Giftpfeile von Kendrick Lamar? "Du Penner": Halbzeitshow wird Stresstest für Trump und NFL
07.02.2025, 05:30 Uhr
Donald Trump will auch am Sonntag beim Super Bowl das Bad in der Menge genießen.
(Foto: imago sportfotodienst)
Donald Trump nimmt als erster US-Präsident am Super Bowl teil, doch die Halbzeitshow könnte ihn und die NFL vor den Kopf stoßen. Kendrick Lamar ist bekennender Trump-Gegner und verhasst bei den Konservativen. Der politisch aktive Rapper teilt gerne aus - flieht der Präsident wie schon einmal?
Zunächst die gute Nachricht für Donald Trump: Jegliche Gerüchte bezüglich eines Überraschungsauftritts von Taylor Swift in der Halbzeitshow des Super Bowls sind wohl Quatsch. Trumps Erzfeindin wird am Sonntag, genauso wie der Republikaner als erster US-Präsident, im Caesars Superdome von New Orleans dem NFL-Spektakel beiwohnen, aber lediglich, um ihren Partner anzufeuern. Travis Kelce spielt auf der Position des Tight End bei den Kansas City Chiefs und will gegen die Philadelphia Eagles den dritten Super Bowl in Folge gewinnen - was noch kein Team in der NFL-Geschichte geschafft hat.
Doch auch ohne Swift auf dem Rasen müssen Trump und ebenso die Liga zittern. Oder vielleicht gerade, weil eben nicht die Pop-Queen performt, die sich zwar im Wahlkampf deutlich gegen Trump ausgesprochen hatte, sonst aber eher zu den Braven im Musik-Business gehört. Kendrick Lamar dafür ganz und gar nicht.
Der Halbzeit-Act, Lamar wird dabei von Sängerin SZA unterstützt, stammt aus dem berüchtigten Viertel Compton in Los Angeles, gilt als Ikone der Black-Lives-Matter-Bewegung - und ist vielen Rechten in den USA schon länger ein Dorn im Auge. Der 37-Jährige gewann am Sonntag gleich fünf Grammys für seinen Rap-Diss-Track "Not Like Us", der Mega-Star Drake attackiert.
"Donald Trump ist ein Trottel"
Gerade weil Lamar als politisches Sprachrohr wahrgenommen wird, erfährt er in den vergangenen 12 Jahren enormen Zuspruch und hat eine große Anhängerschaft. Er ist nicht nur der lyrisch begabteste MC seiner Generation, sondern wurde auch zu einer Art musikalischem Repräsentanten der Obama-Ära und der Proteste gegen Polizeibrutalität und Rassismus. Trump und seine Anhänger, die versuchen, schwarze Stimmen zum Schweigen zu bringen, werden über Lamars Auftritt beim Super Bowl und seine Botschaften nicht erfreut sein.
Beidseitige Animosität ist definitiv vorhanden. Und ein Rapper aus Compton hält normalerweise nicht zurück. Während Trumps erster Amtszeit im Jahr 2017 veröffentlichte Lamar einen Song mit dem Titel "The Heart Part 4", in dem er den Geschäftsmann wegen seiner angeblichen Verbindungen zu Russland kritisiert. Er rappt unter anderem: "Donald Trump ist ein Trottel. Du weißt, was wir von dir halten, du Penner."
Später erklärt Lamar dem Musikmagazin "Rolling Stone" allerdings, dass er erkannt habe, dass seine Worte nichts besser machten und dass man lieber gegen Trump handeln sollte. "Es ist, als würde man ein totes Pferd reiten", sagt der Rapper. "Irgendwann hat man es einfach satt, darüber zu reden. Es belastet einen und raubt einem die Energie, wenn man über jemanden spricht, der völlig lächerlich ist."
Lamar verärgert die Konservativen
Lamars zweites Album "To Pimp a Butterfly" kommt 2015 mit einem Cover daher, das mehr als ein Dutzend schwarze Männer, Jungen und Babys zeigt, die auf dem Rasen des Weißen Hauses Geldbündel und Schnapsflaschen über der Leiche eines weißen Richters schwenken. Ein Motiv wie maßgeschneidert für die BLM-Bewegung, die damals in vollem Gange war. Der Song "Alright" wird zu einer Protesthymne.
Die Konservativen in den USA kriegen sich infolgedessen gar nicht mehr ein. Der US-Sender Fox News verurteilt vor allem die Zeile: "And we hate po-po/Wanna kill us dead in the street for sure" (Wir hassen die Polizei/sie will uns in den Straßen töten). Der bekannte Fox-Moderator Geraldo Rivera, bis zum Kapitol-Sturm ein langjähriger Konfident von Trump, klagt auf absurde Weise: "Deshalb sage ich, dass Hip-Hop den Afroamerikanern in den letzten Jahren mehr Schaden zugefügt hat als der Rassismus."
