"Scham, Ekel und Schuldgefühle" Ex-Turnerin Kim Bui litt jahrelang unter Bulimie
16.02.2023, 17:49 Uhr
Kim Bui verabschiedete sich bei der Heim-EM in München mit Bronze mit dem Team.
(Foto: picture alliance / Live Media)
Fast zwei Jahrzehnte lang ist Kim Bui eine der besten Turnerinnen Deutschlands. Im Nationalteam reift sie zur Aktivensprecherin, ist fast so etwas wie die Mutter ihrer teils viel jüngeren Teamkolleginnen. Wie es ihr wirklich geht, ihre Essstörung, verbirgt sie jahrelang geschickt.
Ihr Buch, das auch eine jahrelange Essstörung thematisiert, erscheint am 4. März, einen Tag später sendet die ARD eine Dokumentation mit dem Titel "Hungern für Gold" (17 Uhr). So lange wollte Kim Bui mit ihrem mutigen Bekenntnis nun aber doch nicht mehr warten. "Für meine ganze Bulimie-Erkrankung hat es etwa sechs, sieben Jahre gebraucht, bis ich komplett drüber war und sagen konnte, dass es vorbei ist", erzählte die 34-Jährige im Interview mit SWR Sport.
Stark und beherrscht hat die Stuttgarterin während ihrer langen Karriere über fast zwei Jahrzehnte gewirkt. Und doch: Die in Tübingen geborene Tochter einer Vietnamesin und eines Laoten fühlte sich zu Beginn ihrer Laufbahn von den Trainern unter Druck gesetzt, Gewicht zu verlieren: "Irgendwann war der Moment da, in dem ich mir sagte: Ich kann das nur, indem ich mich erbreche."
"Es ging immer um Selbstbestimmtheit"
Mithilfe einer neuen Trainerin habe sie den Weg in eine Therapie geschafft, doch offen damit umgehen konnte Bui erst Jahre nach ihrer Genesung: "Zu viel Scham, Ekel und Schuldgefühle plagten mich." Bei der Verarbeitung der Krankheit half der Technischen Biologin ihr Engagement als Aktivensprecherin des Deutschen Turner-Bundes (DTB).
Und die EM-Dritte von 2011 am Stufenbarren war auch eine treibende Kraft bei der Initiative der deutschen Nationalriege, die bei den Europameisterschaften 2021 in Basel erstmals in Ganzkörperanzügen antrat - als Alternative zum tradierten knappen Dress. Bui war und ist es wichtig, dass die Athletinnen die Wahl haben: "Wir wollten nichts vorschreiben, es ging immer nur um Selbstbestimmtheit."
Selbst gewählt war auch ihr aktueller couragierter Schritt in die Öffentlichkeit. Doch wer in ihrem Buch "45 Sekunden" - so lange dauerte ihre allerletzte Übung am Stufenbarren - eine Generalabrechnung mit dem Kunstturnen erwartet, wird enttäuscht werden: "Ich beschreibe vor allem, was Turnen für mich faszinierend macht. Aber ich benenne eben auch Missstände in dieser Sportart."
Quelle: ntv.de, ara/sid