"Keine Beteiligung Russlands" Der Sport zieht Konsequenzen aus dem Krieg
26.02.2022, 14:02 Uhr
Die Allianz Arena leuchtete in den Farben der Ukraine.
(Foto: picture alliance/dpa/FC Bayern München)
Der Einmarsch Russlands in der Ukraine sorgt für Reaktionen aus der Sportwelt: Verbände und Vereine beziehen Stellung. Es gibt symbolische Aktionen der Solidarität, Ankündigungen, aber auch schon ernste Konsequenzen.
Polen tritt nicht zu den WM-Play-offs an
Angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine will Polen bei den Play-offs für die Fußball-Weltmeisterschaft (WM) nicht gegen Russland antreten. "Es ist Zeit zu handeln", erklärte der Chef des polnischen Fußball-Verbands PZPN, Cezary Kulesza, bei Twitter. Aufgrund der Eskalation der Gewalt durch Russland beabsichtige die polnische Mannschaft, das Play-off-Spiel gegen Russland "nicht zu bestreiten", Dies sei "die einzig richtige Entscheidung".
Das Spiel ist für den 24. März in Moskau angesetzt. Kulesz kündigte zudem an, mit den Verbänden aus Schweden und Tschechien an einer einheitlichen Position zu arbeiten. Der Sieger des Duells zwischen Russland und Polen müsste laut Plan anschließend auf Tschechien oder Schweden treffen, die sich in der Runde davor gegenüberstehen.
Der Fußball-Profi Robert Lewandowski, Kapitän des Nationalteams, meldete sich wenig später ebenfalls zu Wort. "Das ist die richtige Entscheidung!", schrieb er bei Twitter: "Ich kann mir nicht vorstellen, zu einem Spiel gegen das russische Team anzutreten, während sich die Aggression in der Ukraine fortsetzt. Russlands Fußballer und Fans sind dafür nicht verantwortlich, aber wir können nicht so tun, als ob nichts passiert."
Die drei Verbände hatten den Weltverband Fifa am Donnerstag bereits in einer Erklärung dazu aufgefordert, die Play-off-Spiele nicht in Russland stattfinden zu lassen. Der europäische Fußballverband Uefa hatte Russland am Freitag zudem die Ausrichtung des Champions-League-Finales am 28. Mai entzogen.
Bundesligisten protestieren und schweigen
Mit einer Schweigeminute vor Spielbeginn haben die Vereine der Fußball-Bundesliga ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung ausgedrückt. Die Deutsche Fußball Liga hatte die Aktion empfohlen, gegen 15.30 Uhr herrschte in den fünf Erstligastadien kurzzeitig Stille. In Fanblöcken waren zudem Ukraine-Fahnen zu sehen. Der rheinische Klub Bayer Leverkusen verzichtete am Karnevalssamstag auf das Abspielen entsprechend fröhlicher Musik, der SC Freiburg färbte Lichtstreifen in seinem Kabinenzugang in den ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau.
Die SpVgg Greuther Fürth entrollte vor der Partie gegen den 1. FC Köln ein in Geld und Blau gehaltenes Banner, das beide Mannschaften in die Höhe hielten. Darauf stand in Großbuchstaben geschrieben: "STOP WAR. WIR GEGEN KRIEG." Der Stadionsprecher sagte: "Wir verurteilen jede Art von Krieg". Sport stehe für Miteinander, das Mitgefühl sei bei den unschuldigen Menschen, "die um Leben und Heimat fürchten" müssen.
Der 1. FC Union Berlin spielte vor der Partie gegen den FSV Mainz 05 fast ausschließlich Lieder mit Krieg- und Friedensbezug. Vor dem Anpfiff des Spiels von Borussia Mönchengladbach gegen den VfL Wolfsburg gab es zwei Schweigeminuten - eine für den am Donnerstag bei einem Autounfall gestorbenen U23-Spieler Jordi Bongard.
Zweitligist FC Schalke 04 spielte zuvor in der Partie beim Karlsruher SC wie angekündigt ohne den Schriftzug des umstrittenen russischen Großsponsors Gazprom auf den Trikots. Bei der Partie des FC Ingolstadt gegen den 1. FC St. Pauli war ein Plakat zu sehen mit der Aufschrift: "Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!"
