Terminchaos statt Top-Basketball Der deutsche WM-Aufgalopp wird zur Farce
23.11.2017, 16:37 Uhr
Henrik Rödl (l.) versucht aus der schwierigen Kadersituation das Beste zu machen.
(Foto: imago/Camera 4)
Es könnten goldene Zeiten sein für den deutschen Basketball - doch ein erbitterter Streit lässt die WM-Quali zur Farce werden. So gut wie alle Teams müssen auf ihre Stars verzichten. Wer sich qualifiziert, wird nicht nur auf dem Parkett entschieden.
Es ist eine super Zeit, um Bundestrainer zu sein, sagt der Bundestrainer. Henrik Rödl war als Spieler bei fast allen großen Erfolgen der deutschen Basketballer seit den 90ern dabei, ist Europameister 1993, gewann an der Seite von Dirk Nowitzki 2002 WM-Bronze. Seit September coacht er die Nationalmannschaft, die er für so tief besetzt wie noch nie hält. Unter Experten und Fans macht schon das Wort von der "Goldenen Generation" die Runde - doch Rödls Luxuskader existiert nur auf dem Papier. In der Trainingshalle versammelt er ein paar Hochkaräter aus der Bundesliga um sich, ergänzt durch Newcomer und sogar einen Akteur aus der zweiten Liga. Sie sollen die WM-Qualifikation schaffen, die ab Freitag ausgespielt wird - und wegen eines erbitterten Machtkampfes zwischen dem Weltverband Fiba und der Euroleague, der Champions League des Basketballs, mit einer Farce beginnt.
- 32 europäische Verbände kämpfen ab Freitag um die 12 Tickets für die Basketball-Weltmeisterschaft 2019 in China.
- Deutschland wurde in die Gruppe G zu Österreich, Georgien und Vizeeuropameister Serbien gelost.
- Am ersten Spieltagsfenster trifft das Team am Freitag (19.30 Uhr / live auf Telekom Sport) in Chemnitz auf Georgien und am Montag (20.20 Uhr / live auf Telekom Sport) in Wien-Schwechat auf Österreich.
- Im Februar und Juni 2018 stehen die zwei übrigen Fenster an. Die ersten drei Teams aus der Gruppe nehmen ihre Bilanz mit in eine zweite Phase mit vier Sechsergruppen, aus denen sich jeweils die besten Drei für die WM qualifizieren.
Die Fiba hat vor der Saison die sogenannten Nationalmannschafts-Fenster mit je zwei Spielen wieder eingeführt. Lange Jahre liefen die Qualifikationsrunden nach Ende der Vereinswettbewerbe im Sommer, nun ähnelt der Modus dem im Fußball. Die Idee dahinter: Die Fiba will die Sportart ins Schaufenster stellen. Doch was Fans und Interessierte dort zu sehen bekommen, ist kein hochkarätiger Wettbewerb, sondern ein zweitklassiges Provisorium mit Lotteriecharakter.
"Anstrengend für uns alle"
Die beste Liga der Welt, die NBA, stellt während der Saison traditionell keine Spieler ab. Rödl hat die US-Legionäre Dennis Schröder, Maxi Kleber, Paul Zipser und Daniel Theis gar nicht erst berufen. An den Alleingang der NBA haben sich Verbände, Trainer und Fans gewöhnt. Doch seit dieser Spielzeit verweigert sich auch die Euroleague. Sie zieht während des Nationalmannschafts-Fensters ihren eigenen Spielplan durch, was dazu führt, dass die besten Spieler Europas nicht für ihre Länder auflaufen werden, sondern für ihre Vereine. Deutschlands Head-Coach Henrik Rödl hat fünf Spieler nominiert, die mit ihren Klubs in der Euroleague antreten - keiner wird kommen. "Es ist eine anstrengende Situation für uns alle", sagt Rödl, den das Thema sichtlich nervt.
Offiziell überlassen es die Euroleague-Teams ihren Spielern, ob sie der Nominierung folgen. Aber letztlich, sagt Rödl, könnten sie gar nicht frei entscheiden. Unter Vertrag stehen sie bei ihren Klubs, eine Entscheidung für das Nationalteam ist ein Risiko, das allein die Spieler tragen. Eine undankbare Lage, sagte der Eisenacher Johannes Voigtmann, Center des spanischen Euroleague-Teams Baskonia Vitoria Gasteiz, schon während der EM im Sommer. Ein prophetischer Satz - Voigtmann wurde für die WM-Quali von Rödl nominiert, bleibt aber bei seinem Team, genau wie Ex-NBA-Mann Tibor Pleiß von Valencia Basket. Im Sommer hatte er noch auf eine Einigung zwischen Fiba und Euroleague gehofft, wie so viele andere in der Basketball-Welt. Vergeblich.
Guards: Ismet Akpinar (Ulm, 15 Länderspiele), Robin Amaize (3), Bastian Doreth (beide Bayreuth, 76), Dominic Lockhart (Göttingen), Andreas Obst (Erfurt), Joshiko Saibou (Berlin), Karsten Tadda (Oldenburg, 75),
Forward/Center: Maik Zirbes (58), Danilo Barthel (beide München, 29), Robin Benzing (Würzburg, 127), Isaiah Hartenstein (Houston Rockets/G-League, 15), Johannes Thiemann (Ludwigsburg, 21).
