NBA buhlt um FC BayernSpektakuläre Pläne versetzen Basketball-Europa in Aufruhr

Die Pläne der besten Liga der Welt konkretisieren sich: im Oktober 2027 will die NBA mit einer eigenen Liga in Europa starten. 16 Teams sollen mitmachen, zwölf permanente Standorte scheinen fix - darunter auch zwei in Deutschland. In München und Berlin hält man sich noch bedeckt.
Dass die National Basketball Association ihre mächtigen Arme bis nach Europa ausgestreckt hat, ist nicht neu. Jeder sechste NBA-Spieler stammt vom alten Kontinent, darunter die derzeit Besten der Welt. Megastars wie Nikola Jokic (Serbien; Denver Nuggets), Giannis Antetokounmpo (Griechenland; Milwaukee Bucks), Luka Doncic (Slowenien; Los Angeles Lakers) und Victor Wembanyama (Frankreich; San Antonio Spurs) räumen Trophäen am Fließband ab, zählen zu den unangefochtenen Lieblingen der Fans. Acht Spieler aus Europa wurden in den vergangenen fünf Jahren in der Top-Ten gedraftet - auch der gebürtige Berliner Franz Wagner. "Europa bringt weiterhin mit die besten Spieler der Welt hervor, aber die kommerziellen Erfolge dort passen nicht zum Wachstum unseres Spiels", betont NBA-Commissioner Adam Silver. Eine neue Liga soll Abhilfe schaffen.
Jetzt hat sich die NBA zum ersten Mal mit konkreten Details zu Wort gemeldet, die es in der Klarheit so noch nicht gegeben hat. George Aivazoglu, Geschäftsführer der NBA in Europa und Nahost, stand beim "Football Business Forum" in Mailand Rede und Antwort und gab ungewohnt deutliche Einblicke in die Planungen. "Wir wollen im Oktober 2027 starten", sagte Aivazoglou über die neue Liga in Europa, die die NBA gemeinsam mit dem Weltverband FIBA konzipiert hat. Laut Aivazoglou soll die Liga insgesamt 16 Teams und Metropolen umfassen - davon zwölf als permanente Mitglieder, unter anderem auch Berlin und München. Die anderen Wunschkandidaten sind Madrid und Barcelona in Spanien, Rom und Mailand in Italien, London und Manchester in England, Paris und Lyon in Frankreich, Athen in Griechenland und Istanbul in der Türkei.
Ein semi-offenes Format soll Raum für vier weitere, wechselnde Teilnehmer lassen, die entweder aus der FIBA Champions League (eine Mannschaft) oder aus nationalen Ligen (drei Teams) aufsteigen können. Das sei der spannendste Aspekt, so Aivazoglou, weil es sportliche Perspektive schaffe und theoretisch jedem Klub die Möglichkeit eröffnet, dabei zu sein. Aivazoglou sprach von weiterer Integration, etwa "in einem gemeinsamen Wettbewerb, der NBA- und Europa-Teams gegeneinander antreten ließe, in einer Art NBA-Cup mit amerikanischen und europäischen Teams, oder einem Turnier ähnlich der FIFA Klub-WM im vergangenen Sommer."
Berlin spielt eine Hauptrolle in den Plänen der NBA
Wenngleich von der NBA bisher noch keine offiziellen Vereinbarungen mit Städten oder Klubs bekannt gegeben wurden, scheint die Erstellung eines Grundgerüsts in den finalen Zügen zu liegen. Es wirkt realistisch, dass die NBA bereits Mitte Januar offiziell verkünden kann, was bisher nur unter Vorbehalt diskutiert werden durfte. In knapp zwei Monaten treffen die Orlando Magic um die Wagner-Brüder Franz und Moritz sowie Tristan Da Silva zweimal in Europa auf die Memphis Grizzlies. Es ist kein Zufall, dass die beiden regulären Partien des NBA-Kalenders in Berlin und London stattfinden werden - zwei der zentralen Märkte in den neuen Europa-Plänen.
Die NBA verhandelt noch, mit bereits existierenden Basketball-Teams, aber auch mit Fußball-Klubs, die zwar über eine starke Markenpräsenz, aber noch nicht über eine Basketball-Abteilung verfügen. An manchen Orten soll komplett bei Null begonnen werden. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt sprach Aivazoglou von "Märkten, die vorrangig oder am höchsten in Bezug auf ihr Potenzial eingestuft" wurden, und dass Berlin einer dieser Märkte sei. "Berlin ist eine Stadt, die unserer Meinung nach eine ständige Rolle bei allem spielen sollte, was im europäischen Basketball passiert", hatte Aivazoglou im Mai gegenüber basketball-world.news erwähnt.
Gegenüber ntv.de bestätigte Alba Berlin seine Position: "Die Vertreter der NBA reden mit allen potenziellen Stakeholdern, also auch mit uns", hatte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi der "Bild" gesagt und auf Anfrage auf eben diese Äußerungen verwiesen. "George Aivazoglu spricht ja auch ganz offen von Berlin. Es gibt keine Geheimnisse. Viele denken, dass schon alles geklärt sei, aber das ist 'work in progress'. Was Aivazoglu am Freitag beschrieben hat, das ist der Stand. Die NBA lotet aktuell die Gesamtsituation aus und arbeitet an allen Rahmenbedingungen. Wir sind im Gespräch, aber viel mehr als Aivazoglu verlauten lassen hat, wissen wir auch nicht."
