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Fleming fordert das DBB-Team "Bestehen nicht nur aus Dennis Schröder"

Chris Fleming will sich und seine DBB-Auswahl zum Abschied für die harte Arbeit belohnen.

Chris Fleming will sich und seine DBB-Auswahl zum Abschied für die harte Arbeit belohnen.

(Foto: imago/Camera 4)

Chris Fleming ist seit 2014 Trainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Die EM wird das letzte Turnier des Amerikaners sein. Im n-tv.de-Interview spricht er vor dem ersten Spiel gegen die Ukraine (heute ab 14.45 Uhr im kostenfreien Stream auf www.telekomsport.de) über die Zielsetzungen, über die deutschen NBA-Stars wie Dennis Schröder und über den deutschen Basketball auf der Überholspur.

n-tv.de: Herr Fleming, ab wann würden Sie von einer erfolgreichen Europameisterschaft sprechen
Fleming: Wichtig ist, dass wir gut aus den Startlöchern kommen. Wir hatten eine sehr kurze Vorbereitung. Einige Spieler wie Dennis Schröder und Daniel Theis stießen erst spät zu uns. Wir sind noch nicht so eingespielt. Es geht erst einmal darum, die Gruppenphase möglichst gut abzuschließen. Ist uns das gelungen, sollten wir über die fünf Gruppenspiele unseren Rhythmus gefunden haben.

Der deutsche EM-Kader

Guards: Dennis Schröder (Atlanta Hawks), Ismet Akpinar (Ratiopharm Ulm), Maodo Lo (Brose Bamberg), Lucca Staiger (Brose Bamberg), Karsten Tadda (EWE Oldenburg); Forward/Center: Danilo Barthel (FC Bayern München), Robin Benzing (Tecnyconta Zaragoza), Isaiah Hartenstein (zuletzt Zalgiris Kaunas), Patrick Heckmann (Brose Bamberg), Daniel Theis (Boston Celtics), Johannes Thiemann (MHP Ludwigsburg), Johannes Voigtmann (Baskonia Vitoria);

Der ehemalige Bundestrainer Dirk Bauermann hat in einem Interview mit unserer Redaktion gesagt, wir hätten in Deutschland eine hoch veranlagte Basketball-Generation und Chancen auf das Halbfinale. Wie ist Ihre Meinung?
Nach der Gruppenphase ist alles offen. Wir haben eine sehr leistungsdichte Gruppe abbekommen. Für Außenstehende ist Litauen der Favorit unserer Gruppe, weil sie bei den letzten Turnieren gut abgeschnitten haben. Aber auch Israel, Georgien, Ukraine und vor allem Italien sind stark.

Gibt es einen Top-Favoriten auf den EM-Titel?
Spanien nimmt als amtierender Europameister die Favoritenrolle ein. Aber es gibt viele gute Nationen, auch Serbien würde ich zu den Favoriten zählen. Wir haben in Europa so viel Talent. Zudem haben sich die meisten Top-Spieler dazu bereit erklärt, an der Europameisterschaft teilzunehmen. Das könnte die beste Europameisterschaft aller Zeiten werden.

Bei der deutschen Nationalmannschaft konzentriert sich die Öffentlichkeit voll auf den NBA-Star Dennis Schröder. Hängt der Erfolg hauptsächlich von seiner Form ab?
Dennis Schröder wird große Spielanteile haben. Und klar ist auch, dass jede Mannschaft von ihren besten Spielern abhängig ist. Aber unsere Mannschaft besteht nicht nur aus Dennis Schröder. Die Europameisterschaft ist zu stark besetzt, um die ganze Verantwortung auf einen Akteur abzuladen. Wir müssen als Mannschaft funktionieren.

Teamleader: Dennis Schröder.

Teamleader: Dennis Schröder.

(Foto: imago/Bernd König)

Bereits bei der Europameisterschaft 2015, die bereits nach der Gruppenphase beendet war, nahm Schröder eine Führungsrolle ein. Wie hat er sich seitdem weiterentwickelt?
Er nimmt bei den Atlanta Hawks nun eine größere Rolle ein. Die Hawks haben vor einem Jahr ihren Spielmacher Nummer 1 Jeff Teague weggegeben. Diese Rolle hat Dennis eingenommen. Er hatte letzte Saison viel mehr Spielanteile, stand von Spielbeginn an auf dem Court und übernahm auch in den entscheidenden Schlussphasen die Verantwortung. Zudem ist er ein Spieler, der sehr, sehr hart arbeitet. Dadurch ist er noch einmal gewachsen.

