Einfach "nach Haus geschickt"Würdeloser Rauswurf erwischt NBA-Superstar mitten in der Nacht
Von Torben Siemer
Wer an die Los Angeles Clippers denkt, hat oft Chris Paul vor Augen. Der NBA-Superstar prägt das Team über Jahre, führt es aus der Bedeutungslosigkeit. Für seine letzte Saison kehrt er zurück - und wird nur sechs Wochen nach Saisonstart plötzlich vor die Tür gesetzt.
Vor der Saison war die Rückkehr von Chris Paul zu den Los Angeles Clippers noch eine klassische Wohlfühlgeschichte. "Wenn ich nicht hier wäre, wäre es mir das nicht wert", hatte der Basketball-Superstar im Sommer gesagt und klargemacht, dass er sonst wohl seine Karriere vermutlich schon früher beendet hätte. Denn die Rückkehr in die kalifornische Metropole bedeutete auch, wieder deutlich mehr Zeit für die Familie und vor allem seine beiden Kinder zu haben: "Es bedeutet mir alles, wieder hier zu sein."
Und so unterschrieb der Point Guard für seine 21. NBA-Saison noch einmal bei dem Team, das er in seinen ersten sechs Jahren von der Lachnummer der Liga zu einer spektakulär auftretenden Mannschaft mit ernsthaften Meisterambitionen gemacht hatte. Von 2011 bis 2017 sorgte der für Basketball-Verhältnisse nur 1,83 Meter große Spielmacher als Vorlagengeber für die sprunggewaltigen Big Men DeAndre Jordan und Blake Griffin dafür gesorgt, dass bei "Lob City" bis heute jeder Fan sofort ein Bild vor Augen hat.
Als 40-Jähriger kehrte Paul nun also zu dieser Saison zurück, nachdem er in der Zwischenzeit auf Wanderschaft gegangen war. Houston Rockets, Oklahoma City Thunder, Phoenix Suns, Golden State Warriors und San Antonio Spurs lauteten die Stationen dieser Reise, die ihn zwar im Suns-Trikot erstmals bis in die NBA Finals, aber nicht zur so sehr ersehnten ersten Meisterschaft geführt hatte. Diesmal sollte er wieder als Anführer bei den Clippers wirken, auf dem Feld aber nur noch eine Nebenrolle spielen. "Chris ist einer der einflussreichsten Spieler, die je dieses Trikot getragen haben, und es ist nur angemessen, dass er für dieses Kapitel seiner Karriere zu uns zurückkehrt", sagte Teampräsident Lawrence Frank damals.
Chris Paul kann erst am 15. Dezember entlassen werden
Von diesen warmen Worten ist nur sechs Wochen nach dem Saisonstart nichts mehr übrig. "Habe gerade herausgefunden, dass ich nach Hause geschickt werde", schrieb Paul in der Nacht zu Mittwoch bei Instagram. Er zeigte sich also überrascht von der Mitteilung der Clippers, die erst kurz danach verschickt wurde, und in der Frank so zitiert wird: "Wir trennen uns von Chris und er wird nicht länger bei der Mannschaft sein." Denn, und da wird es endgültig unwürdig: Die NBA-Regeln schreiben vor, dass Paul frühestens am 15. Dezember entlassen oder per Trade zu einem anderen Klub geschickt werden kann.
Der beste Spielmacher der Clippers-Geschichte scheint demnach ein so großer Störfaktor zu sein, dass es unmöglich ist, ihn die knapp zwei Wochen bis dahin wenigstens noch mittrainieren zu lassen. In 16 von 21 Saisonspielen kam Paul zum Einsatz, sammelte dabei reihenweise Karriere-Tiefstwerte: 2,9 Punkte und 3,3 Assists bei nur 32,1 Prozent Feldwurfquote in 14,3 Minuten. Elf Spieler stehen länger auf dem Feld. Das war jedoch (vielleicht mit Ausnahme der miesen Wurfquote) auch so zu erwarten: Schon rund um die Verpflichtung war klar kommuniziert worden, dass der Veteran nach über 1300 NBA-Spielen in seiner 21. Saison nicht immer zum Einsatz kommen würde. Schließlich ist er nach dem ewigen LeBron James der zweitälteste und ebenso der zweit-dienstälteste aktive Spieler der NBA.
Es ist ein absolut unwürdiges Ende. Auch, weil erst vor zwei Wochen öffentlich geworden war, dass Paul seine 2005 bei den New Orleans Hornets begonnene Ausnahme-Karriere am Ende dieser Saison beenden will. Doch statt einer feierlichen Abschiedstournee fliegt er jetzt einfach raus. Ob seine meinungsstarke und streitbare Art dazu beigetragen hat, spielt keine Rolle, einen solchen Rauswurf hat er schlicht nicht verdient.
"Niemand macht Chris verantwortlich", aber ...
Der Vorgang erinnert an eine Zeit, die das Team eigentlich längst hinter sich gelassen hatte. Vor Pauls Debüt als Clipper im Jahr 2011 hatte die Franchise in den vorangegangenen 32 Saisons nur zweimal mehr Spiele gewonnen als verloren und war zum Symbol für unfähiges Management und Erfolglosigkeit geworden. Seit Pauls erstem Auftritt vor mehr als 14 Jahren passierte das kein einziges Mal mehr, auch nicht, nachdem er Los Angeles vorübergehend wieder verlassen hatte. In der laufenden Spielzeit allerdings stehen die Clippers nach 21 Spielen bei einer Bilanz von 5:16, verloren 14 der jüngsten Partien und zuletzt fünfmal nacheinander.
"Niemand macht Chris für unsere Misere verantwortlich", betonte Frank zwar, trotzdem lässt der stillose Rauswurf Paul jetzt wie den Sündenbock aussehen. Dabei hat Frank als Kaderplaner bewusst auf Stars im fortgeschrittenen Basketball-Alter gesetzt: Neben dem 40-jährigen Paul bewegen sich auch Brook Lopez (37), James Harden (36) und Nicolas Batum (36) unweigerlich auf das Karriereende zu, dazu kommt mit Kawhi Leonard (34) ein Schlüsselspieler, der in sechs Clippers-Jahren mehr als 150 Partien verpasst hat. "Ich übernehme Verantwortung für die Bilanz, die wir gerade haben", wird Frank zitiert - das Gesicht des Absturzes ist jetzt aber Paul.
Ob dieser seine Karriere nun beendet, ist noch nicht klar. Es wäre ein extrem bitterer Abschied aus der NBA, der Chris Paul nicht gerecht werden würde. Einem der besten Point Guards, die der Basketball je gesehen hat. Dessen Rückkehr zu den Clippers so viel Potenzial zu haben schien. Als "Win-Win" hatte seine Ehefrau Jada die Rückkehr zu den Clippers noch im Sommer bezeichnet: "Die Fans lieben dich. Du kannst mit den Kindern zu Hause sein. Hab Spaß." Das Lächeln, das in diesen Worten mitschwingt, dürfte allen jetzt fürs Erste vergangen sein.