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DHB-Junioren vor großer Kulisse Einfach mal wieder Weltmeister werden

Die DHB-Junioren machen Werbung für sich.

Die DHB-Junioren machen Werbung für sich.

(Foto: picture alliance/dpa/wolf-sportfoto)

"Alles andere als Gold wäre eine Enttäuschung", sagt Bob Hanning. Der Handball-Macher mit dem Gespür für Schlagzeilen, vor allem aber einer nahezu einzigartigen Expertise im erfolgreichen Nachwuchshandball, erwartet von den DHB-Junioren den Weltmeistertitel. Das Team ist längst bereit zu liefern.

Frankreich geschlagen, gegen Kroatien auch nicht gestolpert und schließlich Dänemark keine Chance gelassen: Bei den Männern würde die deutsche Nationalmannschaft mit einer solchen Serie die Tektonik der Handball-Welt ordentlich erschüttern. Keine der drei Großnationen konnte die A-Nationalmannschaft in den letzten Jahren in einem wichtigen Spiel schlagen, Frankreich ist Rekord-Weltmeister und Dänemark hat letztmals 2017 ein Spiel bei einer Weltmeisterschaft verloren - und hat seit dem dreimal in Folge den Titel geholt. Nun, bei den Junioren sind die Machtverhältnisse anders: Die deutsche Mannschaft ist auf WM-Kurs. Frankreich, Kroatien und Dänemark spielen um Schadensbegrenzung oder Trostpreise, das DHB-Team spielt am Abend (18 Uhr/ Eurosport) um den Einzug ins Finale der Weltmeisterschaft.

"Alles außer Gold wäre für mich eine Enttäuschung", sagte der Geschäftsführer des Bundesligisten Füchse Berlin und langjährige Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) schon vor dem Turnier. Und tatsächlich: Gegen Dänemark spielte sich die deutsche Mannschaft, gestützt vom überragenden Torwart David Späth und angeführt vom besten Torschützen Nils Lichtlein, endgültig in die Rolle des Top-Favoriten. Schenkte man nach einer makellosen Vorrunde ohne echte Gegner gegen Weltmeister Frankreich (31:30) und Kroatien (31:29) deutliche Führungen am Ende beinahe noch leichtfertig her, sorgte eine stabile und konsequente Leistung gegen die Dänen für einen nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg. "Gerade kann ich es noch gar nicht in Worte fassen, muss ich sagen. Ausgerechnet im ersten Spiel hier in Berlin 'Man of the Match' zu werden, dann die Dänen rauszuschießen vor so einem Publikum, super", sagte Lichtlein, der rechte Rückraumspieler und Neffe des Torwarttrainers des Teams, Carsten Lichtlein. "Ich fühle mich so gut wie noch nie."

Tausende Fans statt "20 bis 30 Eltern"

Nun steht der nächste Schritt an: Am Halbfinaltag wird die Max-Schmeling-Halle in Berlin bestens gefüllt sein. "Bei anderen Turnieren spielen wir vor 20 bis 30 Eltern, hier vor 3500 Fans. Natürlich tragen die uns. Das macht riesig viel Spaß", sagte Kapitän Renars Uscins. Ein Problem ist die Kulisse auch deshalb nicht, weil zahlreiche Spieler aus dem Aufgebot von Bundestrainer Martin Heuberger damit überaus vertraut sind: Linksaußen Tim Freihöfer ist Stammspieler beim Europapokalsieger Füchse Berlin, auch Lichtlein bekommt im mit zahlreichen Topstars gespickten Ensemble der Hauptstädter viel Spielzeit. Torhüter Lasse Ludwig machte in der Max-Schmeling-Halle jüngst vor ausverkauftem Haus gegen die SG Flensburg-Handewitt das Bundesligaspiel seines Lebens - und zog der hochkarätigen Angriffsreihe der Norddeutschen den Zahn.