Beim Konkurrenten EuroLeague wächst der Frust
Im Gegensatz zu den Berlinern, die nach 24 Jahren aus der EuroLeague ausstiegen und sich heuer in der FIBA Champions League in strategische Position gebracht haben, zählt der FC Bayern Basketball zu den 13 Gesellschaftern der stärksten europäischen Liga. Man habe seine Haltung gegenüber der EuroLeague mehrfach erläutert, heißt es aus München. Was die Verhandlungen mit der NBA anbelangt, erklärte der FCBB: "Es ehrt den Verein, dass der FC Bayern Basketball als attraktive Marke und Organisation angesehen wird. Doch Stand heute handelt es sich bei diesem Themenkomplex um nichts mehr als Gerüchte, zu denen wir uns grundsätzlich nicht äußern", hieß es aus der Kommunikationsabteilung des deutschen Meisters. Auf Nachfrage von ntv.de, ob Aivazoglous Ankündigung nicht bereits viel konkreter auf München als Standort abziele, wollte sich der Verein nicht weiter äußern.
Silver und die National Basketball Association haben in der FIBA, die seit Jahren mit der EuroLeague im Clinch liegt, einen dankbaren Partner gefunden. Die FIBA überlässt jegliche Kommunikation und Verhandlungen den US-Amerikanern, wollte selbst während der von ihr organisierten Europameisterschaft zu den Plänen nichts sagen. Derweil zweifelt EuroLeague-CEO Paulius Motiejunas weiterhin öffentlich die Legitimität der NBA-Bemühungen an. Während die beste Liga der Welt bestreitet, dass es ihr bei diesem Projekt ausschließlich um Kommerzialisierung und monetäre Vorteile geht, sieht der EuroLeague-Boss in erster Linie Geldgier und falsche Intentionen.
"Wir bleiben im Dialog, kommen aber nicht wirklich voran", sagte Motiejunas gegenüber der spanischen Zeitung "El Pais" vergangene Woche. "Wir sind sehr frustriert. Egal, was wir vorschlagen, sie wollen nicht. Sie folgen nur ihrem Plan, sprechen bereits über Starttermine und Städte und Teams. Das sind schlechte Neuigkeiten für den europäischen Basketball. Wir brauchen nicht noch einen Wettbewerb, es gibt hier schon vier. Sie könnten helfen, wenn sie wollten. Aber so werden sie dem europäischen Basketball nur schaden. Die NBA will Basketball um ein Business erschaffen. Wir erschaffen Business um den Basketball."
Was läuft in Paris, London, Madrid, Manchester und Mailand?
NBA-Vize Mark Tatum lehnte die Auffassung, dass es bei diesem Projekt primär um Geld geht, entschieden ab. "Um es klar zu machen, natürlich denken wir, dass es kommerzielle Möglichkeiten gibt, aber unsere Gründe sind nicht in erster Linie kommerziell", sagte Tatum gegenüber Medienvertretern am 21. Oktober. "Wir sehen eine Möglichkeit, den Wachstum des Basketballs in Europa zu beschleunigen und Fans zu bedienen, die heute nicht bedient werden. Die EuroLeague hat keine Franchises in Großbritannien. Es gibt keine permanente Franchise in Paris. Es gibt keine permanente Franchise in Rom, in Berlin... Das sind einige der größten Märkte in Europa, und sie haben dort keinen Zugang zu einer Top-Liga. Wir wollen Klarheit in diesem Ökosystem schaffen."
Laut Motiejunas hat die EuroLeague ihren Umsatz in den vergangenen zwei Jahren um 50 Prozent gesteigert, den Gesamtwert des Geschäfts beziffert er auf mittlerweile mehr als 1,5 Milliarden Euro. Gemessen an den Wertschätzungen auf Seiten der NBA bleiben das Kleckerbeträge. Alleine die Eintrittsgebühr für jeden neuen Klub in die neue Europa-Liga soll 500 Millionen Euro oder mehr betragen. "Das ist schwer zu begreifen", sagt Motiejunas, der gleichzeitig nicht müde wird zu betonen, dass es seiner Liga "unglaublich gut geht. Wir sind besser denn je."
Ob sich die EuroLeague letztlich mit den großen Marken aus dem europäischen Fußball messen können wird, muss sich zeigen. Von den 20 Mannschaften, die derzeit in der EuroLeague auflaufen, spielen acht in Städten, die auf der Liste der NBA stehen. Die Euroleague-Lizenzen von Real Madrid und FC Barcelona laufen bald aus, die spanischen Schwergewichte gelten als sichere Kandidaten für einen Wechsel. In Paris spielt zwar bereits mit Paris Basketball ein EuroLeague-Team - jedoch erscheint Fußball-Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain, das im Besitz der "Qatar Sports Investments"-Gruppe ist, aber ungleich lukrativer - sowohl für die Kataris als auch für die NBA.
In England bieten sich sowohl Arsenal als auch Manchester City als aussichtsreichste Adressen an. Arsenal wird von "Kroenke Sports & Entertainment" geleitet, die bereits über Teams in der NBA (Denver Nuggets), NFL (Los Angeles Rams) und NHL (Colorado Avalanche) verfügen. "Emirates" ist Arsenals Hauptsponsor - ebenso wie bei der AC Mailand, die den Vorzug vor EA7 Emporio Armani Mailand aus der EuroLeague erhalten könnte. Bei Manchester City, das von "Etihad" gesponsert wird, kokettiert die Besitzergruppe "Abu Dhabi United" um Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan offen mit ihrem Bestreben, endlich ein Basketball-Team in ihr Portfolio zu übernehmen. Citys Vorstandsvorsitzender ist Khaldoon Al Mubarak, sein Bruder, Mohammed Al Mubarak, leitet das "Abu Dhabi Department of Culture and Tourism" - das seit drei Jahren die Preseason-Partien der NBA in den Emiraten organisiert. Und vor Kurzem auch als Großsponsor bei der EuroLeague eingestiegen ist.