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Sotschi-Verzicht nicht aus politischen Gründen? IOC-Boss Bach redet Gaucks Absage schön

Wiederholung ausgeschlossen: Bundespräsident Gauck 2012 mit dem damaligen DOSB-Präsidenten Bach im Olympischen Dorf von London.

Wiederholung ausgeschlossen: Bundespräsident Gauck 2012 mit dem damaligen DOSB-Präsidenten Bach im Olympischen Dorf von London.

(Foto: dpa)

Bundespräsident Joachim Gauck reist nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi. Es ist eine Entscheidung, die für politische Aufregung sorgt. IOC-Chef Thomas Bach bemüht sich nun um Deeskalation.

Bundespräsident Joachim Gauck fährt nicht zu den Olympischen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi. Damit sorgt er für eine politische Diskussion, die dem Internationalen Olympischen Komitee ungelegen kommt. Ober-Olympier Thomas Bach versuchte nun in Lausanne, der Debatte die Brisanz zu nehmen. Er wartete nach der ersten Sitzung seiner neuen IOC-Regierung mit einer überraschenden Erklärung für Gaucks Entscheidung auf.

Demnach verzichtet Gauck ausschließlich "aus protokollarischen Gründen" auf einen Besuch der Winterspiele im Februar 2014. "Ich kenne Bundespräsident Gauck und weiß, dass er ein sehr direkter Mann ist. Wenn er seinen Verzicht als Protest verstanden gewusst haben wollte, hätte er dies auch so gesagt", sagte Bach, der im August als erster Deutscher zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees gewählt worden war: "Er kann aus protokollarischen Gründen nicht nach Sotschi fahren, in ein Land, dem er zuvor noch keinen Staatsbesuch abgestattet hat. Diese Begründung ist zumindest die, die er uns gegeben hat."

Kein Statement gegen Russlands Politik?

Die Absage als protokollarische Entscheidung statt als politisches Statement? Mit dieser Einschätzung stand Bach ziemlich allein da. Das Bundespräsidialamt nannte offiziell keine Gründe für Gaucks Entscheidung, die die Diskussionen um die politisch belasteten Spiele neu befeuert hat und nicht nur von deutschen Politikern als Reaktion auf Moskaus rigiden Umgang mit Menschenrechten gewertet wurde. Das deutsche Staatsoberhaupt hatte in der Vergangenheit wiederholt mehr Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Russland angemahnt.

Nach Gauck kündigte auch die stellvertretende EU-Kommissarin Viviane Reding an, den Spielen an der russischen Schwarzmeerküste fernzubleiben - und begründete ihren Schritt ausdrücklich mit der Menschenrechtslage in Russland. "Ich werde sicher nicht nach Sotschi fahren, solange Minderheiten auf diese Weise von der derzeitigen russischen Regierung behandelt werden", schrieb die Luxemburgerin bei Twitter. Sie bezog sich damit auf die Ausbeutung hilfloser Wanderarbeiter und die internationale Empörung über das heftig kritisierte Anti-Homosexuellen-Gesetz.

Auf Redings Aussagen wollte Bach nicht direkt eingehen. Der 59-Jährige betonte, dass Einladungen nach Sotschi ausschließlich von Regierungsseite ausgesprochen würden und dem IOC deshalb eine Einmischung nicht zustehe.

"Viele kritikwürdige Punkte an der Vergabe"

Tennis-Legende Martina Navratilova forderte vom Internationalen Olympischen Komitee wie Reding ein stärkeres Eintreten für homosexuelle Sportler. "Schwule und Lesben müssen in so vielen Ländern immer noch Schimpfwörter und Schikanen oder sogar Gefängnisstrafen über sich ergehen lassen. In sechs Ländern droht ihnen sogar die Todesstrafe. Der Sport hat die Macht, daran etwas zu ändern", sagte Navratilova bei den Vereinten Nationen in New York.

Bachs Nachfolger als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, kann die allgemeine Negativstimmung nachvollziehen: "Aus heutiger Sicht gibt's sicherlich viele kritikwürdige Punkte an der Vergabe an Sotschi", sagte der 53-Jährige. "Die Art, wie die Spiele dort umgesetzt werden, erfährt an zahlreichen Stellen berechtigte Kritik."

Protestzonen kommen - werden sie auch genutzt?

59 Tage vor der Eröffnungsfeier in Sotschi war Bach nach dem acht Stunden langen Meeting im IOC-Hauptsitz Château de Vidy deshalb vor allem bemüht, die Wogen zu glätten. Er lobte die Vorbereitungen und begrüßte die Einrichtung von ausgewiesenen Zonen für Demonstrationen während der Winterspiele in Sotschi. "Wir haben uns sehr über die Ankündigung des Organisationskomitees gefreut, dass es in Sotschi Protestzonen geben wird. Jeder kann seine freie Meinung äußern", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Russlands Inlandsgeheimdienst FSB hatte Ende der vergangenen Woche ein Dekret von Präsident Wladimir Putin aus dem Sommer 2012 korrigiert, wonach solche Demonstrationen aus Sicherheitsgründen zunächst untersagt worden waren. Auch bei den Sommerspielen 2008 in Peking hatte es solche Protestzonen gegeben. Aus Furcht vor Bestrafungen wurden sie damals aber nicht genutzt.

In Sotschi werden unter anderem wegen des Anti-Homosexuellen-Gesetzes zahlreiche Demonstrationen erwartet. Die Athleten unterliegen allerdings während der Spiele zumindest in der olympischen Zone einem Protestverbot, das sie laut Bach "auch schützen" soll.

Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa

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