In vier Jahren aus der WG zur WM Das irre Darts-Märchen von Florian Hempel
22.12.2021, 07:12 Uhr
Florian Hempel hat bei der Darts-WM sensationell gegen Dimitri Van den Bergh gewonnen.
(Foto: picture alliance / empics)
Erst vor vier Jahren hat Florian Hempel in einer Kölner WG mit dem Dartsport begonnen. Anfang dieses Jahres gelingt ihm die Quali für die Profitour. Jetzt steht der 31-Jährige in der dritten Runde der Weltmeisterschaft, nach einem Sensationserfolg gegen einen Topspieler.
Am Ende wirkt es so, als können die Darts von Florian Hempel ihr Ziel, das acht Millimeter schmale Doppelfeld, gar nicht mehr verfehlen. Der 31-jährige Kölner nutzt in der Partie gegen den Weltranglisten-Fünften Dimitri Van den Bergh direkt seine erste Möglichkeit zum Matchgewinn. Hempel steht bei seinem Weltmeisterschaftsdebüt sensationell in der dritten Runde und sorgt mit seinem famosen Auftritt gegen den belgischen Spitzenspieler für neue Darts-Euphorie in Deutschland. "Ich habe einen der besten Spieler der Welt geschlagen. Das ist mein erstes Jahr, jetzt bin ich in der dritten Runde, das ist Wahnsinn", sagt Hempel im Siegerinterview bei "Sky Sports".
Gleich zu Beginn der Partie zeigt Hempel direkt, dass mit ihm zu rechnen ist. WM-Mitfavorit Van den Bergh lässt sich den ersten Satz im Entscheidungsleg von Hempel wegschnappen. Mit Wut im Bauch zeigt der Belgier aber eine Reaktion, die es in sich hat. Im zweiten Satz ist Hempel komplett chancenlos. Daraufhin jedoch stabilisiert sich der Deutsche wieder und präsentiert sich vor allem beim Wurf auf die Doppelfelder bärenstark.
Van den Bergh lässt zwar mit einigen Highscores seine Stärke aufblitzen, patzt aber immer wieder beim Wurf auf die Doppel. So ist es Hempel, der nach dem verwandelten Matchdart auf die Doppel acht zunächst kaum realisieren kann, was ihm gelungen ist. Er blickt leicht ungläubig erst auf den Hallenboden, dann zu seinem Gegner, dann zu seiner Freundin im Zuschauerbereich und dann in Richtung Hallendecke.
Hempels Chancen stehen gut
Am Ende des siebten Turniertags bei der Darts-WM im Londoner Alexandra Palace wird Hempel sicherlich auch noch einen Blick auf den Turnierbaum geworfen haben. Der bietet ihm jetzt nämlich sogar eine realistische Chance auf den Einzug ins Viertelfinale. Noch nie zuvor hat ein Deutscher bei der Darts-WM die Runde der letzten Acht erreicht.
Zunächst geht es für Hempel, der wegen der Corona-Einreisebestimmungen Weihnachten in London verbringen muss, aber am Nachmittag des 27. Dezember gegen Raymond Smith um den Einzug ins Achtelfinale. Der 42-jährige Australier ist neben Hempel bisher die zweite große Überraschung des Turniers. Doch auf dem Papier hätte es den Deutschen härter treffen können. Zumal selbst im Falle eines Weiterkommens keine unlösbare Aufgabe warten würde: Mervyn King, Weltranglistenplatz 21, oder Steve Lennon, Weltranglistenplatz 52, wären die möglichen Achtelfinalgegner.
Vom Handball über Kölner WG zum Darts
Egal, wie weit es für Hempel im "Ally Pally" noch geht, seine Geschichte vom Hobby-Spieler zur WM-Sensation liest sich schon jetzt wie ein Sportmärchen. Hempel, 1990 in Dessau geboren, ist ein Spätberufener. Seine sportlichen Meriten verdient er sich zunächst als Handballtorwart. Mit Anfang 20 steht er für den Zweitligisten Dessau-Roßlauer HV für ein Spiel im Tor, spielt anschließend auch in der dritten Liga für den Klub aus Sachsen-Anhalt. 2014 zieht er nach Köln um, spielt noch bis 2016 in NRW in der Handball-Oberliga. Dann endet seine erste Sportler-Laufbahn und Hempel findet eine neue sportliche Heimat.
Der Weg von Florian Hempel in die dritte Runde der Darts-WM beginnt in einer Kölner WG. 2017 wohnt er mit zwei Freunden zusammen in der Domstadt. "In der WG hatten wir ein billiges Dartboard hängen. Und jeden dritten Samstag vorm Feiern haben wir bei ein paar Kaltgetränken ein paar Darts geworfen", hatte Hempel kurz nach seiner Qualifikation für die Profitour Anfang des Jahres im "Checkout"-Podcast erzählt.