Norwegens NOK will "keine Beteiligung Russlands"
Norwegens Sport-Dachverband macht für einen Ausschluss russischer und belarussischer Athleten von allen internationalen Sportveranstaltungen stark. Das ist das Ergebnis einer außerordentlichen Vorstandssitzung. "Russlands Angriffe auf das ukrainische Volk und Verstöße gegen das Völkerrecht erfordern internationale Verurteilung und Sanktionen", hieß es vom Nationalen Olympischen Komitee Norwegens in einer Stellungnahme. Ein Ausschluss der Aktiven aus Russland und Belarus außerhalb ihrer Heimatländer sei "die klare Meinung" des Verbandes. Zudem müssten russische und belarussische Funktionäre in internationalen Verbänden von ihren Ämtern suspendiert werden.
Die Skandinavier machten ihre Haltung unmissverständlich deutlich und kündigten bereits die nächsten Schritte an. "Der norwegische Sport wird künftig weitere international koordinierte Sanktionen gegen Russland und den russischen und belarussischen Sport aggressiv unterstützen", hieß es in der Stellungnahme, in der es auch klare Worte zum Militär-Einmarsch der Russen in die Ukraine gab: "Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Der Krieg gegen die Ukraine ist völlig inakzeptabel."
Im nächsten Schritt sollen neben den 55 nationalen Verbänden und internationalen Sportorganisationen auch das Internationale Olympische Komitee und das Internationale Paralympische Komitee dazu ermutigt werden, "denselben Standpunkt einzunehmen". Geht es nach den Norwegern, sollen bei den anstehenden Winter-Weltcups in den kommenden Wochen auch keine Russen in Norwegen antreten dürfen.
"Wir haben deutlich gemacht, dass wir keine Beteiligung Russlands wollen. Wir werden dies der Fis mitteilen und warten dann auf Feedback dazu", sagte Erik Röste, der Präsident des norwegischen Skiverbands, der Zeitung "Verdens Gang". Bei den Gesprächen mit dem Ski-Weltverband Fis geht es um die anstehenden Veranstaltungen im Skilanglauf, Skispringen und Ski alpin. Zudem ist im März noch das Weltcup-Finale der Biathleten in Oslo geplant.
"Teil der Familie": Skispringer wollen Russen nicht ausschließen
Skisprung-Rennleiter Sandro Pertile hat den Schritt, Russlands Athleten nach dem Militär-Angriff auf die Ukraine nicht auszuschließen, verteidigt. "Die russischen Athleten können antreten - ohne russische Fahne und Hymne. Sie sind ein Teil unserer Familie. Sie sind Leute, die ein ganzes Jahr mit den anderen Athleten leben. Wir wollen gerne die Athleten unterstützen", sagte Pertile als Verantwortlicher des Weltverbandes Fis in der ARD. Die Springer seien unter Druck und würden wissen, "dass die Situation kritisch ist", verdeutlichte Pertile. "Wir wollen diese Leute unterstützen. Sie sind Menschen. Für uns ist auch das Familiengefühl sehr wichtig."
Dem Vorschlag Norwegens, das in den kommenden Wochen bei der Raw-Air-Tour und der Skiflug-WM keine russischen Sportler zulassen will, möchte die Fis nach aktuellem Stand nicht folgen. "Wir reden von einer internationalen Veranstaltung, für die die Fis verantwortlich ist. Ich hoffe, wir finden eine Lösung", sagte Pertile. Für den Italiener müssen "alle die Möglichkeit haben, dabei zu sein".
Russische und belarussische Athleten unter neutraler Flagge
Biathletinnen und Biathleten aus Russland und Belarus müssen bei den verbleibenden Weltcups in diesem Winter unter neutraler Flagge antreten. Wie der Weltverband IBU mitteilte, wurde das bei einer Vorstandssitzung als Reaktion auf den russischen Einmarsch entschieden. Demnach dürfen künftig weder die russische noch die belarussische Flagge an den Wettkampforten zur Schau gestellt werden. Die Teamkleidung muss ohne die Nationalfarben neutral bleiben, nationale Symbole sind verboten. Auch die Hymnen werden bis auf Weiteres nicht gespielt, zudem können neutrale Athleten keine Weltcup-Punkte für die Nationenwertung mehr sammeln.
