dpa