Auch mit der NFL ist Lamar schon zusammengeprallt. Er schließt sich erneut mit BLM-Aktivisten zusammen, als er Colin Kaepernick verteidigt, den Quarterback, der 2016 den Zorn der NFL und auch Donald Trumps auf sich zieht, weil er während der Nationalhymne aus Protest gegen Rassismus und Polizeibrutalität auf die Knie geht. Die mehrheitlich weißen Besitzer der NFL, der weiße NFL-Commissioner Roger Goodell und der weiße damalige US-Präsidentschaftskandidat Trump echauffieren sich. Als respektlos gegenüber der US-Flagge und Soldaten, die für sie gestorben sind, wird Kaepernicks Aktion gescholten, der bald weitere Football-Profis folgen. Als Verrat am Vaterland. Trump macht den Footballer zu einem Landesverräter und teilt aus, tief unter der Gürtellinie: "Schafft diesen Hurensohn vom Feld, sofort!" Der Commissioner und einige Klubchefs entschuldigen sich später, Trump nicht.
2018 "flieht" Trump vor Lamar
Einen Präzedenzfall für die Halbzeitshow in New Orleans am Sonntag gibt es bereits 2018. Beim Finale der College-Football-Championship, dem wohl zweitgrößten Sportereignis in den USA, tritt Lamar auf und auch Trump, damals in seiner ersten Amtszeit, ist zu Besuch. Berichten zufolge verlässt der Präsident aber das Mercedes-Benz-Stadion in Atlanta zur Halbzeitpause, genau zum Auftritt des Rappers.
Aber auch Anpassung kann Lamar anscheinend. 2018 sendet er in seiner Show nicht den erwarteten Mittelfinger an Trump. Und auch Kaepernicks Protest setzt er nicht fort, während die Probleme der NFL mit institutionalisiertem Rassismus - etwa im Coaching und im Management - bleiben. Der Rapper akzeptiert die Super-Bowl-Einladung für dieses Jahr und posiert als Hauptfigur für die größte Werbekampagne der Liga. Als er 2022 in Los Angeles als ein Teil der von Rap-Mogul Dr. Dre produzierten Super-Bowl-Halbzeitshow auftritt, lässt er bei seiner Black-Lives-Matter-Hymne die Polizei-kritischen Zeilen aus.
Natürlich haben die NFL und der Grammy-Abräumer genaue Verträge ausgehandelt, was gesagt, gezeigt und getan werden darf. Doch Lamar ist ein Improvisationsgenie und hat eine Vorliebe für das Unerwartete. Deshalb zittert die Liga, weil Trump nicht bei ihrem Event öffentlich blamiert werden soll. Zur Sicherheit gibt es gleich zwei Zensoren für die TV-Übertragung: Neben dem Sender Fox hat auch die NFL einen Beauftragten, der Inhalte zensieren kann. Der Super Bowl wird wie immer mit einer Verzögerung von fünf Sekunden ausgestrahlt.
Was traut sich Kendrick Lamar diesmal?
Der Super Bowl wird in den USA das meistgesehene Ereignis des Jahres sein und in beinahe 200 Ländern ausgestrahlt. Es ist immer noch eines der wenigen gemeinsamen Erlebnisse, die in den extrem gespaltenen Staaten noch möglich sind. Wird Lamar, der sich bei einem Aufritt einmal mit artifiziellem Blut übergoss als Zeichen seiner Unterstützung für Abtreibungsrechte, den Präsidenten mit seinen Worten offen angreifen, wenn er am Sonntag auf der größten Bühne der Welt steht? Oder ist ihm das in diesem Klima zu riskant und er setzt auf seine lyrischen Inhalte und Symbolik beim Bühnenbild, um Botschaften, die oftmals institutioneller und sozialer Natur sind, zu vermitteln? Wie reagiert Donald Trump im Publikum - verschwindet er etwa wieder zur Halbzeit?
Wie auch immer, der Super Bowl wird eine Feier afroamerikanischer Exzellenz. Auf dem Rasen New Orleans, früher eine Hochburg im Sklavenhandel, treten zum zweiten Mal überhaupt zwei schwarze Quarterbacks im Endspiel gegeneinander an. Und vor dem Kick-Off singt die R&B-Sängerin Ledesi "Lift Every Voice and Sing". Ein Song mit einem Text, der im späten 19. Jahrhundert von dem frühen Bürgerrechtler James Weldon Johnson geschrieben wurde, der oft als die Schwarze Nationalhymne bezeichnet wird.
Am Mittwoch trainieren die Kansas City Chiefs auf dem Gelände der Tulane Universität. Alle Spieler sind fit und fokussiert. Während der Einheit schallt eine vielseitige Musik-Mischung über den Rasen. Taylor Swift läuft nicht. Das erste Lied auf der Trainings-Playlist lautet aber: "Not Like Us" von Kendrick Lamar.
Quelle: ntv.de