Die Skijäger aus der Ukraine hatten bereits am Freitag mitgeteilt, bei den Weltcups im finnischen Kontiolahti, Otepää in Estland sowie in Norwegens Hauptstadt Oslo bis Mitte März nicht mehr anzutreten. Die IBU teilte mit, die Mannschaft bei einer Rückkehr in Zukunft finanziell, logistisch und technisch unterstützen zu wollen. Nach derzeitigem Stand können das russische und das belarussische Team nicht in Otepää starten, da sie nach Auskunft der estnischen Regierung nicht in das Land einreisen dürfen. Die IBU nahm das zur Kenntnis, will den Premieren-Weltcup in Otepää aber trotzdem wie vorgesehen durchführen.
Aktuell sollen Russen und Belarussen in der kommenden Woche in Finnland und zwei Wochen später in Oslo dabei sein. Allerdings prüfen auch die Norweger derzeit noch Wege, Russen und Belarussen von den Wettbewerben am Holmenkollen auszuschließen. Sollte das passieren, werden die Wettbewerbe laut IBU durchgeführt.
UEFA beschäftigt sich kurzfristig mit Gazprom
Die Europäische Fußball-Union UEFA wird sich zeitnah mit weiteren Konsequenzen aus der russischen Invasion in die Ukraine beschäftigen. Dabei rückt verstärkt auch die Rolle des umstrittenen russischen Geldgebers Gazprom in den Fokus. "Weitere Treffen des Exekutivkomitees der UEFA werden in Kürze abgehalten, um sich mit zusätzlichen Angelegenheiten zu beschäftigen", teilte die UEFA mit. Zuvor hatte die englische Zeitung "The Times" berichtet, dass die UEFA am Freitagabend im Prozess gewesen sei, den Vertrag mit Gazprom zu beenden.
Zuvor hatte sich das UEFA-Exekutivkomitee nach Aussage von DFB-Interimspräsident Rainer Koch bei seiner Krisensitzung am Freitag noch nicht mit Gazprom befasst. "Die Sponsoringpartnerschaft der UEFA mit Gazprom stand heute nicht auf der Tagesordnung, weshalb auch diesbezüglich keine Beschlüsse gefasst worden sind. Gleichwohl ist dies ein Thema, das uns verständlicherweise beschäftigt", sagte das deutsche Exko-Mitglied.
Der russische Staatskonzern Gazprom ist ein Premiumsponsor der UEFA auch für die Champions League und zudem einer der Hauptgeldgeber für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Mit der Verlegung des Champions-League-Finals von St. Petersburg nach Paris hatte die UEFA am Freitag die erwartete Reaktion auf den russischen Militärangriff auf die Ukraine gezeigt. Statt in der WM-Arena von St. Petersburg wird das Finale der Königsklasse nun am 28. Mai im Stade de France stattfinden.
"Kein Statement zum Spiel": Krieg raubt Basketballern Freude am Sieg im Krimi
Trotz des so wichtigen Sieges bei den zuvor in der WM-Qualifikation noch ungeschlagenen Israelis hielt sich die Freude bei Deutschlands Basketballern in Grenzen. Zu bedrückend sind die Bilder aus der Ukraine, die auch Robin Benzing und Co. im TV sahen. "Ich möchte jetzt kein Statement zum Spiel abgeben. Jeder weiß, was passiert ist und es ist nur eines wichtig: Wir müssen den Krieg stoppen!", sagte Benzing am Freitag nach dem 71:67 in Tel Aviv, durch das die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes ihre Ausgangslage deutlich verbesserte.
