Zwischenfazit nach dem NFL-Start Hilfe, die "lila Menschenfresser" sind zurück
28.09.2024, 11:58 Uhr
Wer soll die Minnesota Vikings derzeit nur aufhalten?
(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)
Staunen in Seattle, Pittsburgh und Minnesota, Raunen in Cincinnati und Baltimore. So lautet das Zwischenfazit nach den ersten drei Wochen der NFL-Saison. Eine Übersicht über die bisherigen Überraschungen und Enttäuschungen.
Seattle Seahawks überraschen
Bilanz: 3:0. Wer hätte im Sommer gedacht, dass die Partie zwischen den Seattle Seahawks und den Detroit Lions ein Topspiel in Woche vier sein würde? Die Lions, klar. Im Januar nur knapp den Super Bowl durch eine 31:34-Niederlage im Halbfinale bei den San Francisco 49ers verpasst. Eine relativ junge, aufregende Truppe mit Titelambitionen. Warum nicht?
Aber Seattle? Bei den Seahawks war im Januar die Ära Pete Carroll beendet worden. Nach 14 Jahren, einem Super Bowl-Sieg und einem verlorenen Endspiel. Seattle wechselte vom ältesten Trainer der Liga - Carroll wurde am 15. September 73 Jahre - zum jüngsten Headcoach, dem 37-jährigen Mike Macdonald. Dieser hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, die unter Carroll entstandene "Team-Kultur" weiterführen zu wollen.
Das klang natürlich erstmal gut, aber war das auch umsetzbar? Bislang ja. 26:20-Heimsieg gegen Denver, 23:20-Erfolg nach Verlängerung in New England, 24:3-Schützenfest gegen Miami. Quarterback Geno Smith hat die zweitbeste Passquote der Liga (74,8 %) und Seattle führt die NFC West deutlich vor Vizemeister San Francisco und 2022-Champion L.A. Rams an.
Historisch gute Abwehr in Pittsburgh
Bilanz: 3:0. Dass die Steelers nach drei Spielen eines von fünf noch ungeschlagenen Teams sein würden, war in etwa so wahrscheinlich wie die Tatsache, dass Mike Tomlin 18 Jahre nach seiner Vertragsunterschrift im Januar 2007 immer noch der Chefcoach in Pittsburgh sein würde.
Aber: Eine gewohnt großartige Defensive (Pittsburgh hat als erst fünftes Team seit 2000 in den ersten drei Spielen jeweils nur zehn oder weniger Punkte zugelassen) und eine Offensive, die das Online-Portal "The Athletic" als "angenehme Überraschung" bezeichnet, waren die Grundlagen für den achten 3:0-Start der Steelers-Vereinsgeschichte.
Ein extra Lob geht an Arthur Smith. Was immer der Offensive Coordinator mit Justin Fields gemacht hat, es funktioniert. Der Quarterback, der im Frühjahr von den Chicago Bears kam, wurde in den vergangenen drei Spielzeiten bei 13,2 Prozent seiner Dropbacks, also wenn er nach dem Snap den Football bekommt, einige Schritte nach hinten macht, um das Spielfeld für einen Pass zu sondieren, zu Boden gerissen oder warf eine Interception. Kein Quarterback hatte einen schlechteren Wert.
Nach drei Spielen im Steelers-Trikot rangiert Fields an zehnter Stelle - und hat mit 7,7 Prozent den gleichen Wert wie Patrick Mahomes.
Abwehr und Angriff in Minnesota überragend
Bilanz: 3:0: Was ist eigentlich beeindruckender bei den Vikings - die Defensive oder die Offensive? Die Antwort dürfte den Fans ziemlich egal sein. Denn weil Abwehr und Angriff so herausragend spielen, ist Minnesota so stark. Die Offensive wird angeführt von Sam Darnold, der in Minnesota eine Metamorphose durchmacht.
Und in der Abwehr hat Defensive Coordinator Brian Flores einen so engmaschigen Verbund aufgebaut, dass Vizemeister San Francisco und die hoch gehandelten Houston Texans in ihren beiden Spielen zusammen auf lediglich 24 Punkte kamen. Der Vikings-Defensive waren in bislang jedem Saison-Spiel mindestens fünf Sacks gelungen - das hatten seit 1990 nur die Tampa Bay Buccaneers (2000) und die New Orleans Saints (2001) geschafft.
