Der Präzedenzfall Schumacher Dopingprozess sorgt für Zündstoff
10.04.2013, 07:05 Uhr
Von 2006 bis 2008 fuhr Schumacher für das Team Gerolsteiner. In nachträglichen Analysen von Proben der Tour de France 2008 und der Olympischen Spiele 2008 war er des Dopings mit dem Epo-Präperat Cera überführt worden.
(Foto: REUTERS)
Bisher wurden dopende Profisportler nie strafrechtlich belangt. Stefan Schumacher ist der erste, der wegen Betrugsverdacht vor Gericht steht. Der Prozess gegen den früheren Radprofi gilt als Präzedenzfall. Gegner und Befürworter eines Anti-Doping-Gesetzes schauen ganz genau hin.
Im ungünstigsten Fall droht Stefan Schumacher eine Gefängnisstrafe. Aber der in der Vorwoche umfänglich Doping-geständige Radprofi sieht gar keine Grundlage für den an diesem Mittwoch vor der 16. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart gegen ihn beginnenden Betrugsprozess. Schumacher, der den Weg zur angeblichen Wahrheit mühsam fand, ließ bei seiner Doping-Beichte im "Spiegel" keinen Zweifel daran: Sein ehemaliger Teamchef Hans-Michael Holczer, der 150.000 Euro zurückfordert, habe über die Doping-Praxis unter Aufsicht der Ärzte in seinem Team Bescheid gewusst - auch wenn er in der Öffentlichkeit als der große Ahnungslose dazustehen schien.
Der Prozess gegen den 31 Jahre alten früheren Gerolsteiner-Profi ist ein Präzedenzfall mit Zündstoff. Bislang wurden dopende Profisportler meist nicht strafrechtlich belangt, sondern nur von den jeweiligen Sportverbänden gesperrt. Eine Anklage wegen Betrugs hat es schon häufiger gegeben, zu einer Gerichtsverhandlung ist es aber wegen der schwierigen Nachweisführung in solchen Fällen noch nie gekommen.
Mit Schumacher steht nun erstmals ein Dopingsünder wegen Betrugsverdachts vor Gericht. Aus sportpolitischer Sicht geht es um eine Antwort in einer Systemfrage. Ein Freispruch für Schumacher wäre Wasser auf die Mühlen der Befürworter eines Anti-Doping-Gesetzes, eine Verurteilung auf die der Gegner.
"Eine neue Qualität"
"Das Arzneimittelgesetz stellt den Eigenkonsum und den Besitz geringer Mengen an Dopingmitteln nicht unter Strafe. Bejaht man eine Betrugsstrafbarkeit des dopenden Sportlers, könnten die staatlichen Ermittlungsbehörden künftig bei Dopingverdacht auch gegen den Athleten ermitteln", sagte Sportrechtler Marius Breucker den "Stuttgarter Nachrichten": "Das wäre eine neue Qualität im Anti-Doping-Kampf".
Schumachers Anwalt Michael Lehner sieht im von ihm angestrebten Freispruch sogar einen Anreiz für eine umfassende Anti-Doping-Gesetzgebung. "Die Frage ist, reicht das normale Sportrecht aus, um Doping mit all seinen Mehrschattierungen mit Ärzten, Funktionären und Betreuern abzudecken", sagte der erfahrene Heidelberger Sportrechtsexperte.
Doping bald Straftat?
Die baden-württembergische Landesregierung will unterdessen ein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg bringen. "Wir haben im Kabinett beschlossen, eine entsprechende Bundesratsinitiative mit einem konkret ausformulierten Gesetzesvorschlag einzubringen", sagte Justizminister Rainer Stickelberger.
Mit dem umstrittenen Vorstoß, der unter anderem vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) kritisiert werde, wolle das Land Doping im Profisport generell unter Strafe stellen, hieß es. Den Gesetzentwurf will Grün-Rot am 3. Mai in den Bundesrat einbringen. Ein dopender Profisportler schädige massiv seine Mitbewerber, seine Sponsoren und - im Falle staatlicher Förderung - die öffentliche Hand, sagte Stickelberger.
"Betrug im klassischen Sinne ist beim Doping in der Regel nur ganz, ganz schwer nachweisbar", sagte er. Deshalb gebe es bislang nur sehr wenige Strafverfahren. "Nach unserem Gesetzentwurf bräuchte es künftig keinen Schadensnachweis mehr. Die Verzerrung des Wettbewerbs würde reichen."
Quelle: ntv.de, cro/sid/dpa