Zehn Jahre Dopingskandal Fuentes Als Jan Ullrich über Blutbeutel stürzte
30.06.2016, 10:38 Uhr
Jan Ullrich bei der T-Mobile-Mannschaftspräsentation am 29. Juni 2006 - einen Tag vor seinem Ausschluss von der Tour de France
(Foto: picture alliance / dpa)
Am Samstag beginnt die Tour de France, das wichtigste Radrennen der Welt. Vor zehn Jahre erlebte der Sport seinen größten Skandal. Dutzende Profis waren in ein Dopingsystem verwickelt - auch die Karriere des deutschen Tour-Siegers Jan Ullrich endete jäh.
Die Karriere des Jan Ullrich starb am 30. Juni 2006 in Straßburg. "Ein Ende von 0 auf 100 - ohne Abschied und positives Image", nannte der einzige deutsche Tour-Sieger die Folgen jener Geschehnisse, nach denen nichts mehr war wie zuvor. Zum zehnten Mal jährt sich der Tag, als mit Bekanntwerden des Fuentes-Dopingskandals der deutsche Radsport in seine tiefste Krise stürzte. Erholt hat sich die Sportart hierzulande ein Jahrzehnt später davon noch nicht vollständig. "Der Radsport wurde in dieser Zeit mit der großen Axt kleingehauen", sagte Topsprinter Marcel Kittel: "Wenn man überlegt, wo wir herkommen, sind wir wieder auf einem ganz guten Level."

Der "Dopingarzt" Eufemiano Fuentes - hier bei einem Prozess in Madrid.
(Foto: picture alliance / dpa)
Kittel war ein Teenager, als die Ullrich-Bombe platzte. Unter den Auswirkungen leidet aber auch seine Generation, die für sauberen Radsport stehen will: Mit Kittel und Co. fährt noch immer ein Verdacht in weiten Teilen der Öffentlichkeit mit. Eine Hauptschuld daran trägt ein Sportarzt aus Madrid. Eufemiano Fuentes, heute 61 Jahre alt, ist die Schlüsselfigur des größten Blutdopingskandals der Geschichte. Eines Skandals, der an jenem 30. Juni die Radsport-Welt erschütterte, dessen ganze Dimension aber bis heute unklar ist.
Die spanische Guardia Civil hatte seit Anfang 2006 in der Operación Puerto nach Hinweisen auf ein Dopingnetzwerk ermittelt und Fuentes als dessen Zentrum ausgemacht. Nach Razzien in der Profiradsport-Szene und zahlreichen Verdächtigungen durch die Medien ging die spanische Justiz einen Tag vor Tour-Start mit den Namen von 58 in das Fuentes-System verwickelten Radprofis an die Öffentlichkeit.
Ullrich: Bin stolz auf meine Karriere
Die Tour wurde zum Fiasko: Topfavorit Ullrich schlich wie ein geprügelter Hund davon, T-Mobile suspendierte zudem Edelhelfer Oscar Sevilla und den sportlichen Leiter Rudy Pevenage. Ullrichs ausgemachter Tour-Rivale Ivan Basso sowie die spanische Hoffnung Francisco Mancebo wurden ebenfalls ausgeschlossen. Deutschlands Rad-Idol, bis dahin als Volksheld in einer Liga mit Boris Becker und Michael Schumacher, sollte nie in den Profisport zurückkehren. 2007 beendete er seine Laufbahn, zur Doping-Vergangenheit äußerte er sich halbherzig. "Ich bin stolz auf meine Karriere. Aber das Ende ist eine Katastrophe", sagt er heute.
Nach dem Knall von Straßburg zog die Fuentes-Affäre ihre Kreise. Schon kurz nach seiner Verhaftung im Mai 2006 hatte der Mediziner angedeutet, dass sich die Affäre weit über den Radsport hinaus erstrecke. Im Prozess Anfang des Jahres 2013 hatte Fuentes bei einer Vernehmung davon gesprochen, auch Fußballer, Tennisspieler und Leichtathleten behandelt zu haben. Bis 2016 verlief diese Spur aber im Sande.
Mitte Juni deutete sich aber an, dass das dicke Fuentes-Ende noch kommen könnte: Zunächst zur Vernichtung vorgesehene Blutbeutel von 200 Spitzenathleten sollen nach einem Gerichtsbeschluss unter anderem der Welt-Anti-Doping-Agentur zur Verfügung gestellt werden. In einem Jahr, das vom russischen Manipulationsskandal geprägt wird, hätte der Weltsport einen zweiten großen Dopingknall. Bei aller Bitterkeit der Enthüllungen: Für Kittel ist dies ein Hinweis darauf, dass seine Sportart wirklich auf dem richtigen Weg ist: "Wir reden derzeit sehr viel über Doping. Wir reden dabei aber nicht über den Radsport."
Quelle: ntv.de, Christoph Leuchtenberg, sid