Es könnte noch schlimmer werden Grenzwertig langer Winter fordert Skispringer heraus
01.02.2024, 14:40 Uhr
Hat in diesem Winter noch verdammt viel zu tun: Andreas Wellinger.
(Foto: Erwin Scheriau/APA/dpa)
Die Vierschanzentournee und die Skiflug-WM sind Geschichte. Doch Gedanken ans Saisonende verschwenden die Athleten noch nicht, schließlich steht ihnen noch ein absurd langer Winter bevor. Und in Zukunft könnte es noch wilder werden, auch wenn sich dagegen Protest regt.
Immerhin konnte Andreas Wellinger diesmal die Zeit daheim maximieren: Nach nur 90 Auto-Minuten war er mit seinen beiden Medaillen von der Skiflug-WM am Kulm zu Hause in Salzburg eingetroffen und durfte ganz kurz durchatmen. Zwar sind die beiden großen Saisonhöhepunkte Geschichte, im Weltcup ist aber noch nicht einmal Halbzeit. Auf dem quälend langen Weg in die Ferien verspricht zumindest das Gastspiel in der Party-Hochburg Willingen ab Freitag Kurzweil.
"Geile Schanze, geile Stimmung" - der Gedanke an das hessische Bermuda-Dreieck der guten Skisprung-Laune mit Heerscharen feierwütiger Fans vor allem aus dem nahen Ruhrgebiet weckt bei Wellinger reichlich gute Assoziationen. An die Mühlenkopfschanze hat der 28-Jährige allerbeste Erinnerungen, dort gewann er 2017 seinen ersten Heim-Weltcup und sorgte für schiere Begeisterung. "Ich durfte in Willingen schon siegen und weite Flüge zeigen", sagte Wellinger: "Das werde ich mir auch für dieses Wochenende wieder vornehmen. Und dann werden wir hoffentlich wieder etwas zu feiern haben." Nach der WM im Fliegen, bei der er mit Einzel-Silber und Team-Bronze glänzte, will er jedenfalls die Weitenjagd fortsetzen. "Schöne Schanze, geile Kulisse", so Wellinger.
Die Mühlenkopfschanze ist zwar offiziell die größte Großschanze der Welt, eigentlich aber auch eine kleine Flugschanze: Im Vorjahr segelte der Slowene Timi Zajc auf 161,5 Meter - achteinhalb über Schanzenrekord - und stürzte. "Das war einer der wildesten Sprünge, die ich je gesehen habe", sagt Wellinger. So wild soll es diesmal möglichst nicht werden. Aus Willingen aber wieder ein euphorisches "Wellingen" zu machen, wäre in Wellingers Sinn - und nächster Höhepunkt einer überragenden Saison: Vizeweltmeister im Fliegen, Vize bei der Tournee, im Gesamtweltcup nach einem Sieg und sieben weiteren Podestplätzen derzeit ebenfalls Zweiter.
Auf Willingen folgt die "Retro-Olympia-Tour"
Nach 14 von 32 Einzelspringen wohlgemerkt - die Saison zieht sich nicht wie die "historisch lange" (Bundestrainer Stefan Horngacher) WM-Saison des Vorjahres bis in den April, ist aber dennoch grenzwertig vollgestopft. Neun Stationen auf drei Kontinenten warten noch bis zum Finale in Planica am 24. März. Nach Willingen geht es auf "Retro-Olympia-Tour" nach Lake Placid (USA), Schauplatz der Winterspiele 1980, und Sapporo/Japan (1972) - dann wieder zurück nach Oberstdorf zum Skifliegen. Ehe es dann im März richtig wild wird: Binnen 25 Tagen stehen - Qualifikationen nicht eingerechnet - zwölf Springen an.
Schon jetzt regt sich zaghafter Widerstand gegen die Springflut. "Mir ist es schon lieber, wenn's ein bisserl kürzer ist", sagte Österreichs Chefcoach Andreas Widhölzl. Wenn es aber nach Weltverbands-Renndirektor Sandro Pertile geht, wird es künftig noch mehr, noch früher und noch später, er fabulierte zuletzt von einer aberwitzig langen, achtmonatigen Saison. "Ein Plan könnte sein, den Weltcup mit einer Hybrid-Periode zu beginnen. Man könnte schon im Oktober mit drei, vier Wettbewerben auf Matte starten", sagte der Italiener.
Damit wäre aber eine rote Linie überschritten. "Irgendwann hat der Körper seine Grenzen", sagt der hessische DSV-Adler Stephan Leyhe, der in Willingen sein Heimspiel hat: "Acht Monate durchspringen - das wird kein Sportler schaffen."
Quelle: ntv.de, tno/sid