Die Hannoveraner Justus Fischer und Renars Uscins und der Berliner Max Beneke (der im Ligaalltag für den Zweitligisten Potsdam spielt) debütierten im April in der Männer-Nationalmannschaft. David Späth machte Ende Mai seine Rhein-Neckar Löwen völlig überraschend zum Pokalsieger - weil er im Finale wenige Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit einen Siebenmeter des SC Magdeburg hielt - vor 20.000 Menschen. Späth rettete die Rhein-Neckar Löwen in die Verlängerung, am Ende des Krimis stand der Pokalsieg. DHB-Rückhalt Späth warnte also die Konkurrenz: "Ich glaube, vor so einer Kulisse ist es schwer, uns zu schlagen." Die 3500 Zuschauer aus dem Spiel gegen Dänemark dürften gegen die Serben nahezu verdoppelt werden.

Doch Bundestrainer Martin Heuberger warnt vor dem Halbfinalgegner: "Serbien hat eine sehr spielstarke Mannschaft mit geballter Angriffspower. Wenn die Statistiken stimmen, haben sie eine bessere Angriffseffizienz und eine deutlich bessere Wurfquote als wir", sagte Heuberger, der selbst einst als A-Bundestrainer spektakulär gescheitert war, aber schon zwei U21-Generationen zu WM-Titeln geführt hat und ein nicht nur im Verband hochgeschätzter Talententwickler ist. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr hatten die DHB-Junioren gegen Serbien verloren (30:33). "Wir haben etwas gutzumachen", sagte Heuberger. Hanning, der in Berlin und Potsdam mit zahlreichen der DHB-Talente arbeitet und als Nachwuchstrainer mehrere deutsche Meister formte, aber ist sich sicher: Die Serben "sollten für uns kein Stolperstein sein". Linksaußen Freihöfer sagte, "ein Halbfinale spielt man, um danach ein Finale zu spielen."

"Was soll er sich da einmischen?"

Beim Halbfinale wird Bundestrainer Alfred Gislason wieder auf der Tribüne sitzen, der Isländer steht nach überwiegend mauen Auftritten seiner Mannschaft selbst unter Druck, ein funktionierendes, im besten Falle medaillenfähiges Team für die Männer-EM im Januar zusammenzubauen. Ob er sich mit Gislason austausche, wurde Heuberger in einer Medienrunde vor dem Halbfinale gefragt: "Was soll er sich da einmischen? Junioren, das ist unser Ding", entgegnete Heuberger. Was soll der ehemalige Bundesligaprofi auch mit dem Männer-Bundestrainer derzeit besprechen?

"Die Mannschaft hat eine tolle Entwicklung genommen und wirkt reifer", lobte der 59-Jährige nach dem Dänemark-Spiel. "Das ist eine unheimlich verschworene Gemeinschaft, auf und außerhalb des Parketts. Ich habe selten einen solchen Teamgeist erlebt wie momentan." Druck verspürt Heuberger daher nicht. Eine ganz so euphorische Prognose wie Hanning wollte er jedoch nicht abgeben. "Wir haben von Anfang an gesagt, wir wollen um die Medaillen mitspielen. Jetzt sind wir im Halbfinale und haben einen großen Schritt gemacht", sagte Heuberger. "Aber gewonnen haben wir noch nichts."

Für den Verband ist der Triumphzug der Junioren ein begeisternder Start ins einst ausgerufene "Jahrzehnt des Handballs": Der DHB wird nach der Junioren-WM auch Gastgeber der Männer-EM im kommenden Jahr und der Weltmeisterschaften der Frauen 2025 und der Männer (2027) sein. Wichtige Events für den ständig um Sichtbarkeit und Anerkennung kämpfenden DHB. Beim Verband zeigt man sich schon vor dem Finalwochenende zufrieden: "Es ist wichtig, dass wir sportlich erfolgreich sind, um eine Euphorie zu entfachen", sagte DHB-Vorstandschef Mark Schober. Das ist dem jungen DHB-Team bisher gelungen. Auch die TV-Zahlen entwickeln sich gut. Doch das Publikum verteilt seine Aufmerksamkeit überaus wankelmütig auf die Events im Schatten des übergroßen Fußballs. Wird es enttäuscht, zieht es weiter. Es müssen also noch zwei Erfolge her.

Quelle: ntv.de

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