"Deutscher Sprint ist geil" Gigantische Lückenkemper fliegt und feiert
07.08.2017, 07:25 Uhr
Nicht auf den Mund gefallen: Gina Lückenkemper.
(Foto: picture alliance / Bernd Thissen)
Erstmals seit 26 Jahren läuft eine Deutsche die 100 Meter in unter elf Sekunden. Gina Lückenkemper gelingt dieses Kunststück - allerdings im WM-Vorlauf, im Halbfinale bleibt sie hinter den Erwartungen zurück. Dennoch gehört der 20-Jährigen die Zukunft.
Gina Lückenkemper ist in den Zehn-Sekunden-Klub der Sprint-Weltelite gerast. "Ich habe meine persönliche Schallmauer durchbrochen, wusste aber, dass diese Zeit in mir steckt", sagte die lauthals jubelnde 20-jährige Dortmunderin nach ihren blitzschnellen 10,95 Sekunden im 100-Meter-Vorlauf der Leichtathletik-WM in London. Ein Geheimnis, warum sie so energiegeladen rennt, verriet sie dem ZDF: Vor Wettkämpfen leckt sie immer mal mit der Zunge an einer Neun-Volt-Batterie, um sich zu stimulieren.
Als erste Deutsche seit 26 Jahren blieb Lückenkemper unter der magischen Elf-Sekunden-Marke. Katrin Krabbe war die letzte Sprinterin, die das schaffte. Die Neubrandenburgerin war am 27. August 1991 bei ihrem WM-Sieg in Tokio 10,99 Sekunden gelaufen, aber im Zwischenlauf mit 10,91 Sekunden sogar noch schneller. "Das ist phänomenal! 10,95 Sekunden sind schon gigantisch", sagte Annegret Richter, die 100-Meter-Olympiasiegerin von 1976. Nach den deutschen Meisterschaften in Erfurt, wo Lückenkemper 11,01 Sekunden hinlegte, hatte Richter ihr eine Zehner-Zeit zugetraut: "Aber laufen muss man das erstmal."
Schlechter Lauf im Halbfinale
Bei einigen Treffen lernte die heute 66-Jährige die nun schnellste deutsche Frau kennen - und schätzen. "Dass sie bei großen Wettkämpfen locker bleiben kann, das ist ihr großes Plus - und das war bei mir früher auch so", meinte Richter. "Sie hat jetzt mit dieser Zeit natürlich ein kleines Päckchen zu tragen."
Das bestätigte sich schon im Halbfinale am Sonntag. Nach einem schlechte Lauf reichten 11,16 Sekunden und Platz sechs in ihrem Lauf nicht zum Finaleinzug. "10,95 kann man nicht jeden Tag laufen", meinte Lückenkemper nach dem Aus im ZDF. "Ich hatte ja gestern schon erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Alles andere wäre Zugabe gewesen."
Die in jeder Beziehung schnelle Lückenkemper - sie redet schnell, isst schnell, liebt schnelle Autos - kann mit Erfolgsdruck umgehen. Selbstbewusstsein, Extrovertiertheit und das Talent zum Entertainment gehören zu ihren Charaktereigenschaften. Auf die Frage, ob sie gern eine Lichtgestalt wie Supersprinter Usain Bolt werden würde, antwortete sie unverblümt: "Ich hätte damit kein Problem."
10,95: Da geht noch was!
Die in der ewigen Weltbestenliste des Frauen-Sprints an die 66. Stelle gerückte Gina Lückenkemper ist auf dem Weg, in Deutschland ein Star zu werden, der nicht nur Eigenwerbung betreibt, sondern auch für ihren Sport trommelt. "Damit konnte ich ein Zeichen setzen: Deutscher Sprint ist geil und deutscher Sprint kann was", meinte die EM-Dritte über 200 Meter.
Die 10,95 Sekunden sollen noch nicht das beste Rennen ihres Lebens gewesen sein. "Vielleicht geht es auch noch einen kleinen Tick schneller", sagte Lückenkemper, die vor der WM aber auch mal abbremsen musste. Das Debüt in der Leichtathletik-Premium-Serie Diamond League verbunden mit viel Reiserei hinterließ Spuren. "Mein Gehirn stand kurz vor der Kernschmelze", berichtete Lückenkemper. Sie verordnete sich eine strikte Pause mit viel Kuscheln mit Pferd "Picasso", bevor es mit Vollgas zur WM ging. "Das war genau der richtige Weg", befand Deutschlands schnellste Frau.
Quelle: ntv.de, Andreas Schirmer und Ulrike John, dpa