"Es ist schrecklich, die Geschehnisse in der Ukraine am Fernsehen anschauen zu müssen. Dass eine solche Situation in der Welt im 21. Jahrhundert möglich ist, ist unglaublich für mich. Wir sind in Gedanken bei den Menschen in der Ukraine", sagte Bundestrainer Gordon Herbert. Dem Kanadier war es trotz der bedrückenden Weltlage gelungen, sein Team auch ohne die NBA-Profis und die Spieler aus der Euroleague top einzustellen. Mit zwei Siegen aus drei Spielen ist Deutschland auf Kurs.
Allianz Arena leuchtet in Blau und Gelb
Das Stadion des FC Bayern München hat vor dem Gastspiel des deutschen Fußball-Rekordmeisters bei Eintracht Frankfurt in den Farben der Ukraine geleuchtet. "Der FC Bayern unterstützt die Stadt München bei ihren Zeichen für Frieden und Solidarität mit der Ukraine sowie der Partnerstadt Kiew", teilten die Bayern mit. Vor dem Bundesliga-Spiel TSG 1899 Hoffenheim gegen VfB Stuttgart wurde eine Schweigeminute abgehalten. Die Zuschauer und beide Mannschaften verharrten in Sinsheim unmittelbar vor dem Anpfiff. "Stop war - wir gegen Krieg", hieß es auf einem großen Plakat, das beide Teams präsentierten.
Beim Zweitligaspiel in Hannover wurde zudem auf den üblichen Einlaufsong verzichtet. Stattdessen wurde "Imagine" von John Lennon gespielt. Der Song war im März 1971 während des Vietnamkrieges entstanden und hat sich zu einem Protestsong und einem Symbol für Hoffnung entwickelt. "Wir verurteilen den Angriff auf die Ukraine - und damit auf das Leben und die Heimat unschuldiger Menschen", hatte die Deutsche Fußball Liga vor dem Spieltag mitgeteilt und den Bundesliga-Klubs die Gedenkminute empfohlen. "Krieg ist in jeder Form inakzeptabel - und mit unseren Werten des Sports unvereinbar. Unsere Sorge gilt den betroffenen Menschen vor Ort."
Zweitligist Dynamo Dresden will das Zeichen der Solidarität ganz bewusst nutzen, um die ganz persönliche Verbundenheit auszudrücken. "Ich habe Freunde in Kiew und acht Jahre lang mit einem russischen Co-Trainer gearbeitet", sagte Dynamo-Trainer Alexander Schmidt am Freitag. Gemeinsam mit dem Russen Denis Buschujew hatte Schmidt zwischen 2009 und 2013 unter anderem die U19, die Amateure und schließlich auch die Profi-Mannschaft des damaligen Zweitligisten 1860 München trainiert.
"Schnellstmöglich sicher zurück": Fechterbund zieht Team aus Sotchi ab
Der Deutsche Fechter-Bund zieht sein Damendegen-Team vom Weltcup in Sotschi zurück. "Nach der aktuellen dramatischen Entwicklung schließen wir uns ganz klar dem Aufruf des IOC an und werden nicht am Team-Wettbewerb im Damendegen antreten. Wir stehen in ständigem Austausch mit unseren Athletinnen und dem Bundestrainer vor Ort", teilte der DFeB mit.
Das Weltcup-Team war schon seit Mittwoch in der russischen Olympia-Stadt der Winterspiele von 2014. "Wir sind erschüttert über diese Entwicklungen und denken an alle Bürgerinnen und Bürger der Ukraine!", wird in dem Statement betont. Derzeit laufe eine vom DOSB vermittelte Kommunikation mit dem Auswärtigen Amt. "Wir hoffen, dass wir alle schnellstmöglich sicher nach Deutschland zurückholen können", teilte der Fechtverband mit.
Leichtathleten schweigen
Die deutschen Hallen-Leichtathletik-Meisterschaften in Leipzig haben mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer der russischen Invasion in die Ukraine begonnen. Auf dem Videowürfel der Arena war die gelb-blaue Fahne der Ukraine zusehen. Auch bei anderen Sportveranstaltungen in Deutschland wurde an diesem Wochenende bereits an die Opfer des russischen Einmarsches in die Ukraine erinnert.
Quelle: ntv.de, ter/dpa