"Ich kannte Darts nur aus dem Fernsehen"
Als er einmal eine Woche Urlaub hat, packt Hempel der Ehrgeiz und er beginnt länger zu trainieren. "Ich habe mich dann einfach mal hingestellt und ein paar Darts geworfen. Und ich bin halt ein kleiner ehrgeiziger Junge, der nicht aufhören kann, wenn noch nicht das erreicht ist, was er sich vorgestellt hat."
Nach ein paar Tagen kauft sich Hempel im Internet ein eigenes Dartboard und die ersten eigenen Pfeile. "Darts, die mir optisch gefallen haben." Als die Billig-Darts aber wenig später kaputtgehen, geht Hempel in einen Kölner Dartshop, lässt sich dort beraten und von der lokalen Darts-Szene berichten. "Ich wusste gar nicht, dass so viele Leute Dart spielen. Ich kannte Darts nur aus dem Fernsehen, Phil Taylor und Michael van Gerwen. Das war es auch schon, was mich mit Darts damals verbunden hat."
Der Dartshop-Betreiber lädt Hempel am Ende seines Besuchs zu einem Kölner Dartturnier ein. "Ich bin da einfach hingegangen. Fünf Euro Startgeld. Das Turnier habe ich tatsächlich gewonnen, obwohl da einige Top-Jungs dabei waren. Das hat viel Spaß gemacht. Und das nächste halbe Jahr habe ich dann etwa zweimal pro Woche trainiert", erzählt der 31-Jährige.
"So schnell so gut waren nicht viele"
Das Training trägt Früchte. Hempel nimmt in Köln an einer lokalen Turnierserie teil, dessen Sieger einen Startplatz für ein Qualifikations-Turnier zu einem kleineren Profi-Event der Profidartorganisation PDC in Leverkusen bezahlt bekommt. "Das waren 125 Pfund damals. Und die Turnierserie habe ich tatsächlich gewonnen. Bei dem Quali-Event habe ich dann immerhin auch die zweite oder dritte Runde erreicht."
Hempel hat Talent, ist angefixt und nimmt an mehreren Turnieren pro Woche teil - in Deutschland, aber auch in den Niederlanden. Er engagiert zusätzlich einen Mentaltrainer. "Darts ist Kopfsache, zu 80 Prozent", ist Hempel überzeugt. Genauso ist er aber überzeugt, dass er von seiner Zeit als Handballtorwart profitiert. "Meine Augen-Hand-Koordination, die damals schon sehr ausgeprägt war, hat mir sehr geholfen. Und durch meine sportliche Vergangenheit, wusste ich, dass ich für ein sportliches Ziel viel investieren muss. Ich bin unfassbar ehrgeizig und fleißig gewesen, stand bis zu acht Stunden am Tag am Board."
Der Kölner verbessert sich weiter und wagt 2018 einen mutigen Schritt. "Ich habe entschieden, ein Jahr aufs Ganze zu gehen, viermal die Woche zu trainieren. Mit dem Ziel, wirklich Profi zu werden. Mir wurde gesagt, so schnell so gut waren noch nicht viele", erinnert sich Hempel, der damals noch als selbstständiger Fitnesstrainer und Ernährungsberater arbeitet. "Das habe ich nach und nach beiseite geschoben und mir stattdessen mehrere Standbeine im Dart aufgebaut. Zusammen mit einem Freund betreibe ich einen Youtube-Kanal über Darts, veranstalte in Köln eigene Turniere und gebe den einen oder anderen Workshop."
"Alles auf eine Karte gesetzt"
Seit Mitte 2018, als er "alles auf eine Karte setzt", dreht sich bei Florian Hempel alles um Darts. Der klare Fokus auf sein Hobby hilft ihm, sein Spiel weiter zu verbessern. 2019 qualifiziert er sich erstmals für zwei PDC-Turniere, das Jahr 2020 nutzt er coronabedingt vor allem für das Training und die Teilnahme an Online-Turnieren. Spätestens seit 2021 ist Hempel schließlich allen Dartsfans ein Begriff, als er sich bei der Qualifiying School der PDC die sogenannte Tourkarte erspielt. Nur 128 Spieler haben die Berechtigung, auf der Profitour der PDC dabei zu sein. Florian Hempel ist mittlerweile einer von ihnen.
Doch damit nicht genug: Hempel schafft im ersten Jahr die WM-Qualifikation. Mittlerweile hat der Kölner bereits etwa 57.000 Euro Preisgeld auf der PDC-Tour eingespielt. Es ist der Lohn harter Arbeit und einer mutigen Entscheidung, alles auf die Karte Darts zu setzen. Und vielleicht kommen ja noch einige Tausend Euro Preisgeld bei der Weltmeisterschaft dazu.
Quelle: ntv.de