Auch Daniel Theis wird bei der Europameisterschaft spielen und danach sein Glück in der NBA bei den Boston Celtics versuchen. Wie schätzen Sie seine Chancen ein?
Er geht zu einer absoluten Top-Mannschaft. Die Celtics haben in meinen Augen das beste Team der Eastern Conference. Es ist nie einfach, wenn man von Europa in die NBA kommt. Das Spiel ist schneller, die Spieler sind größer und athletischer. Auch Nowitzki und Schröder haben ein Jahr gebraucht, um sich dort zurecht zu finden. Ich hoffe dennoch, dass Daniel seine Spielanteile bekommt. Was mich zuversichtlich stimmt: Die Celtics haben in Brad Stevens einen Trainer, der die Rollen innerhalb einer Mannschaft gut verteilt.

Sie können bei der Europameisterschaft nicht auf alle deutschen NBA-Spieler zurückgreifen. Dirk Nowitzki war aufgrund seines Rücktritts von der Nationalmannschaft ohnehin kein Thema. Aber auch Paul Zipser von den Chicago Bulls und der von den Dallas Mavericks verpflichtete Maximilian Kleber mussten ihre Teilnahme absagen. Wie sehr bedauern Sie das?
Bei Maximilian habe ich Verständnis für die Entscheidung der Mavericks, weil er in den letzten Jahren viel Verletzungspech hatte. Bei Paul ist die Situation anders. Er hat zuletzt immer für unsere Nationalmannschaft gespielt. In den letzten zwei Jahren ist er als Spieler noch einmal gewachsen. Er nahm bei den Bulls eine wichtige Rolle ein, weil andere Schlüsselspieler wegfielen. Auch für uns wäre er ein Gewinn gewesen. Trotzdem müssen wir die Entscheidung der Bulls akzeptieren.

Früher waren Detlef Schrempf und später Dirk Nowitzki die einzigen Deutschen in der NBA. Nun scheinen immer mehr NBA-Teams ein Auge auf die deutschen Spieler zu werfen. Kürzlich wurde zum Beispiel auch der Nationalspieler Isaiah Hartenstein von den Houston Rockets gedraftet. Wie erklären Sie sich das Interesse an den deutschen Spielern?
Basketball ist in Deutschland gewachsen. Dank der guten Arbeit der Vereine und des Verbandes spucken wir viele Talente aus. Das zeigt sich alleine schon daran, dass unsere Nachwuchs-Nationalmannschaften immer besser abschneiden. Jetzt müssen wir auch mit der A-Nationalmannschaft die Früchte unserer guten Arbeit ernten.

In Nordamerika üben die jungen Basketballspieler ihren Sport an der High School aus. Bei uns geschieht das im Verein – abseits der Schule. Welches Modell ist besser?
Ich bevorzuge das deutsche System. Im Verein bekommen die Jugendlichen teilweise mehr Trainingszeiten. Auch die taktische Ausbildung ist in den deutschen Vereinen oftmals besser als an den amerikanischen Schulen. Ich verstehe zwar, wenn deutsche Nachwuchsspieler nach Nordamerika gehen möchten und dort an der High School oder später am College spielen. Das ist eine tolle Erfahrung. Aber rein von der sportlichen Ausbildung her gibt es keinen Grund, in die USA zu gehen. Ich behaupte: Deutschland bietet die bessere Ausbildung.

Dennoch zählen unsere deutschen Vereine nicht zur europäischen Spitze...
Warten wir einmal die nächsten Jahre ab. Die deutschen Vereine kommen immer näher an die europäische Spitze heran, schrauben auch ihre Etats immer höher. Brose Bamberg und Bayern München zählen vom Etat zu den Top-10 von Europa. Das macht sie für die europäischen Top-Spieler interessant. Das war vor fünf Jahren noch ganz anders. Zudem werden auch die einheimischen Spieler immer besser. Ich könnte mir gut vorstellen, dass eine deutsche Mannschaft in den nächsten Jahren das Final4 der EuroLeague erreicht.

Sie werden das als Bundestrainer allerdings nicht mehr erleben. Nach der Europameisterschaft geben Sie die Nationalmannschaft ab und konzentrieren sich voll auf Ihre Tätigkeit als Assistenztrainer des NBA-Teams Brooklyn Nets. Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Ich hatte als Bundestrainer viel Spaß. Mir liegt der deutsche Basketball wirklich am Herzen. Aber mein Hauptjob ist nun einmal meine Funktion bei den Nets. Ich habe eine Frau und drei Kinder. Die Zeit reicht einfach nicht, um allen gerecht zu werden. Daher musste ich mich gegen mein Amt als Bundestrainer entscheiden.

Mit Chris Fleming sprach Oliver Jensen

Quelle: ntv.de

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