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Monica Seles wird angegriffen Das Attentat, das die Tenniswelt schockte

Die Momente nach dem Attentat: Monica Seles erholt sich nie wieder ganz von dem Angriff in Hamburg.

Die Momente nach dem Attentat: Monica Seles erholt sich nie wieder ganz von dem Angriff in Hamburg.

(Foto: imago/Norbert Schmidt)

Am 30. April 1993 wird die Sport-Welt durch ein brutales Attentat erschüttert. Auf dem Centre Court des Hamburger Rothenbaum sticht der persönlichkeitsgestörte Steffi-Graf-Fan Günther Parche der jugoslawischen Weltranglistenersten Monica Seles mit einem Messer in den Rücken.

"Es war ein schlimmerer Schmerz, als ich ihn mir je hätte vorstellen können. Sobald ich begriffen hatte, was gerade geschehen war, verfiel ich in einen Schockzustand", berichtete Tennis-Ikone Monica Seles Jahre später von dem Tag, der ihre Karriere nachhaltig veränderte.

Rückblick: Bereits Ende der 80er-Jahre betrat Seles im zarten Teenager-Alter die große Tennis-Bühne. Schon ein einziger Blick auf ihr dominantes Spiel reichte, um zu erahnen, dass sie den etablierten Spitzen-Spielerinnen wie Martina Navrátilová, Gabriela Sabatini, Arantxa Sánchez und auch Steffi Graf die Stirn bieten würde. Der Beweis folgte umgehend: Mit ihrem revolutionären und kraftbetonten Spiel schlug Seles der etablierten Weltspitze den gelben Filzball zu Beginn der 90er-Jahre nur so um die Ohren.

Spätestens durch den French-Open-Sieg 1990 gegen Steffi Graf war eine der größten Tennis-Rivalitäten bei den Damen geboren. Graf auf der einen, Seles auf der anderen Seite. Eine Rivalität, die sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzte. Die beiden Ausnahmespielerinnen bestritten mehrere große Finals, lieferten sich Saison für Saison hart umkämpfte und emotionsgeladene Duelle auf allen Belägen.

Steffi Graf im Schatten des Wunderkinds

Seles überflügelte Graf Anfang der 1990er-Jahre.

Seles überflügelte Graf Anfang der 1990er-Jahre.

(Foto: imago images / Laci Perenyi)

Am 11. März 1991 wurde Seles zum ersten Mal als neue Nummer 1 der Weltrangliste geführt. Nur eine Saison später schien die beidhändig spielende Jugoslawin endgültig an Olympiasiegerin Graf vorbeigezogen zu sein. Sie siegte bei drei Grand-Slam-Turnieren, stand in Wimbledon zudem im Finale - natürlich gegen die Deutsche.

Diese sensationelle wie plötzliche Verschiebung der Tennis-Machtverhältnisse konnte und wollte der glühenden Graf-Anhänger Günther Parche nicht hinnehmen. Der Thüringer fasste im Frühling 1994 einen folgenschweren Entschluss: Er wollte seinem Idol Steffi Graf zurück auf den Thron helfen - notfalls mit Gewalt.

Mit einem Ausbeinmesser bewaffnet, das er in einer Plastiktüte transportierte, nahm der gelernte Dreher als Zuschauer beim WTA-Turnier am Hamburger Rothenbaum Platz und verfolgte die Spiele von Monica Seles. Seine Absicht, Seles mit dem Messer zu attackieren und verletzen zu wollen, stand schon zu diesem Zeitpunkt fest, wie er später zugab. Während der Viertelfinalpartie zwischen Monica Seles und Magdalena Maleeva kam es dann tatsächlich zum Attentat.

"Das war eine harte Lektion"

Während einer Spielpause beim Stande von 6:4 und 4:3 wird Seles gegen 18:50 Uhr von Parche angegriffen. Der Graf-Fanatiker lehnt sich über die Bande neben dem Schiedsrichterstuhl und sticht zu. Er verletzt Seles zwischen den Schulterblättern mit einer zwei Zentimeter tiefen Wunde. Seles bricht vor Schmerzen und unter Schock stehend zusammen, während Parche widerstandslos festgenommen und abgeführt wird.

Die physische Verletzung der großen Graf-Rivalin klang glücklicherweise ziemlich schnell ab, der psychische Schaden blieb über Jahre. Seles sagte selbst: "Mir ist etwas Furchtbares zugestoßen, das meine Laufbahn unwiederbringlich in eine andere Richtung gelenkt und meine Seele ernsthaft verletzt hat. Im Bruchteil einer Sekunde wurde meine Persönlichkeit nachhaltig verändert."

Zwei Tage nach der Messer-Attacke wird Seles im Krankenhaus von Steffi Graf besucht. In diesem Moment realisiert das Opfer: Anstatt die Veranstaltung an der Hallerstraße abzubrechen, wurde das Turnier auf Drängen des Veranstalters fortgesetzt. "Steffi und ich konnten uns nur ein paar Minuten unterhalten, bevor sie zum Finale musste. Ich war bestürzt. Das Turnier lief weiter, als ob nichts geschehen wäre?! Das war eine harte Lektion über das Tennisbusiness. Eigentlich geht es nur ums Geld", schrieb Seles später in ihrer Biographie.

Nach dem Attentat nie wieder in Deutschland

Zwei Jahre lang kehrt Seles nicht auf die Tour zurück, nahm psychisch schwer angeschlagen zeitweise bis zu 30 Kilogramm zu. Bis auf vereinzelte Höhepunkte konnte Seles auch in den späteren Neunziger und frühen 2000er-Jahren nicht mehr an ihre goldenen Jahre 1991 und 1992 anknüpfen.

Ein Turnier in Deutschland spielte Seles nach dem Attentat nie wieder. Dass der Täter Parche nach einer attestierten "verminderten Steuerungsfähigkeit" zu lediglich zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, blieb auch über den Tennissport hinaus ein viel diskutiertes Thema.

"Ich tat es für Steffi", stellte Parche in den Vernehmungen klar. Bittere Tragik der Geschichte: Am 5. August verlor Seles tatsächlich ihre Weltranglistenführung an Steffi Graf. Die ab 1994 eingebürgerte US-Amerikanerin wird in den ersten Monaten ihrer Rückkehr mit Grafs Zustimmung zwar als "Co-Nr.-1" geführt, kann die Spitzenposition aus eigener Kraft aber nie wieder erreichen.

Quelle: ntv.de

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