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Streif: Angst, Horror, Träume "Blankes Überleben" auf dem Schauplatz fürchterlichster Stürze

Jacob Schramm zog sich am Mittwoch schwere Verletzungen auf der Streif zu.

Jacob Schramm zog sich am Mittwoch schwere Verletzungen auf der Streif zu.

(Foto: IMAGO/GEPA pictures)

Diskussionen um die Sicherheit prägen den alpinen Ski-Weltcup: Und jetzt geht's auf die furchterregendste Strecke. Die Streif in Kitzbühl lauert als Ort vieler schwerer Unfälle. Auch in diesem Jahr ist der Rettungshubschrauber schon wieder im Einsatz, ein Runder Tisch kommt zu spät.

Jetzt also Kitzbühel. Die Streif. So berühmt wie berüchtigt. Schauplatz fürchterlichster Stürze. Und nach der ruppigen Stelvio in Bormio und der kraftraubenden Lauberhorn-Abfahrt in Wengen die dritte traditionsreiche und spektakuläre Strecke, auf der Ungemach droht (Super-G, 11.30 Uhr; Abfahrt, Samstag 11.30 Uhr; Slalom, Sonntag 10.15/13.30 Uhr). "Die Streif", sagt der ehemalige Rennläufer Aksel Lund Svindal, Olympiasieger, mehrfacher Weltmeister und in "Kitz" dreimal Super-G-Sieger, "ist gnadenlos. Dort geht es ums blanke Überleben."

Und dennoch: "Als kleiner Bub", sagt die junge deutsche Nachwuchshoffnung Luis Vogt, "träumt man davon, dass man da mal runterfahren darf." Vor einem Jahr war der 22-Jährige das erste Mal auf der Streif, er hatte, gesteht er, "die Hosen voll". Viel hat sich daran nicht geändert. "Wenn ich im Starthaus stehe, schaue ich, dass ich da nicht zu lange stehe, da läufts mir kalt den Buckel runter." Also: Schnell raus und runter.

Wie gnadenlos die Streif ist, ist gut dokumentiert. Svindal etwa zog sich 2016 bei einer wahren Sturz-Orgie einen Kreuzbandriss zu, ebenso der Österreicher Hannes Reichelt, Sieger von 2014, Super-G-Weltmeister 2015. Der Rettungshubschrauber war im Dauereinsatz. Diesmal musste er schon beim Training am Mittwoch aufsteigen und unter anderem Jacob Schramm vom Berg holen: Der Oberfranke zog sich in beiden Knien Kreuzbandrisse zu.

Viele schwere Unfälle auf der Streif

Auch die Weltelite ist zunehmend ausgedünnt. Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen fällt seit einem Jahr aus. In Bormio stürzte der Franzose Cyprien Sarrazin schwer. In Wengen erlitt sein Teamkollege Blaise Giezendaner einen Kreuzbandriss, Vincent Kriechmayr, Österreichs Doppelweltmeister 2021, kam dort noch glimpflich davon, lässt Kitzbühel aber aus. "Auf die nächste Saison hin muss definitiv was passieren, wir brauchen unsere Stars, wir brauchen unsere Gesichter", fordert Felix Neureuther.

Allein die Abfahrer zählen bereits zwei Dutzend Verletzte seit Saisonstart. "Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf", so FIS-Renndirektor Markus Waldner in Wengen. Das Material sei "extrem ausgereizt, vielleicht haben wir die Grenze schon überschritten", sagte er und betonte: "Es muss wirklich was passieren, kurzfristig und langfristig. Wir müssen an jeder Schraube ein bisschen drehen."

Der letzte Schrei sind sogenannte Carbon-"Stutzen". "Die sind wie Socken aus festem Material, die auch die geringste Bewegung des Fußes im Skischuh verhindern", erklärt der österreichische Ex-Weltmeister Hannes Trinkl, Waldners rechte Hand bei der FIS. Spitzenfahrer könnten damit "unglaubliche Linien fahren, aber mit so einem Setup bewegt man sich in Wirklichkeit jenseits von Gut und Böse."

Runder Tisch kommt zu spät

Der deutsche Cheftrainer Christian Schwaiger ist einer derer, die sagen, das das "komplexe" Gesamtpaket aus Pistenverhältnissen und Material "nicht funktioniert. Mittlerweile ist der Grenzbereich erreicht, wenn nicht überschritten." Alle Beteiligten müssten daher "ohne Eigeninteresse" darüber reden, was zu tun ist - im Sinne der Rennläufer. Es gehe nicht an, sagt Schwaiger, dass jedes Wochenende "die Hubschrauber fliegen" und Kreuzbandrisse als Lappalie angesehen würden.

Das Problem: Erst am Rande der WM in Saalbach-Hinterglemm (4. bis 16. Februar) soll es einen Runden Tisch geben, einen weiteren beim Weltcup-Finale im März in Sun Valley. Für Kitzbühel kommt derlei zu spät. Auf der Streif, von oben bis unten abgesichert mit Kilometern von Netzen und Planen, lauert die Gefahr nahezu überall.

Quelle: ntv.de, dbe/sid

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