Taktikzoff vor dem Olympia-Endspiel DBB-Team verzweifelt in der "Bastardgruppe"
10.09.2015, 06:54 Uhr
"Es wird wahrscheinlich nicht hübsch werden, sondern über den Kampf gehen", sagt Nowitzki vor dem Spanien-Spiel.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach dem kollektiven Versagen gegen die Türkei mutieren die deutschen Basketballer gegen Italien zur Drama Queen: Dennis Schröder brilliert als Big Boss, tragischer Held und Trainerkritiker. Jetzt geht's gegen Spanien um alles.
Für den Hallensprecher war das Spiel ein Segen. Nach dem EM-Vorrundenduell der deutschen Basketballer gegen Italien musste er die Zuschauer nicht zweimal zum zügigen Verlassen der Berliner Arena auffordern. Der Großteil der 13.050 Fans flüchtete nur zu gern vor der Enttäuschung, die nach der Schlusssirene in der Halle und den Gesichtern der DBB-Profis hing. Denn für die deutschen Basketballer und ihre Fans war dieses Spiel trotz der 29 Punkte von Jungstar Dennis Schröder und ungeachtet der bemerkenswerten Leistungssteigerung im Vergleich zum Türkei-Debakel vor allem eins: ein Graus.
Mit dem unnötigen 82:89 n.V. versetzte sich das DBB-Team selbst den nächsten Tiefschlag in der Vorrundengruppe B. Deutschland spiele ein gutes Turnier, sagte Italiens Chefcoach Simone Pianigiani nach dem Spiel, aber es sei einfach eine "Bastardgruppe". Während die Italiener die Todesgruppe nach dem dritten Sieg in Folge vorzeitig überlebt haben, stehen die deutschen Basketballer nach der dritten Pleite in Folge und dem Gruppenendspiel gegen Spanien (ab 17.45 Uhr) vor der Brust mit einem öffentlich ausgetragenen Taktikzoff zwischen Schröder und Bundestrainer Chris Fleming sowie diesen quälenden "Was wäre, wenn"-Fragen da.
Was wäre gewesen, wenn die zuvor so konsequenten Referees kurz vor Schluss der Verlängerung beim Stand von 84:82 für Italien - konsequenterweise - auf Foul gegen DBB-Spielmacher Schröder und Freiwürfe für Deutschland entschieden hätten? Was, wenn der 21-Jährige in der Schlusssekunde der regulären Spielzeit den Ball nicht – wieder einmal – in einer entscheidenden Situation vorbeigelegt hätte? Was, wenn Anton Gavel und Maodo Lo ihre jeweiligen Korbleger-Elfmeter versenkt statt kläglich vergeben hätten?
Schröder-Kritik am Trainer
"Es ist verdammt bitter, zwei Spiele in der Vorrunde so zu verlieren, wenn du beide Male eine Riesenchance hast", haderte Altstar Dirk Nowitzki mit der Italien-Niederlage. Ein bisschen Erfahrung, Entschlossenheit, Glück, "so ein bisschen alles leider" habe den Deutschen am Ende gefehlt, um sich nach 45 i ntensiven Minuten für ihre Leistung mit einem Sieg zu belohnen. Dann wäre das DBB-Team zwar immer noch mit der Gewissheit des möglichen Scheitern ins Spanien-Duell gegangen. Aber auch mit dem Wissen, bei dieser EM nicht nur gute Spiele abliefern, sondern diese auch gewinnen zu können.
Stattdessen stand Dennis Schröder nach der Partie vor der Presse und kritisierte seinen Trainer. Hintergrund war die Anweisung von Chris Fleming, den Gegner in der Schlussphase bei drei Punkten Vorsprung (75:72) und 27 Sekunden auf der Uhr zu foulen und an die Freiwurflinie zu schicken. Weil die Italiener beide Freiwürfe trafen, Schröder anschließend aber nur einen, konnte der italienische NBA-Star Danilo Gallinari kurz vor Schluss mit dem Korb zum 76:76 die Verlängerung erzwingen. Dort schaffte das DBB-Team in fünf Minuten nur noch sechs Punkte, Italien elf.
"Ich denke, wo wir mit drei vorn waren, hätten wir nicht foulen müssen. Aber der Coach hat gesagt, wir sollen foulen", kommentierte Schröder die Schlussphase und bezeichnete Flemings Taktik auf Nachfrage explizit als "nicht smart".
DBB-Team verbessert sich permanent
Der Coach sah sich zu einer öffentlichen Replik gezwungen und nahm seinen forschen Jungstar in die Pflicht: "Ich finde die Taktik nicht verkehrt. Wenn er seine Freiwürfe trifft, ist das Spiel zuende. Der Freiwurf soll ja der leichteste Wurf im Basketball sein." Zudem kritisierte Fleming in der Schlussphase mangelnde Ballbewegung im deutschen Spiel, als Schröder zu oft mit dem Kopf durch den Gegner wollte - und dabei trotz insgesamt 29 Punkten und 7 Assists mehrmals den Kopf verlor. Generell sei er aber "sehr stolz auf Dennis, wie er auf das Spiel gegen die Türken reagiert habe".
Sein Team lerne schnell, verbessere sich permanent, fügte Fleming an: "Hoffentlich ist es schnell genug für das nächste Spiel." Um 17.45 Uhr trifft Deutschland in Berlin auf Spanien, das gegen Island beim 99:73 den zweiten Vorrundenerfolg feierte. Nur bei einem Sieg zieht das DBB-Team in die K.o.-Runde in Lille ein und wahrt die Chance auf die Olympia-Qualifikation. "Wenn du Sportler bist und den Wettbewerb liebst, dann willst du so eine Situation: Win or go home. Da gibt es nichts mehr rumzurechnen", findet Nowitzki, der gegen Italien mit 14 Punkten zweitbester DBB-Scorer war.
Es wird nicht "hübsch" werden
Aber nicht nur die Deutschen, auch die Spanier gehen nach den Vorrundenniederlagen gegen Serbien und Italien mit enormem Druck in die Partie. Ein Vorrundenaus wäre für das Team um EM-Topscorer Pau Gasol keine Blamage, sondern eine nationale Katastrophe. Während der 35-jährige Centerstar Gasol mit im Schnitt 23 Punkten ein herausragendes Turnier spielt, schwächeln seine Teamkollegen. "Totale Abhängigkeit von Gasol", bilanzierte die Sportzeitung "As" nach der Niederlage gegen Italien und titelte auf Seite eins: "Nun geht es gegen Nowitzkis Deutschland ums Weiterkommen."
Mit einem Basketball-Leckerbissen rechnet der deutsche Altstar in seinem womöglich letzten Länderspiel nicht: "Beide Mannschaften haben fünf Spiele in sechs Tagen absolviert. Es wird wahrscheinlich nicht hübsch werden, sondern über den Kampf gehen."
Quelle: ntv.de