Sport

DFB, Watzke, Leichtathletik-GAU Eine Sport-Sensation, die Deutschland dringend braucht

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Wenn es in den vergangenen Wochen um den deutschen Sport geht, dann werden selten gute Dinge berichtet. Der Fußball hat sich auf allen Ebenen selbst zerlegt, die Leichtathleten bleiben erstmals ohne WM-Medaille. Umso wohler tut der Erfolg der Basketballer.

Hansi Flick und seine Fußballer stürzen bei der Weltmeisterschaft in Katar bitter in den Wüstensand, statt sich wuchtig wie Graugänse zu erheben. Auch hernach lastet das Federkleid so schwer auf den Nationalspielern, dass ein neuer Höhenflug nicht möglich ist. Die Mannschaft stolpert auf dem Weg zur Heim-EM immer mehr. Und löst eine Kettenreaktion aus. Erst scheitert die U21 sang- und klanglos bei der Europameisterschaft, wenig später endet auch für die DFB-Frauen der Traum von einem großartigen WM-Turnier in der Vorrunde. Und sonst so? Bei der Leichtathletik-WM bleiben die Deutschen erstmals ohne Medaille. Die Schwimmer holten nur einmal Bronze, die Ruder-Flotte kämpft gegen den Untergang.

Die Gründe sind unterschiedlich, eins jedoch ist gewiss: Der massive Abwärtstrend des deutschen Spitzensports nimmt bedrohliche Ausmaße an. In dieser Woche zerfetzt der verbal sehr umtriebige DFB-Vize Hans-Joachim Watzke auch die Revolution im Kinderfußball und muss sich danach anhören, wie seltsam seine Kollegen das Gebaren des BVB-Alphatiers finden. Puh, ganz schön viel, ganz schön schlimm.

Wenn es in den vergangenen Wochen um den deutschen Sport ging, dann wurden selten gute Dinge berichtet. Es passt zum Gesamtbild, das derzeit im Land über das Land gezeichnet wird. Die Stimmung in der Wirtschaft ist desolat, die Umfragen der Ampel-Regierung ebenso. Vom "kranken Mann" in Europa ist die Rede. Aus dem Land, das einst so gut funktionierte, ist ein Patient geworden. So liest sich das fast aller Orten. Doch mitten rein in diese Untergangsstimmung kommen aus dem fernen Manila gute Signale.

Nicht für die Wirtschaft, nicht für die Ampel, aber für den Sport: Deutschlands Basketballern gelingt im WM-Halbfinale die Sensation, in einem aberwitzig guten Spiel ringen sie die US-Superstars mit 113:111 nieder - die Euphorie ist grenzenlos und ein kleines bisschen dieser gigantischen Welle schnappt nun auch in die Heimat. Und mit ihr die Botschaft: Wer an sich glaubt, wer zusammensteht, der kann große Dinge erreichen. Diese Botschaft ist größer als der Sport.

Ganz besondere Finalkonstellation

Dabei steckt der Basketballsport in Deutschland noch immer in der Nische fest. Eindrücklichster Beleg: bislang waren die Spiele nur beim Streamingdienst MagentaSport zu sehen. Für Sonntag, für das Finale, hat nun das ZDF zugeschlagen und holt den deutschen Basketball im größten Moment der Geschichte doch noch auf die große Bühne. Um 14.40 Uhr geht es erstmals um Gold (auch zu sehen bei MagentaSport und zu verfolgen im ntv.de-Liveticker), gegen Serbien mit dem ehemaligen Bundestrainer Svetislav Pesic. Gegen einen Mann, der den deutschen Basketball sehr geprägt hat, der 1993 als Coach sensationell EM-Gold einfuhr und den Sport damals ins Licht führte. Die großen Helden damals: Christian Welp, Henning Harnisch oder Kai Nürnberger.

30 Jahre später sind es die NBA-Spieler Dennis Schröder, Daniel Theis und Franz Wagner, an die sich die Hoffnungen auf die nächste Sensation knüpfen. So dachte man. Bis zum Spiel gegen die USA. Ja, die Bank hatte auch zuvor schon geliefert, hatte fast 44 Prozent der Punkte beigesteuert. Aber in dem vielleicht besten Spiel, das es bei einer Weltmeisterschaft je gegeben hatte, wurde unwahrscheinliche Helden geboren. Wie der unermüdliche Arbeiter Johannes Thiemann, der phasenweise ballettartige Bewegungen vollführte. Aber allen voran Scharfschütze Andreas Obst. Wozu der Mann in der Lage ist, das wusste man. Aber dass er ausgerechnet gegen die großen NBA-Stars das Spiel seines Lebens auspackte, das war nicht zu erwarten. Mit 24 Punkten war er nicht nur der bester Werfer der deutschen Nationalmannschaft, sondern versenkte am Ende eiskalt einen wichtigen Dreier, in jener Phase, als seine Kollegen für einen Moment wackelten, als die Amerikaner ganz nah dran waren.

Diese Überzeugung, dieses Urvertrauen in jeden Spieler, das macht dieses Team aus. Während der Ball in der Crunchtime sonst oft in den Händen der Superstars landet, Schröder oder Wagner wäre das bei den Deutschen, läuft es beim DBB-Team anders. Nicht der nominell stärkste Mann soll es richten, sondern jener mit dem heißesten Händchen, Obst in diesem Fall. Keine Allüren, kein Platzhirsch-Gehabe, einfach nur ehrliche Freude, Euphorie, als Team etwas Großes geschaffen zu haben. Diese Botschaft ist größer als der Sport.

Die Eishockey-Cracks haben es vorgelebt

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Die deutschen Basketballer, das vergisst man in den Untergangsszenarien der großen Sportarten manchmal, sind nicht die erste Nationalmannschaft, die in diesem Jahr aus der Nische kam und groß aufspielte, das Land spät mit sich riss. Ende Mai flitzten die Eishockey-Cracks bis ins WM-Finale, ehe ihnen am Ende die Körner gegen die Kanadier ausgingen. Aber auch da war es so: Die Mannschaft war der Star, trotz Stars aus der NHL. Jeder kämpfte für jeden. Unwahrscheinliche Helden wuchsen empor, etwa Wojciech Stachowiak. Es waren nahbare Helden, wie jene der Basketball-Nationalmannschaft. Typen, die die Dinge ansprechen, wie sie sind. Die sich auch nicht scheuen, zu polarisieren. Wie Dennis Schröder, der Anführer, der vor der WM seinen DBB-Kollegen Maxi Kleber in den Senkel stellte, der sich während des Turniers mit Coach Gordon Herbert in einer Auszeit anlegte.

Alles wirkt weniger kunstvoll als im deutschen Fußball, weniger verzweifelt als in der deutschen Leichtathletik. Aus der Sache mit Kleber wurde intern kein großes Thema und so laut es aufgeploppt war, so leise verschwand es wieder. Auch der Vorfall zwischen dem Bundestrainer und seinem Star sorgte nur kurz für eine große Welle. Schon im nächsten Spiel war die Sache vergessen und Herbert stärkte seinen Spielmacher, obwohl der gegen Lettland einen katastrophalen Tag erwischt hatte. Auch das sind Zeichen, die größer sind als der Moment. Die eine Strahlkraft haben. Es knallt, aber dem Zusammenhalt schadet das nicht. Es sind Zeichen für den DFB, für die Ampel. Und vielleicht auch für den Rest des Landes, das sich in der Spirale der negativen Gefühle festgebissen hat. Ja, es ist nur Sport, aber einer, der Zuversicht schafft.

Quelle: ntv.de

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