"CBSSports" sprach deshalb bereits von der Rückkehr der "purple people eaters". Diesen Spitznamen (lila Menschenfresser) hatten sich die Vikings zwischen 1967 und 1977 erworben, als die Defensive Line das Prunkstück des Vereins war und Minnesota viermal im Super Bowl stand.
Burrow und Bengals mit bitterem Saisonstart
Bilanz: 0:3. Einmal ist ja bekanntlich immer das erste Mal. Dieser Satz trifft nun auch auf Joe Burrow zu. Erstmals in seiner NFL-Karriere hat der Quarterback die ersten drei Saisonspiele verloren. 10:16 gegen New England. 25:26 in Kansas City. 33:38 gegen Washington. "Wir hatten unsere Chancen, haben sie aber nicht genutzt. Das ist der gemeinsame Nenner der ersten drei Wochen", meinte Burrow nach der Niederlage gegen Washington.
Die Bengals haben ihre drei Spiele mit einer Differenz von insgesamt zwölf Punkten verloren. Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass "Cincy" durchaus auch alle drei Partien hätte gewinnen können. So aber wird das vermeintlich leichte Match am Sonntag bei den Carolina Panthers bereits ein richtungsweisendes. Eines, bei dem es darum geht, das Saisonziel, Erreichen der Playoffs, nicht schon im ersten Monat zu verspielen.
Was Mut macht, ist die Form von Burrow. Nach seiner Handgelenkoperation kommt der 27-Jährige immer besser in Form. Gegen Washington kamen 29 seiner 38 Pässe an, Burrow erzielte einen Raumgewinn von 324 Yards und warf drei Touchdowns. Er hielt die Bengals im Spiel. Was fehlte, war der Pass Rush, also der Druck der Abwehr auf Commanders-Quarterback Jayden Daniels. Der hatte im Schnitt 3,13 Sekunden - und somit eine Ewigkeit - Zeit, um seine Pässe zu werfen.
Bei einer weiteren Niederlage, ausgerechnet gegen die vom langjährigen Ex-Bengals-Quarterback Andy Dalton angeführten Panthers, würde, bis auf Joe Burrow, jeder in Cincinnati infrage gestellt werden, schreibt "The Athletic". Um das zu verhindern, müssen die Bengals endlich die knappen Spiele gewinnen.
Ravens derzeit nicht mal Stolperstein
Bilanz: 1:2. Zugegeben, das Wort "Krise" in Zusammenhang mit den Ravens zu bringen, wäre in etwa so übertrieben, wie Baltimore als amerikanischen Anziehungspunkt für Millionen Touristen zu bezeichnen. Dennoch: drei Spiele, nur ein Sieg - das ist nicht der Start, der dem Ruf eines Titelanwärters entspricht.
Und das wollen und sollen sie schließlich sein, diese Baltimore Ravens - ein Team, das den Super Bowl gewinnen kann. Ein Team, das in der AFC als größte Hürde für die Hürdenspezialisten der Kansas City Chiefs gilt. Und ein Team, das mit einem Sieg im viel beachteten Sunday Night Game gegen die noch unbesiegten Buffalo Bills ein Statement setzen und den missglückten Saisonstart gerade rücken kann.
"Es ist eine lange Saison, da sind Widrigkeiten ganz normal. Aber solange wir zusammenhalten und aneinander glauben, wird alles in Ordnung sein", betont Star-Runningback Derrick Henry. Der Neuzugang von den Tennessee Titans, der 2020 zum besten Offensiv-Spieler der Liga gewählt wurde und viermal beim Pro Bowl war, ist der wohl wichtigste Grund, warum die Ravens diese Saison noch höher gehandelt werden als sonst.
Andererseits ist die Defensive Line nicht mehr das Monster der Vorsaison. Da hatten die Ravens die meisten Sacks der Liga. Doch mit Jadeveon Clowney verließ ein essentieller Teil dieses Pass-Rush-Units den Verein. Zudem hat Baltimore Probleme in der Pass-Verteidigung. Ausgerechnet jetzt wartet mit Bills-Quarterback Josh Allen der aktuell beste Ball-Verteiler der Liga. Er führt die beste Offensive der Liga (37.3 Punkte/Partie) an.
Quelle: ntv.de