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MMA-Boom gegen Extremismus Für rechte Schläger ist kein Platz im Käfig

MMA-Veranstalter wollen Rechts- und Linksextremen im Sport keine Plattform geben.

MMA-Veranstalter wollen Rechts- und Linksextremen im Sport keine Plattform geben.

(Foto: IMAGO/Pond5 Images)

Es passt in die rechte Ideologie der Wehrhaftigkeit, aber auch Linksextreme kapern Kampfsport ganz gezielt. Die Königsdisziplin Mixed Martial Arts wächst in Deutschland rasant - distanziert sich aber stark vom Extremismus. Für solches Gedankengut ist in der Philosophie des Sports kein Platz.

Je mehr Licht, desto weniger Schatten? Kein Sport hat so von der Corona-Pandemie profitiert wie Mixed Martial Arts. Die Königsdisziplin als Kombination vieler Kampfsportarten boomt in Deutschland. Auch Rechtsextreme nutzen MMA als Plattform. Es ist eine Form von Missbrauch, denn weder ist in der Philosophie des Sports Platz für rechtes Gedankengut, noch gibt es Zugang für Akteure aus dem rechtsextremen Spektrum zu den öffentlich größeren Bühnen. Der Magdeburger MMA-Veranstalter Sascha Poppendieck und Profi-Kämpfer Niko Samsonidse aus Berlin ordnen ein.

Niko Samsonidse tritt bei der Organisation Oktagon MMA an.

Niko Samsonidse tritt bei der Organisation Oktagon MMA an.

(Foto: Instagram/niko_samsonidse)

Die wohl bekannteste Kampfsportveranstaltung der Neonaziszene in Deutschland war über Jahre der "Kampf der Nibelungen" (KdN). Mittlerweile ist KdN verboten und hat letztmals 2021 - allerdings im Ausland unter anderem Namen - stattgefunden. Rechtsextreme veranstalten aber noch kleinere "Fight Nights". Besucht werden sie von einigen Hundert Menschen - kein Vergleich zu den großen Veranstaltungen in Deutschland, wie die von Oktagon, We love MMA oder der National Fighting Championship vor mehreren Tausend Zuschauern. Hier distanziert man sich aktiv von extremistischem Gedankengut, auch der deutsche MMA-Verband GEMMAF zieht an diesem Strang, um den Sport nach vorne zu bringen.

Das sei aber nicht immer so gewesen, erklärt der Berliner MMA-Kämpfer Niko Samsonidse im Gespräch mit ntv.de. "Vor fünf, sechs Jahren gab es kaum ein Bewusstsein für die Thematik. Dadurch, dass der Sport nicht so im Rampenlicht war, gab es auch Berührungspunkte von ganz normalen Sportlern und Leuten, die in der rechten Szene zu verorten sind." Veranstalter hätten heute ein Auge auf die Thematik, natürlich auch aus Eigeninteresse und Imagegründen. Der Boom des MMA-Sports habe dahingehend vieles verändert.

Kampfsport passt in rechte Ideologie

Grundsätzlich passt das rechte Weltbild nicht zum Miteinander in einem Kampfsportgym. "Dort kommen die unterschiedlichsten Menschen kultureller und religiöser Hintergründe zusammen. Und das ist genau das, was im MMA-Sport so bereichernd ist. Es ist ein Ort der Zusammenkunft, wo dann gemeinsame Werte geteilt werden", sagt Samsonidse. Und das könne ein unglaublich großes Potenzial darstellen.

Dass Rechtsextreme den Kampfsport dennoch in einigen Bereichen kapern, ist für den 28-Jährigen nicht überraschend. "Es passt in ihre Ideologie: Sich hart und wehrhaft zu machen. Der Bogen zum Sport ist auch attraktiv, damit sie neue Leute rekrutieren können." Der zentrale Zugang für Rechte ist die Gewalt, von der sich MMA als Kampfsport natürlich nicht freisprechen kann. Gewalt ist bei Rechtsextremen und besonders in der neonazistischen Ideologie fest verankert, sie wird zur Durchsetzung von politischen und persönlichen Zielen legitimiert. Zudem tragen Rechte durch die Ausübung von Kampfsport auch ihr Bild von Macht und Männlichkeit nach außen, im Bereich des Profi-Kampfsports entsteht gleichsam eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit.

Sascha Poppendieck ist Trainer und Veranstalter im MMA-Sport.

Sascha Poppendieck ist Trainer und Veranstalter im MMA-Sport.

(Foto: IMAGO/CHROMORANGE)

Samsonidse, der in Berlin im Spitfire Gym und bei Sayyato Sports trainiert und seine Abschlussarbeit zum Thema Rechtsextremismus im Kampfsport geschrieben hat, habe solche Fälle in seinem Umfeld noch nicht mitbekommen. "Weil es ein Bewusstsein für diese Thematik gibt", so der ehemalige Sozialarbeiter. "Sich klar gegen jegliche Form von Extremismus zu positionieren, ist ein Teil davon."

