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Trump, Rassismus, Abtreibung Dieser Super Bowl ist höchst politisch

Donald Trump hat auch die NFL nachhaltig geschädigt.

Donald Trump hat auch die NFL nachhaltig geschädigt.

(Foto: imago sportfotodienst)

Obwohl die US-Amerikaner Football und Politik streng trennen wollen, wird der Super Bowl in den letzten Jahren immer politisierter. Die Teams, die nach der NFL-Krone greifen, repräsentieren die Spaltung des Landes. Und auch Donald Trumps Aktionen hallen nach.

Seit Donald Trump seinen Schreibtisch im Weißen Haus räumen musste, laufen in Deutschland nicht mehr tagtäglich Neuigkeiten über die polarisierten und gespaltenen Vereinigten Staaten von Amerika ein. Doch auch ohne den ehemaligen US-Präsidenten im Amt ist das Land längst nicht wieder zusammengewachsen. Die USA sind gespalten wie selten zuvor. Das wird auch beim Mega-Event Super Bowl sichtbar - dabei eint der Nationalsport die US-Amerikaner eigentlich.

God, country, football. Nach Gott und dem Heimatland kommt für viele in den USA schon König Football. Die Spiele am Sonntag sind heilig, der Super Bowl ist Jesus. An keinem anderen Tag im Jahr finden im Land weniger Hochzeiten und Einbrüche statt. Über Politik aber wird bei Super Bowl Partys ebenso ungern gesprochen wie an Weihnachten oder zu Thanksgiving. Dabei ist der Nationalsport längst politisch. Besonders in den vergangenen Jahren politisierten sich die NFL und das Geschehen zunehmend - und auch beim Super Bowl LVI wirken die Aktionen von Trump und Co. der letzten Jahre nach.

Mit den Los Angeles Rams und den Cincinnati Bengals stehen sich in der heutigen Nacht auf Montag (0.30 Uhr MEZ/Pro7 und DAZN) zwei Teams gegenüber, die die Spaltung zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen liberal und konservativ, widerspiegeln. Die aber auch zeigen, wie widersprüchlich die Aufteilung in zwei Lager sein kann. Schließlich spendete der Besitzer der Rams, Stanely Kroneke, einst erst 100.000 US-Dollar für Hillary Clintons Wahlkampf 2016, um danach eine Million Dollar in Trumps Wahlkampf-Fonds zu überweisen.

Eines der strengsten Abtreibungsgesetze der USA

Die Nation hat sich gerade erst erholt vom Schock durch den Kapitol-Sturm vor gut einem Jahr. Fragil bleibt sie nach innen weiterhin. Die Geschichte der Los Angeles Rams zeigt bereits recht anschaulich, wie unterschiedlich in dem riesigen Land gedacht wird und wie tief die Gräben teilweise sind.

20 Jahre lang waren die Rams das Team aus St. Louis in Missouri. In dem Swing State mit vorwiegend weißer und sehr gläubiger Bevölkerung gewann der Republikaner George W. Bush nicht nur 2000, sondern auch 2004 nach dem Beginn der Kriege in Afghanistan und im Irak. John McCain schlug 2008 sogar Barack Obama, Mitt Romney wiederholte den Erfolg über den Demokraten vier Jahre später. Der Bezirk der damaligen Spielstätte, The Dome at America's Center, ist dagegen seit Jahrzehnten in der Hand der Demokraten.

2019 verabschiedete Missouri eines der strengsten Abtreibungsgesetze des Landes, das vorsah, auch die letzte Abtreibungsklinik des Staates zu schließen und vorerst aber von einem Bundesgericht gestoppt wurde. Nun versucht der Bundesstaat wieder, das in der Entscheidung Roe v. Wade vor fast 50 Jahren durch den Supreme Court festgeschriebene Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einzuschränken.

Cincinnati - eine republikanische Hochburg

2015 zogen die Rams zurück nach Los Angeles ins demokratische Kalifornien. In den liberalen Bundesstaat, der sich in den vergangenen Jahren auf einen Zustrom von Frauen vorbereitet, die abtreiben wollen. Mehr Unterschied geht fast nicht. Denn das NFL-Team siedelte sich ausgerechnet in Inglewood an, einem Stadtteil, in dem fast die Hälfte der Einwohner sich als Latino und etwa 20 Prozent als Schwarze identifizieren.

Den Bezirk des SoFi Stadiums, der hochmodernen Spielstätte des Super Bowls, gewann Hillary Clinton bei der Präsidentschaftswahl 2016 mit 78,4 Prozent. Bei Trumps Versuch der Wiederwahl 2020 holte er nicht mal 21 Prozent der Stimmen vor Ort. Im Repräsentantenhaus vertreten wird Inglewood von der Demokratin Maxine Waters, die sich als lautstarke Kritikerin Trumps einen Namen machte.

Während die Rams also mittlerweile wieder das blaue, demokratische Lager der USA vertreten, kommen die Bengals aus Cincinnati - einer historisch republikanischen Hochburg. Der Bundesstaat Ohio im mittleren Westen liegt im sogenannten Bible Belt (Deutsch: Bibelgürtel), in dem traditionell erzkonservative Werte vertreten werden und Bürger sich fürchten, dass ihre Einstellungen in einer sich rapide verändernden Welt weniger und weniger eine Rolle spielen.

