Arthrose, abgerissene Nägel, ... Die unglaublichen Leiden der Wasserspringer
15.05.2016, 08:02 Uhr
Für solche Präzision müssen Sascha Klein und Patrick Hausding große Schmerzen aushalten.
(Foto: imago/Insidefoto)
Wasserspringen zählt zu den ästhetischsten und technisch anspruchsvollsten Sportarten. Was der Zuschauer nicht sieht: Die Athleten und Athletinnen springen zum Teil unter großen Schmerzen - und lassen sich selbst von schweren Verletzungen nicht stoppen.
Arthrose im Schultereckgelenk, abgerissene Zehennägel, gerissene Kapseln - all das hält die Wasserspringer nicht von Wettkämpfen ab. Der Schmerz ist ihr Dauerbegleiter und wird für Medaillen und Erfolge in Kauf genommen. "Ein Weichei darf man nicht sein", sagt Bundestrainer Lutz Buschkow und spricht offen von einer "Risikosportart", die eine besondere mentale Stärke erfordere.
"Die Weltspitze zeigt Sprünge im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit", sagt Buschkow zu der immer weiter gedrehten Schwierigkeitsschraube. Vom Turm treffen die Springer nach bis zu vier Salti oder mehreren Schrauben mit 60 Stundenkilometern kopfüber aufs Wasser. Die Bremskräfte gehen vor allem an den Handgelenken und Schultern nicht spurlos vorbei. Bei 12.000 bis 16.000 Sprüngen pro Jahr geht auch mal etwas schief, manchmal fehlt dann die Zeit zum richtigen Eintauchen.
Buschkow verdeutlicht die Akrobatik an einem Beispiel: "Der Fernsehzuschauer soll aus seinem Sessel aufstehen und in 1,2 Sekunden zwei Rollen vorwärts machen, zwei Schrauben um seine Längsachse, dann im Handstand stehen. Dann wissen sie, was Wasserspringer leisten."
"Schmerz gehört dazu"
Für Patrick Hausding, mit 13 Titeln Rekord-Europameister, sind Schmerzmittel oft Begleiter seiner erfolgreichen Karriere. "Man gibt wegen Schmerzen nichts auf, wofür man ein Jahr gearbeitet hat", sagt der Berliner. Der 27-Jährige riss sich bei der WM 2015 bei einem missglückten Absprung vom Drei-Meter-Brett mehrere Zehennägel ab und sprang trotzdem weiter. Nach einem Bauchklatscher rissen einmal mehrere Kapillargefäße, innere Verletzungen mussten medizinisch abgeklärt werden. Auch Synchron-Partner Sascha Klein ist hart im Nehmen. Zu Wochenbeginn stand "etwas an der Schulter schief", berichtete Klein von einer Überlastungsreaktion: "Man lernt mit den Jahren, auch einzustecken."
Gar mit ausgerenkter Schulter beendete Martin Wolfram 2012 das Olympia-Finale vom Turm. Nun hat der Dresdner mit 24 Jahren Arthrose am Schultereckgelenk. "Da die zwei Knochen aufeinandertreffen, führt das zu unheimlichen Schmerz und Entzündungen der Sehnen. Das hindert mich daran, frei zu springen", erklärt Wolfram. Um die Schulter zu schonen, sprang er bei der EM in London nicht vom Turm, sondern vom Drei-Meter-Brett.
Nora Subschinski und Maria Kurjo machten ebenfalls gefährliche Erfahrungen vom Turm. Kurjo knallte zweimal mit dem Kopf gegen die Beton-Plattform und musste von Buschkow bewusstlos aus dem Wasser gezogen werden. Subschinski lässt nach einer komplizierten Halswirbel-Operation das Turmspringen sein und konzentriert sich auf das Drei-Meter-Brett. Die Berlinerin sagt: "Ein bisschen Schmerz ist gut und gehört dazu. Dann weiß ich, mein Körper lebt noch."
Quelle: ntv.de, Marc Zeilhofer, dpa