Auch Links kapert den Kampfsport

Bei jeglicher Form von Extremismus geht es dann auch um das linksextremistische Spektrum. Hier war in den vergangenen Jahren ebenfalls ein Wandel zu beobachten, was den Kampfsport angeht. Antifa-Gruppen in Süddeutschland hatten regelmäßig zu kostenlosen Kickboxtrainings eingeladen, die schließlich vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet wurden. Es sei ein klarer Wandel von der Selbstverteidigung hin zu proaktiven Kampfsportarten zu erkennen, hieß es bereits 2019. Trainiert wurde, um auf Demonstrationen gegen rechte Gegendemonstranten, aber auch gegen Beamte vorzugehen. In Hamburg wurden zudem sogenannte Antifa-Full-Contact-Kampfsportveranstaltungen organisiert und abgehalten.

Entsprechend sagt Sascha Poppendieck, Veranstalter für The Cage MMA, der Sport müsse sich klar von jeder Form des Extremismus distanzieren - egal ob links oder rechts. Der Leiter des La Onda Gym in Magdeburg betont, trotz positiver Entwicklung sei MMA im Osten Deutschlands von Veranstalterseite ein herausforderndes Unterfangen. "Der Osten wird immer stärker beäugt, weil man glaubt, dass die Rechten dort im MMA-Sport aktiver sind", sagt Poppendieck.

Als Veranstalter und Trainer versuche der ehemalige Thaibox-Weltmeister daher, den Sport in die richtige Richtung zu schieben und Aufklärungsarbeit zu leisten. Es brauche Mut, sich gegen Vorurteile zu stemmen. "Der Standort Rostock hat unter negativer Berichterstattung über ein MMA-Event gelitten. Wir sind mit The Cage MMA trotzdem dahingegangen, weil wir zeigen wollten, dass eine neutrale Veranstaltung in der Stadt möglich ist und die Menschen dort eben nicht anders sind. Wir haben das mit einer schönen kleinen Veranstaltung bewiesen - und werden das im November wieder tun. Dieses Mal eine Nummer größer mit 3000 Zuschauern in der Hansemesse. Dabei soll dann natürlich kein Extremist die Möglichkeit haben, die Bühne für sich zu nutzen."

Vor Veranstaltungen laufen Backgroundchecks

Was der Veranstalter unternimmt, um Extremisten eben keine Plattform zu bieten, erklärt Poppendieck ebenfalls: "Es gibt einen Background-Check bei den Kämpfern, der weit über deren Kampfbilanz hinausgeht." Doch auch auf anderer Ebene ist der Veranstalter aktiv. Zwar kann man nicht in die Köpfe der Zuschauer hineinschauen, deren Außendarstellung aber reglementieren. Die MMA-Veranstaltung in Magdeburg Ende April ist mit rund 2000 Besuchern ausverkauft, ntv.de vor Ort. Am Einlass wird strikt kontrolliert, dass neutrale Kleidung getragen wird. "Wer verbotene Zeichen trägt, kommt nicht rein", so Poppendieck. "Wir möchten auch keine politischen Symbole oder T-Shirts mit irgendwelchen Labels drauf."

Poppendieck sieht seine Veranstaltungen als Sprungbrett für junge Kämpfer, aber auch als Vorreiter im Osten, wo der Sport noch nicht so präsent ist. Entsprechend sind größere Veranstalter Vorbild, was die Organisation angeht. Auch diese fahren einen Kurs der Neutralität, teilweise noch strikter. Selbst Fußballtrikots sind auf Events verboten, um keine Rivalitäten zu schüren.

So sind Kampfsportler aus der rechten Szene zwar gezwungen, Käfigkämpfe in ihrem Kosmos durchzuführen, hinter verschlossenen Türen, abseits der großen Öffentlichkeit. Letztlich passiert das aber im weiterhin existierenden Schatten des boomenden Sports. "Das bekommen ein Trainer und Veranstalter wie Sascha oder ein Kämpfer wie ich, die sich im Kosmos in der Mitte bewegen, viel seltener mit, weil sich die Rechtsextremen eben untereinander organisieren", sagt Samsonidse. Dass Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund zusammen trainieren, sei jedoch kein Alleinstellungsmerkmal dafür, dass dann automatisch niemand mit einer rechten Gesinnung dort nicht trotzdem trainieren wolle. "Im Vergleich ist der Anteil rechter Aktivitäten wahrscheinlich verschwindend gering. Nichtsdestotrotz muss man sich dieser Überschneidungen bewusst sein."

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Zu einem gewissen Grad sei jeder Sport politisch. Wichtig sei daher, sich öffentlich zu distanzieren und einen Raum zu schaffen, wo Menschen mit rechter Gesinnung gar keinen Bock hätten, sei es in einem Gym oder bei einem Event, sich zu präsentieren, so der Berliner.

Was sich nur schwer beurteilen lasse, sei, inwieweit Rechtsextreme, die Kampfsport betreiben, vielleicht ebenfalls davon profitieren, dass der Sport wächst. "Grundsätzlich würde ich sagen: Je größer MMA in Deutschland wird, umso mehr Aufmerksamkeit darauf liegt, umso mehr dieser Sport in der Mitte der Gesellschaft ist, umso weniger Platz gibt es für Extremismus - wie in jedem anderen Mainstreamsport auch."

Quelle: ntv.de

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