Trump vs. Kaepernick

Im Einklang mit Missouri versucht auch Ohio, die Abtreibungsmöglichkeiten massiv zu beschneiden, sodass Beobachter dem Bundesstaat einen Schritt zurück ins Mittelalter attestieren. Selbst nach Inzest und Vergewaltigung sollen Schwangerschaftsabbrüche vor Ort bald nicht mehr möglich sein.

Die Football-Profis, die im SoFi Stadium von Los Angeles den Super Bowl gewinnen wollen, sprechen über diese Unternehmungen natürlich nicht - und doch repräsentieren sie eben zwei Teams aus grundverschiedenen Bundesstaaten. Selbst wenn für das wichtigste Sportevent des Jahres in den USA Freunde und Familien zusammenkommen: Aufgrund der extremen Polarisierung und der Spaltung der Gesellschaft kommunizieren Bürger mit diesen unterschiedlichen Einstellungen kaum mehr miteinander, haben keine gemeinsame Wissens-, Fakten- und Wertebasis mehr.

Trump befeuerte dieses Phänomen als US-Präsident - auch in der Welt des Footballs. Als Colin Kaepernick, Quarterback der San Francisco 49ers, 2016 vor seinen NFL-Spielen während der Nationalhymne gegen Polizeigewalt und Rassismus gegenüber People of Color und für Gerechtigkeit aufs Knie ging, peitschte ihm rauer Gegenwind ins Gesicht. Die mehrheitlich weißen Besitzer der NFL, der weiße Liga-Commissioner Roger Goodell und der weiße damalige Präsidentschaftskandidat Trump echauffierten sich. Als respektlos gegenüber der US-Flagge und Soldaten, die für sie gestorben sind, wurde Kaepernicks Aktion gescholten, als Verrat am Vaterland.

Heute kniet niemand mehr

Trump machte den Footballer zu einem Landesverräter und teilte aus, tief unter der Gürtellinie: "Schafft diesen Hurensohn vom Feld, sofort!" Die hetzerischen Aussagen der Mächtigen waren besonders im Licht von Rassismus und Gewaltattacken gegenüber People of Color in den USA gefährlich. Viele NFL-Fans schlossen sich zumindest verbal an. Kaepernick wurde ausgebuht, außerhalb der Stadien wurden Anti-Kaepernick T-Shirts verkauft, unter anderem mit seinem Gesicht im Fadenkreuz eines Zielfernrohrs. Landesweit wurden seine Trikots verbrannt.

Trumps Aussagen und Kaepernicks Kniefall hallen auch bei diesem Super Bowl in Los Angeles noch nach. Auch wenn die Rassismus-Probleme nicht gelöst sind und Black Lives Matters-Proteste im Land nicht zu Ende sind, in der NFL kniet niemand mehr. Es wirkt, als habe die Sache verloren.

Auch bei diesem Thema unterscheiden sich die Gegner des NFL-Endspiels. Während zu Hochzeiten der Demonstrationen mehr als ein Dutzend Rams-Spieler im demokratischen Kalifornien aufs Knie gingen, tat dies bei den Bengals im republikanischen Ohio niemand. Ehemalige Cincinnati-Profis erzählten anschließend aber, der Eigentümer Mike Brown hätte dem Team das Knien verboten oder zumindest dagegen argumentiert.

Der Super Bowl findet mitten im Black History Monat der USA statt. Dass Rassismus in der NFL weiterhin Probleme bereitet, zeigt die Situation des ehemaligen Trainers der Miami Dolphins. Am 1. Februar 2022 reichte Brian Flores eine Sammelklage gegen die NFL, die New York Giants, die Denver Broncos und die Dolphins wegen Diskriminierung und Rassismus ein. Die Giants sollen einen neuen Cheftrainer eingestellt haben, bevor sie mit Minderheitskandidaten gesprochen hatten, so wie es das Regelwerk vorschreibt.

Die Liga sei "in gewisser Weise rassistisch getrennt und wird wie eine Plantage geführt", heißt es in der Anklageschrift. In einer Liga, in der 70 Prozent der Spieler Schwarz sind, bedeutete die Entlassung von Flores, dass man zurückkehrte zu lediglich einem nicht-weißen unter 32 Trainern. Außerdem sind die Besitzer aller Teams weiß.

Heile Super-Bowl-Welt

Die TV-Einschaltquoten der NFL wurden in den letzten Jahren durch die Kontroversen um Kaepernick und Co. stark beeinträchtigt. Jetzt freut sich die Liga wieder über steigende Zahlen und vermeidet auch deshalb politische Statements in den immer noch polarisierten Zeiten. Bloß niemandem vor den Kopf stoßen, bloß keine Fehler machen.

Die Werbetreibenden wollen dementsprechend ihr Bestes tun, um den Zuschauern vor den Fernsehern zu helfen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen - insbesondere die Pandemie. Nach dem Super Bowl 2021, der mit mahnenden und auf viele deprimierend wirkende Werbespots gespickt war, sollen lustigere Spots für Bier, Snacks und Autos eine spezielle Wirklichkeit schaffen: eine heile Super-Bowl-Welt. Es ist in Ordnung, das Leben wieder zu genießen. Als wäre Corona schon vorüber.

Dabei bleiben die Probleme. Die der Pandemie und die des Rassismus, die für Frauen, die Schwangerschaften abbrechen wollen, und die der gespaltenen USA. Die unterschiedlichen Teams aus Cincinnati und Los Angeles zeigen: Der Super Bowl ist immer höchst politisch.

Quelle: ntv.de

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