Es geht natürlich ums Geld, seit Jahren streiten Fiba und Euroleague auch vor Gerichten darum, wer welche europäischen Wettbewerbe ausrichten darf. Die unversöhnliche Lage führt zu einer merkwürdigen Häufung von Europapokal-Formaten, neben der Euroleague und dem assoziierten Eurocup richtet die Fiba die Konkurrenz-Wettbewerbe Champions League und Europe Cup aus. Die Folge: 8 von 18 deutschen Bundesligisten spielen europäisch, in anderen Ligen liegt die Quote noch höher, der Wettbewerb verwässert. Genau das droht jetzt auch dem Premium-Produkt der Fiba, den Nationalmannschaften. Die EM im Sommer war ein erster Schritt in diese Richtung: Der Weltverband verzichtete auf die Schiedsrichter, die in der Euroleague pfeifen - Fans, Trainer und Spieler waren entsetzt über die teils unterirdischen Leistungen der Referees, die übrig blieben. Die Terminkollision um die Nationalmannschafts-Fenster hatte sich seit Monaten abgezeichnet, ernsthafte Kompromissversuche startete keine der beiden Seiten.
Ein enger Spielpan, eine einfache Rechnung
Einen Tag vor dem ersten WM-Qualifikationsspiel am Freitag absolviert der deutsche Euroleague-Vertreter Brose Bamberg sein nächstes Spiel in der Euroleague gegen Valencia. Die Franken haben mit Maodo Lo, Patrick Heckmann und Lucca Staiger drei deutsche Nationalspieler in ihren Reihen, dazu kommen noch ein italienischer und ein slowenischer Nationalspieler. Alle verzichten auf die Nationalmannschaft, aus freien Stücken, wie Geschäftsführer Rolf Beyer betont: "Wenn Sie sich unseren Spielplan anschauen, ist es doch klar, dass alle nach Erholung lechzen." Gegen Valencia spult Bamberg das 12. Spiel in 30 Tagen ab, am Tag danach gleich für die Nationalmannschaft auflaufen - undenkbar. Auch das zweite Spiel am Montag lassen Lo, Heckmann und Staiger aus, Erholung geht vor, am Donnerstag drauf geht es schon wieder weiter in der Euroleague.
Andere Spieler wollen sich aufopfern - Panathinaikos Athen hat angekündigt, dass drei ihrer griechischen Nationalspieler ihrem Team zumindest im zweiten Spiel zur Verfügung stehen, Roter Stern Belgrad stellt alle Serben frei, immer wieder gibt es Meldungen über einzelne Akteure, die zu ihren Teams reisen. Beim FC Barcelona langte dieser Tage sogar ein Brief des finnischen Sportministers ein, der um die Freigabe für Petteri Koponen bat.
Für Bambergs Geschäftsführer Beyer ist es letztlich eine "einfache Rechnung", wie er sagt: "Wir spielen mit einer 13er Rotation, in der fünf Nationalspieler sind, wie soll das gehen?" Jede Abstellung eines wichtigen Spielers ist eine Schwächung und ein Risiko für die Euroleague-Klubs, aber ein Vorteil für die jeweiligen Verbände. Wer sich am Ende für die Weltmeisterschaft 2019 in China qualifiziert, könnte also nicht nur auf dem Parkett entschieden werden, sondern auch hinter den Kulissen: Wer verhandelt mehr Spieler bei den Klubs frei? Welcher Verband kann auf die Unterstützung seiner Euroleague-Teams zählen?
"Das ist nicht die B-Garde"
Der erste deutsche Gegner Georgien muss am Freitag auf seine Besten verzichten: Jo Voigtmanns Teamkollege Tornike Shengelia fehlt ebenso wie Giorgi Shermadini. "Bei der EM waren sie ein unangenehmer Gegner", sagt Bundestrainer Henrik Rödl . "Das werden sie auch ohne Stars sein, weil sie gut gecoacht sind. Wir sind also vorgewarnt." Am Montag geht es dann gegen Österreich, das mit Jakob Pöltl zwar einen Mann in der NBA, aber keinen in der Euroleague hat. "Die Österreicher werden durch die Situation aufgewertet", sagt Rödl, der auch daran erinnert, dass die letzten Duelle mit dem Nachbarn enger liefen als geplant. Trotzdem avisiert der Nationaltrainer zwei Siege an, die umso wichtiger wären, da die Bilanz in die zweite Gruppenphase mitgenommen wird, aus der es dann 12 Teams nach China schaffen.
Dort würde dann wieder das A-Team übernehmen - noch so eine unangenehme Begleiterscheinung des Streits um den Spielplan. Wuppen muss die Qualifikation die B-Garde, die vor dem Turnier artig Platz machen müsste für die Stars aus der NBA und der Euroleague. Das sei jetzt aber kein Thema im Team, versichert Henrik Rödl. "Alle hier sind top motiviert, alle wollen sich empfehlen. Es ist ja eine Chance, es gibt keine Garantie, dass bei einem Turnier auch alle kommen." Und überhaupt, mit dem Begriff B-Garde kann er wenig anfangen. "Das ist die aktuelle Nationalmannschaft." Mit wem auch immer - für Rödl geht es darum, es irgendwie nach China zu schaffen, damit diese Basketball-Generation beweisen kann, dass sie eine goldene ist.
Quelle: ntv.de