Köln feiert Ikone Handball-Legende Jo Deckarm sorgt für Gänsehaut-Moment
20.01.2024, 19:56 Uhr
Heiner Brand begleitete Jo Deckarm aufs Feld der Kölner Arena.
(Foto: picture alliance/dpa)
Joachim "Jo" Deckarm ist eine der großen Ikonen des Handballs. Wegen seiner Leistungen, seiner Titel, aber auch, weil er ein besonderes Schicksal annimmt und meistert. Im Rahmen des EM-Spiels des DHB-Teams wird der Weltmeister von 1978 gewürdigt.
Großer Empfang für einen der Größten: Joachim "Jo" Deckarm, deutsche Handball-Legende, feierte in Köln zusammen mit 19.750 Zuschauern in der Lanxess-Arena seinen 70. Geburtstag nach: Deckarm, der Deutschland 1978 zum Weltmeistertitel geworfen hatte und seit einem tragischen Unfall 1979 auf Hilfe angewiesen ist, beging bereits am Freitag seinen Ehrentag. Nun rollte Deckarm, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, unter Standing Ovations der Zuschauer aufs Spielfeld der gewaltigen Arena.
Begleitet wurde der ehemalige Weltklasse-Rückraumspieler von seinem langjährigen Freunden und Weggefährten Heiner Brand, Kurt Klühspies, Jimmy Waltke, Horst Spengler und all den anderen noch lebenden Weltmeistern von 1978. Gemeinsam hatten sie in Kopenhagen den Titel geholt, den ersten überhaupt für eine deutsche Mannschaft in der Halle. Bewegt winkte Deckarm ins Publikum, bevor die Menge ihm sein Geburtstagsständchen sang. Heiner Brand, der die deutsche Mannschaft später auch als Trainer zum WM-Titel führte, schob seinen alten Freund noch durch ein Spalier der österreichischen Mannschaft.
Die Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft hatte Deckarm verpasst, die späten Anwurfzeiten passen nicht zu den Ruhezeiten des Seniorenheims in Gummersbach, in dem er seit 2018 lebt. Doch heute Abend, wenn das DHB-Team gegen Überraschungsteam Österreich die Chance auf den Einzug ins EM-Halbfinale am Leben erhalten will, ist er dabei: "Das Gefühl, das noch erleben zu können und vor 20.000 Menschen mit den Jungs auf das Spielfeld zu gehen, ist ein Traum für mich", hatte Deckarm, der beim Beantworten der Fragen anlässlich seines 70. Geburtstags von seinem Bruder Herbert unterstützt wurde, dem Sportinformationsdienst gesagt: "Da würde ich am liebsten aus meinem Rollstuhl springen und 'Juhu' schreien." Schon bei der Heim-WM 2019 hatte Deckarm Geburtstag in Köln gefeiert - anschließend schlug die deutsche Mannschaft Island 24:19 und zog später ins Halbfinale ein.
Schrecklicher Unfall beendet die Karriere
Das Sprechen fällt Jo Deckarm schwer. "Bedingt durch den Unfall kommen die Alterserscheinungen bei ihm stärker zum Tragen", sagte Heiner Brand, der jede Woche im evangelischen Seniorenheim von Gummersbach bei seinem alten Freund vorbeischaut und dessen viele Besuche koordiniert, der Deutschen Presse-Agentur.
Deckarm war am 30. März 1979 beim Auswärtsspiel seines VfL Gummersbach bei Banyasz Tatabanya nach einem Zusammenprall mit seinem Gegenspieler nahezu ungebremst mit dem Kopf auf den nur von einem dünnen Kunstoffbelag bedeckten Betonboden gekracht und verletzte sich dabei schwer: ein doppelter Schädelbasisbruch, ein Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen. Erst nach 131 Tagen erwachte der damals 25-jährige Rückraumstar aus dem Koma.
Die Folgen des Unfalls waren für den Leistungssportler dramatisch: Deckarm ist ein hilfsbedürftiger Mensch, muss nahezu alle Fähigkeiten neu erlernen: Gehen, essen, sprechen. Mit großem Ehrgeiz und unterstützt von zahlreichen ehemaligen Weggefährten - allen voran Teamkollege Heiner Brand - kämpfte sich Deckarm zurück ins Leben. Als "besonderer Kämpfer" wurde er im Jahr 2013 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen, als dritter Handballer nach Bernhard Kempa und seinem Freund Heiner Brand. Seinem Gegenspieler hat Jo Deckarm nie einen Vorwurf gemacht: "Wir beide wissen, dass der Zusammenprall keine absichtliche Aktion war. Dennoch hat ihn das Unglück seelisch tief getroffen", sagte Deckarm einmal "Handball Inside".
"Jo zaubert ein Lächeln ins Gesicht der Menschen"
Deckarm war zur Zeit seines Unfalls einer der besten Handballspieler der Welt. In seiner Laufbahn holte er drei Meistertitel und zwei Europapokaltitel mit dem VfL Gummersbach, in 104 Länderspielen erzielte er 381 Tore. 1978 hatte er Deutschland mit sechs Treffern im Endspiel von Kopenhagen gegen die Sowjetunion mit sechs Treffern zum WM-Titel geworfen: "Ohne Dich wären wir niemals Weltmeister geworden und ich bin Dir dafür sehr dankbar", hatte ihn am Freitag beim Geburtstagsempfang daheim in Gummersbach Horst Spengler, der Kapitän der 1978er-Weltmeister gewürdigt. Julian Köster, einer von Deckarms Nachfolgern im Rückraum des VfL Gummersbach und des DHB-Teams, freute sich auf den Besuch des Vereinskollegen: "Er ist ja auch viel bei unseren Spielen in Gummersbach dabei. Es ist einfach cool, dass er dem Handball immer noch so verbunden ist und so mitfiebert."
DHB-Präsident Andreas Michelmann schließlich würdigte den Ehrengast und seine Lebensleistung mit großen Worten: "Seine Geschichte ist ebenso bewegend wie inspirierend. Wie er mit seinem unbändigen Willen das Schicksal angenommen hat und sein Leben lebt, beeindruckt die gesamte Handball-Familie. Es sei "wunderbar zu erleben, wie diese seit Generationen weiterlebt. Jo zaubert ein Lächeln ins Gesicht der Menschen - weil sie sich an den Weltklasse-Handballer erinnern. Und weil sie ihn und seinen Weg bewundern. Wir sind dankbar, dass er bei uns ist, und wünschen ihm Glück, Zufriedenheit und Gesundheit."
Quelle: ntv.de