"Ändern, sonst gibt es Tote" Brutale Stürze prägen dritte Tour-Etappe
28.06.2021, 17:36 Uhr
Mitfavorit Primoz Roglic war einer der Gestürzten.
(Foto: Pool via REUTERS)
Der Sieg von Tim Merlier bei der dritten Etappe der Tour de France verkommt fast zur Nebensache. Der Belgier setzt sich im ersten Massensprint des diesjährigen Klassikers durch. Doch wieder stürzen mehrere Fahrer schwer. Besonders hart erwischt es zwei Sprinter wenige Meter vor dem Ziel.
Top-Favorit Primoz Roglic rollte mit zerfetztem Trikot über den Zielstrich, Ex-Sieger Geraint Thomas kugelte sich die Schulter aus und für Sprintstar Caleb Ewan endete die Etappe im Krankenwagen. In der immer mehr zum Sturz-Festival werdenden Tour de France erwischte es auf der überraschend vom Belgier Tim Merlier gewonnenen dritten Etappe von Lorient nach Pontivy erstmals auch die Stars der Szene und die Anwärter auf den Gesamtsieg.
Als sich alles auf einen Sprint royale einstellte, verlor Roglic zehn Kilometer vor dem Ziel die Kontrolle über sein Rad. Der 31-Jährige rutschte durch den Schotter am Straßenrand in den Graben, berappelte sich aber schnell wieder. Trotz der Hilfe seiner Teamkollegen kassierte der Zweite des Vorjahres 1:21 Minuten auf Überraschungssieger Merlier.
Titelverteidiger Tadej Pogacar erwischte es dann vier Kilometer vor der Ziellinie. Roglics Landsmann blieb bei einem Sturz mehrerer Fahrer zwar auf dem Rad, verlor aber den Anschluss an die Spitze. Am Ende rollte Pogacar mit 26 Sekunden Rückstand über die Ziellinie und verlor den dritten Platz der Gesamtwertung. Dort führt van der Poel mit acht Sekunden Vorsprung vor Frankreichs Liebling Julian Alaphilippe und 31 Sekunden vor Richard Carapaz aus Ecuador.
Ewan bleibt auf der Straße liegen
Auch die Sprinter kamen nicht ungeschoren davon. Etappenfavorit Caleb Ewan verlor wenige Meter vor dem Ziel die Kontrolle über sein Rad und räumte den dreimaligen Weltmeister Peter Sagan gleich mit ab. Während Sagan weiterfuhr, blieb Sprintstar Ewan mehrere Minuten lang auf der Straße liegen und musste behandelt werden. Der Australier wurde direkt in der Zielzone im Krankenwagen behandelt, wenig später bestätigte sein Team Lotto-Soudal das Aus aufgrund eines Schlüsselbeinbruchs. "Es ist die Tour, es ist gefährlich. Es war eng, es war schnell. Wir können froh sein, dass es trocken war", sagte Ewans deutscher Helfer Roger Kluge. "Vielleicht wäre im Nassen noch mehr passiert."
Nur van der Poels Teamkollege Merlier konnte sich am Ende freuen. "Es ist perfekt gelaufen für uns. Ich kann es gar nicht glauben. Ich bin jetzt Tour-de-France-Etappensieger. Das ist ein Traum für mich", sagte der Belgier. Max Walscheid aus Neuwied behielt in dem Chaos halbwegs den Überblick und sprintete auf einen guten zehnten Platz.
Für die Anwärter auf den Gesamtsieg hatte der Tag schon schlecht begonnen. Nach gerade einmal 36 Kilometern auf dem Weg von Lorient nach Pontivy wäre die Tour für Geraint Thomas auf dem rauen bretonischen Asphalt fast schon beendet gewesen. Der Sieger von 2018 stürzte durch einen Fahrfehler, knallte dabei mit der Schulter hart auf die Straße. Laut Medienberichten kugelte sich der Brite dabei die rechte Schulter kurz aus. Nach medizinischer Behandlung stieg der Ineos-Kapitän aber wieder aufs Rad und wurde von drei Teamkollegen zurück ins Feld gebracht.
Bergtrikot zurück bei deutschem Team
Der bereits auf der ersten Etappe schwer gestürzte Tony Martin und sein Teamkollege Robert Gesink wurden beim Sturz von Thomas ebenfalls zu Boden gerissen. Während Martin das Rennen fortsetzte, musste Gesink verletzt aufgeben. Damit hatte Roglic bereits einen wichtigen Helfer verloren, zumal Gesink auch in den Bergen Qualitäten hat.
Der frühere Weltklasse-Profi Marc Madiot, Teamchef des französischen FDJ-Teams, hatte seinen Siegsprinter Arnaud Demare wenige Kilometer vor dem Ziel bei einem Sturz verloren und sagte völlig aufgebracht: "Wenn ich so etwas sehe, möchte ich nicht, dass mein Kind Radprofi wird. Das ist kein Radsport mehr." Der einstige Tour-Etappensieger forderte: "Wir müssen das ändern, sonst wird es Tote geben."
Das deutsche Team Bora-hansgrohe hat unterdessen das Bergtrikot durch Ide Schelling zurückerobert. Der niederländische Tour-Debütant gewann die erste von zwei Bergwertungen des Tages und holte sich somit das weiße Trikot mit den roten Punkten von van der Poel zurück. Schelling wird das Trikot nun wohl bis Freitag verteidigen können, da auf den nächsten drei Etappen nur eine Bergwertung ansteht.
Quelle: ntv.de, tsi/dpa