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Schneller, breiter, spannender? Formel 1 hat Speed, aber ein Problem

Nach dem Start führt Hamilton, aber Vettel bleibt ihm auf den Fersen.

Nach dem Start führt Hamilton, aber Vettel bleibt ihm auf den Fersen.

(Foto: picture alliance / Andy Brownbil)

Mit dem neuen Regelwerk und den verschärften Boliden wollen die Verantwortlichen die Formel 1 spannender machen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an das Auftaktrennen in Melbourne. Aber ist das Rennen am Ende wirklich so aufregend?

Das Versprechen der Formel-1-Verantwortlichen war, dass die Rennen der Königsklasse mit den Regeländerungen und den neuen Boliden wieder spannender werden sollen. Und tatsächlich scheint sich nach dem Auftaktrennen in Melbourne zu bestätigen, dass die Kräfteverhältnisse sich neu sortiert haben. Na ja, Sebastian Vettel hat im Ferrari gewonnen. Durch fahrerisches Können, klar, aber vor allem auch durch eine unglückliche Mercedes-Strategie: Denn ein zu früher Reifenwechsel mit anschließend viel Verkehr auf der Strecke und enormem Zeitverlust gegenüber Vettel kostete dem von Pole gestarten Lewis Hamilton die Führung und vermutlich auch den Sieg.

Nico Hülkenberg hat wohl ein paar blaue Flecken, aber mit Platz Elf am Ende keinen Punkt für Renault holen können.

Nico Hülkenberg hat wohl ein paar blaue Flecken, aber mit Platz Elf am Ende keinen Punkt für Renault holen können.

(Foto: picture alliance / Sydney Low/Ca)

Aber da sind wir auch gleich wieder bei der Krux. Die neuen Boliden der Formel 1 sind breiter, schneller und optisch schnittiger. Wobei das wirklich eine Glaubensfrage ist, denn in der Seitenansicht erinnern die neuen Autos sehr an die verpönten Ferrari-Flitzer von 2008. Bereits vor neun Jahren hatten die Renner hinter dem mittleren Lufteinlass diesen unsäglichen aerodynamischen Keil.

Es fehlt der Spannungsbogen

Egal, es soll hier gar nicht weiter über das Aussehen gegreint werden. Werfen wir noch mal einen Blick auf den Spannungsbogen des ersten Rennens der Saison in Australien. Vettel gewinnt also vor Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. Ergo: Ferrari fährt nach anderthalb Jahren Durststrecke wieder einen Sieg ein und die Favoriten aus Stuttgart müssen sich mit den Plätzen zwei und drei begnügen.

Bitter. Daniel Ricciardo scheidet bei seinem Heimrennen in Melbourne aus.

Bitter. Daniel Ricciardo scheidet bei seinem Heimrennen in Melbourne aus.

(Foto: picture alliance / Andy Brownbil)

Insofern scheint die absolute Dominanz von Mercedes tatsächlich infrage zu stehen, aber wirklich spannender ist das Rennen dennoch nicht geworden., obgleich sich mit den neuen Autos das Fahrverhalten geändert hat. Sie sind schneller geworden und lassen höhere Kurvengeschwindigkeiten zu. Aber genau das ist es, was der Zuschauer nicht wahrnehmen kann. Zudem wirken im TV 300 km/h, als würde der Formel-1-Bolide nur mit 120 durch die Kehre gesteuert.

Einmal klopft das Herz

Was das Rennen spannend gestalten könnte, wären Überholmanöver, wie es beim gestrigen Rennen nur einmal zu sehen war. Und zwar zwischen Nico Hülkenberg, Fernando Alonso und Esteban Ocon. Zwischen Runde 48 und 52 fuhren alle drei auf gleicher Höhe. Hülkenberg nutzte die Chance des Überholmanövers von Ocon gegen Alonso in der Kurve vor der Zielgerade, um den Spanier abzuhängen und dann doch an Ocon zu scheitern. Das war ehrlich gesagt der einzige spektakuläre Moment des Rennens.

Von Platz sechs gestartet muss auch Romain Grosjean seinen Dienstwagen in Melbourne mit Motorschaden vorzeitig abstellen.

