Ein hausgemachtes Desaster Deutsche Tennisdamen stehen am Abgrund
20.01.2015, 14:51 Uhr
"Mir hat in den entscheidenden Momenten das Selbstbewusstsein gefehlt": Andrea Petkovic.
(Foto: dpa)
Lisicki raus, Kerber raus, Petkovic raus - das Desaster der deutschen Tennissdamen bei den Australian Open ist perfekt. Die Gründe liegen nicht nur in den teils limitierten Qualitäten der drei Topspielerinnen: zu hoher Druck und zu viel Gerede.
Es ist erst ein paar Monate her, da wähnten sich die deutschen Tennisdamen zurück in der Weltspitze. Im Fed-Cup-Endspiel gegen Tschechien wollten Angelique Kerber, Sabine Lisicki und Andrea Petkovic endlich Geschichte schreiben, den ersten Titel seit 22 Jahren nach Deutschland holen. "Der Fed-Cup-Triumph wäre das Allergrößte, der Wahnsinn, ein Highlight, das Allergeilste, fast vergleichbar mit einem Grand-Slam-Titel", sagte Petkovic vor dem Finale, in dem die DTB-Auswahl später keine Chance haben sollte.
Trotz der derben 1:3-Pleite ließ es sich Kerber nicht nehmen, positiv in die Zukunft zu blicken. "Wir haben viel aus dem Wochenende gelernt. Wir werden das Ding irgendwann holen", sagte Kerber, der Barbara Rittner nicht widersprechen wollte. Ihre Spielerinnen hätten gegen Tschechien zwar Lehrgeld bezahlt, "aber ganz wichtig ist, dass wir hier Erfahrungen gesammelt haben, die man fühlen und erleben muss", sagte die Bundestrainerin und betonte: "Ich glaube, dass uns das für die Zukunft helfen kann."
"Ich bin auch im Moment perplex"
Kaum zwei Monate später, da sind die Damen zurück auf dem Boden der Tatsachen. Mit Lisicki, Kerber und Petkovic haben sich bei den Australian Open in Melbourne gleich alle drei deutschen Topspielerinnen in der ersten Runde eines Grand-Slam-Turniers verabschiedet - ein ähnliches Desaster gab es zuletzt vor acht Jahren. "Ich bin auch im Moment perplex, das ist eine neue Situation für mich. Dass es im Kollektiv so eingeschlagen hat, kann man nicht schönreden. Das hat mich auch ein bisschen umgehauen", sagte Rittner, sprach von einem "Riesen-Rückschritt" und forderte eine kritische Selbstanalyse. "Sie müssen jetzt alle in sich gehen und mit ihren Teams die Fehler besprechen und analysieren."
Die spielerischen Fehler zu analysieren wird dabei wohl einfacher als das grundsätzliche Problem der deutschen Tennis-Damen zu lösen: die Köpfe frei zu bekommen. Sowohl Kerber und Lisicki als auch Petkovic scheiterten wieder einmal am Druck, den sie sich selber auflegten. Vor allem Kerber, zuletzt drei Jahre in den Top Ten, scheint am mentalen Ballast zu zerbrechen. In der Erstrunden-Partie gegen die Rumänin Irina Camelia Begu unterliefen ihr 35 unerzwungene Fehler. Die beste deutsche Tennisspielerin stand 2014 in vier Endspielen, viermal verlor sie, dreimal gegen schlechter platzierte Gegnerinnen.
Rittner: "Die Mädels sind alle sehr sensibel"
Ihre beiden Kolleginnen stehen dem in nichts nach. Lisicki und Petkovic können mit ihren sportlichen Fähigkeiten schlichtweg nicht mit der Weltspitze mithalten, wie auch Kerber kommen sie oft über Willen und Leidenschaft in ein Spiel. Können sie diese Qualitäten nicht abrufen, werden selbst kleine Hürden zum Problem. "Mir hat in den entscheidenden Momenten das Selbstbewusstsein gefehlt, natürlich bin ich enttäuscht", sagte Petkovic nach ihrem überraschenden Aus gegen Madison Brengle aus den USA.
Die Nummer 13 der Welt steht als Sinnbild für das grundlegende Problem im deutschen Damen-Tennis. Vergangene Saison hatte sie sich zurückgekämpft, das Halbfinale der French Open erreicht und drei Turniere gewonnen, zum Ende des Jahres aber wieder abgebaut und von ihren Emotionen überwältigt auf einer Pressekonferenz geweint. Die Gründe dafür sind zwar unbekannt, Druck ist aber ganz offensichtlich da - von welcher Seite auch immer. An Sahnetagen, an denen Petkovic und auch Kerber mit Weltklasse-Spielerinnen mithalten können, wird das genauso zum entscheidenden Faktor wie in Erstrunden-Partien gegen No-Names.
Lisicki legte ihr Hauptaugenmerk in den letzten Monaten auf öffentliche Auftritte. Umtriebig in den sozialen Netzwerken, schwach auf dem Platz. Kritiker werfen der Wimbledon-Finalistin von 2013 zudem vor, sie wechsele ihre Trainer so oft wie ihre Tennisschläger, in den vergangenen zwei Jahren waren es sieben. Weil die Leistungen trotzdem nicht stimmten, musste Lisicki mit Petkovic um einen der ersten beiden Plätze im Fed-Cup-Team kämpfen - und verlor. Für die Medien war der Zweikampf eine nette Geschichte, für die zart besaitete DTB-Auswahl eine weitere Nervenprobe.
Ein Unruheherd im Umfeld ist auch Rittner, die ihre Fed-Cup-Spielerinnen mit ihrem ständigen Gerede von einer rosigen Zukunft zusätzlich belastet. Als habe sie das Fiasko ihrer Mädels in Australien schon kommen sehen, hatte die Teamchefin die Erwartungshaltung kurz vor Beginn der Australian Open erstmals ein wenig heruntergeschraubt. "Die Mädels sind alle sehr sensibel und keine Maschinen, und an zu hohem Druck kann man auch schnell mal ersticken." Vielleicht sollte es Rittner einfach mal dabei belassen und sich unser Damen-Trio auf das konzentrieren, was es eigentlich ganz gut kann: Tennisspielen, ohne Druck und viel Gerede, sondern nur mit Kampf und Leidenschaft.
Quelle: ntv.de, sport.de