
Bol nach ihrem Sieg in London.
(Foto: AP)
Femke Bol bringt sich für die Leichtahletik-WM in Stellung. Beim Diamond-League-Meeting in London läuft die Niederländerin Europarekord über 400 Meter Hürden. Damit ist sie endgültig die klare Favoritin auf Gold. Ein solcher Titel fehlt der Dreifach-Europameisterin von München noch.
Wenn neben Leichtathletik-Ergebnissen viele Buchstabenkürzel stehen, ist das meist ein Zeichen dafür, dass Außergewöhnliches passiert ist. Femke Bol läuft beim Diamond-League-Meeting in London so schnell, dass gleich fünf solcher Kürzel neben ihrem Namen stehen. In 51,45 Sekunden dominiert die Niederländerin das Rennen über 400 Meter Hürden. PB, WJB, MR, DLR, ER: Persönliche Bestleistung, Weltjahresbestleistung, Meetingrekord, Diamond-League-Rekord, Europarekord. Wenig überraschend enteilt Bol, deren Laufstil selbst bei maximaler Anstrengung noch immer leicht und federnd wirkt, der Konkurrenz damit deutlich.
"Unglaublich, ich kann das noch gar nicht glauben", sagt die 23-Jährige nach dem Rennen: "Ich habe mich so stark gefühlt, als ich die letzte Hürde überquert habe." Um 2,3 Sekunden hängt die 23-Jährige die sieben anderen Langsprinterinnen ab, zu denen mit der Shamier Little immerhin die Fünfte der ewigen Bestenliste über 400 Meter Hürden gehört. Diesmal wird die US-Amerikanerin in 53,76 Sekunden mit großem Abstand Dritte, die Jamaikanerin Janieve Russell auf Platz ist nur eine Hundertstelsekunde schneller.
Ebenso abgehängt werden die beiden Ukrainerinnen Viktoriya Tkachuk und Anna Ryzhykova, die im Vorjahr bei den Europameisterschaften Silber und Bronze gewonnen hatten - auch damals hinter Bol, die überragende Athletin jener stimmungsvollen Wettkämpfe im Münchner Olympiastadion. In der bayerischen Landeshauptstadt hatte Bol gleich drei Goldmedaillen gewonnen, auch über die flachen 400 Meter und mit der 4x400-Meter-Staffel war sie nicht zu schlagen.
Mit ihrer Leistung von London unterstreicht Bol neben ihrer herausragenden Form auch ihren Anspruch, bei den Weltmeisterschaften in Budapest (19. bis 27. August) ihren ersten WM-Titel zu gewinnen. Denn die einzige Frau, die über 400 Meter Hürden jemals schneller war als die Niederländerin, tritt aller Voraussicht nach in Ungarn nicht über diese Strecke an.
Niemand sonst ist 2023 bislang unter 53 Sekunden gelaufen
Sydney McLaughlin-Levrone, die ihren Olympiasieg 2021 und ihr WM-Gold 2022 jeweils mit Weltrekord errungen hatte, zieht in dieser Saison bislang die 400 Meter ohne Hürden vor. Bei den US-Meisterschaften sicherte sie sich über die Stadionrunde das Ticket für Budapest - genießt als Titelverteidigerin allerdings den Luxus, auf ihrer Stammstrecke auch ohne Vorleistung startberechtigt zu sein. Allerdings zitierte die "Los Angeles Times" vor wenigen Tagen ihren Trainer Bob Kersee mit den Worten, dass der WM-Zeitplan einen Doppelstart kaum möglich mache. Sollte McLaughlin-Levrone ihren Titel tatsächlich nicht verteidigen, wäre Bol mit ihrer Leistung von London die klare Favoritin.
Die Niederländerin blickt nach ihrem Rekordlauf zwar schon auf Budapest, blieb dabei jedoch eher allgemein. "Ich hoffe, dass wir bei den Weltmeisterschaften ein tolles Rennen und eine großartige Show abliefern können", sagt Bol, die außerdem hofft, "dass ich dann noch einer besseren Verfassung bin als jetzt." Seit Olympia 2021 habe sie von "einer 51-er Zeit" geträumt, sagt Bol, die damals in 52,03 Sekunden den bis heute gültigen Europarekord aufgestellt und die Bronzemedaille gewonnen hatte.
Mit jener Leistung im menschenleeren Olympiastadion von Tokio hatte die Niederländerin die Weltbühne betreten, auf der sie sich inzwischen sichtlich wohlfühlt. 2022 gewann sie bei der WM in Eugene schon Silber, nun reist sie als Nummer eins der Weltjahresbestenliste zu den Welttitelkämpfen. Fünfmal ist Bol in diesem Jahr über 400 Meter Hürden an den Start gegangen - und mit allen fünf Zeiten würde sie das Ranking anführen. Niemand außer ihr ist in dieser Saison bislang überhaupt unter 53 Sekunden gelaufen.
Dabei gelingt es Bol gemeinsam mit ihrem Trainer Laurent Meuwly, sich auf dem ohnehin schon außergewöhnlich hohen Niveau immer noch ein bisschen weiter zu steigern. In der vergangenen Hallensaison etwa verbesserte die 23-Jährige erst die Weltbestleistung über die selten gelaufenen 500 Meter, bevor sie über 400 Meter einen der ältesten Leichtathletik-Weltrekorde knackte. In 49,26 Sekunden unterbot sie bei den niederländischen Meisterschaften über die zwei Hallenrunden die im Frühjahr 1982 aufgestellte Bestmarke von Jarmila Kratochvilova aus der damaligen Tschechoslowakei gleich um 0,33 Sekunden.
Quelle: ntv.de