Von Platz sechs gestartet muss auch Romain Grosjean seinen Dienstwagen in Melbourne mit Motorschaden vorzeitig abstellen.

(Foto: REUTERS)

Weitere Überholmannöver? Fehlanzeige. Die Aufforderung seines Renningenieurs, doch endlich mal Max Verstappen zu überholen, musste Lewis Hamilton resigniert mit der Antwort quittieren: "Keine Chance! Ich komme nicht vorbei." Genau das ist nämlich das Problem dieser superschnellen Boliden. Durch den notwendigen Abtrieb sind die Front- und Heckflügel so eingestellt, dass sie bei freier Fahrt den Renner mit äußerstem Druck am Boden halten.

Sobald aber der Vorausfahrende für Luftverwirbelungen sorgt, gerät die Aerodynamik ins Wanken und all das Gerede von hohen Kurvengeschwindigkeiten löst sich in Luft auf. Für den Zuschauer am heimischen Fernseher tut sich also wieder die gleiche Kulisse auf wie in den Jahren zuvor. Die Fahrer bleiben aufgereiht wie an der Perlenkette hintereinander und nur im Idealfall kommt es zu einem Überholversuch.

Keine Gladiatoren im Rund

Lewis Hamilton gratuliert nach dem Rennen in Melbourne Sebastian Vettel zum Sieg.

Lewis Hamilton gratuliert nach dem Rennen in Melbourne Sebastian Vettel zum Sieg.

(Foto: REUTERS)

Und noch ein Versprechen konnten die neuen Boliden nicht einlösen. Die Fahrer sollten bei den Rennen bis an die physischen Grenzen getrieben werden. Sie sollten nicht mehr wie in den letzten Jahren nach 56 Runden völlig entspannt aus ihren Dienstwagen steigen, sondern man sollte ihnen die Strapazen des Rennens ansehen. Wie Gladiatoren sollten sie nach dem Kampf gezeichnet sein. Nun gut, die blauen Flecken, die die Fliehkräfte in den Kurven am Körper hinterlassen, werden uns die Protagonisten nicht zeigen. Lediglich Nico Hülkenberg gab nach dem Rennen zu, dass es wohl einige mehr seien als früher.

Aber ansonsten machten die Piloten nach ihrem Arbeitstag nicht den Eindruck, als ob sie die Fahrt in den neuen Rennwagen mehr gefordert hätte als früher. Hamilton hatte sogar ein Lächeln auf den Lippen, um seinem Rivalen Vettel zum Sieg zu gratulieren und auch seinem Teamkollegen Bottas klopfte er jovial auf die Schulter. Auch die anderen beiden machten nicht den Eindruck als hätten sie sich während des Rennens wirklich verausgabt.

Es fehlt der Zweikampf

Insofern muss nach dem ersten Formel-1-Lauf der Saison konstatiert werden: Nein, das Rennen ist nicht spannender geworden. Jedenfalls nicht für die Zuschauer am Fernseher und um die geht es ja wohl, wenn man den Sport die Massen wieder zuführen möchte. Das größte Problem ist, dass es keine echten Zweikämpfe gibt. Das ist natürlich dem Reglement geschuldet und den damit einhergehenden Veränderungen an den Fahrzeugen, aber auch dem Umstand, dass die Großen viel Geld in die Entwicklung investieren können und die kleineren Rennställe eben nicht. Allein der Umstand, dass von 20 Fahrern, die in Melbourne gestartet sind, nur 13 ins Ziel gekommen sind, ist ein deutliches Beispiel dafür.

Natürlich werden die Kenner der Materie jetzt darauf hinweisen, dass beim ersten Lauf der Saison die Ausfallquote ohnehin immer sehr hoch ist. Dennoch ist sie damals wie heute ein beredtes Zeichen für ein finanzielles Ungleichgewicht. Bleibt zu hoffen, dass der Kampf an der Spitze vielleicht noch etwas angeheizt wird, indem die roten Bullen wieder aufrücken, Ferrari über die Saison konstant bleibt und Mercedes sich etwas mit der Aerodynamik einfallen lässt, um endlich auch wieder überholen zu können. Denn – und das sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt – nicht die Geschwindigkeit bringt in der Formel 1 Spannung ins Spiel, sondern echte Zweikämpfe.

Quelle: ntv.de

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