Dopingbeben nur eine "Panne"? In Italien herrscht skandalöse Verwirrung
04.12.2015, 00:53 Uhr
Eine Pressekonferenz des italienischen Leichtathletik-Verbandes trug zur Aufklärung in Italiens Skandal nur wenig bei.
(Foto: AP)
Erst Russland, dann Kenia, nun Italien: Die Leichtathletik kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Doch obwohl Italiens Dopingjäger für 26 Athleten eine Sperre fordern, reden die Verantwortlichen die Sache klein. Die Sportler gerieren sich als Opfer.
Die italienische Presse spricht von einem "Erdbeben für die italienische Leichtathletik", Sportler und Verantwortliche spielen dagegen einen der womöglich größten Dopingskandale des Landes herunter. "Diese Jungs sind keine Leute, die geschummelt haben", beschwichtigte Giovanni Malagò als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (CONI) und der frühere Stabhochsprung-Weltmeister Giuseppe Gibilisco tönte: "Keiner der 26 Athleten hat gedopt. Wir zahlen den Preis für die schlechte Organisation und die Inaktivität des CONI. Sie sind die einzigen Schuldigen."
Die italienische Anti-Doping-Behörde Nado hatte am Mittwoch für 26 Sportler eine zweijährige Sperre beantragt. Ihnen wird vorgeworfen, sich Kontrollen entzogen zu haben. Vorausgegangen waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Bozen und einer Sondereinheit der Carabinieri. 39 weitere Fälle legten die Ermittler zu den Akten, in dieser Liste findet sich unter anderem der umstrittene Geher Alex Schwazer. Das Nationale Anti-Doping-Gericht muss jetzt über die Fälle entscheiden.
Prominente Sünderkartei
Die Namen der angeklagten Sportler haben es in sich: So steht etwa Marathon-Europameister Daniele Meucci auf der Liste. Auch Fabrizio Donato, der Olympia-Dritte im Dreisprung, wird genauso aufgeführt wie Andrew Howe, der Weitsprung-Europameister von 2006. "Für 26 Azzurri ist Rio in Gefahr", schrieb die "Gazzetta dello Sport". Daran glauben die Verantwortlichen nicht. Für Malago ist die ganze Angelegenheit nur ein "Kommunikationsproblem". Die Vorwürfe bezögen sich auf den Zeitraum von 2009 bis 2012. Die Sportler hätten damals Faxe schicken müssen, um ihren Aufenthaltsort für die Anti-Doping-Behörden bekanntzumachen. "Dies war ein sehr ineffizientes System", sagte er. Heute gehe das über Smartphone-Apps.
Auch Alfio Giomi, der Präsident des Leichtathletik-Verbandes Fidal, betonte, dass er Vertrauen in die Anti-Doping-Behörden habe und hoffe auf eine schnelle Lösung des Falles. Der Prozess werde wahrscheinlich im Januar stattfinden. "Wir richten weiter unsere Arbeit auf die Spiele in Rio aus, mit all diesen Athleten, denn es ist überhaupt nicht daran zu denken, dass sie verurteilt werden."
Das sieht die Nado anders. Alle der 26 Athleten hätten die "Whereabouts", mit denen sie ihren Aufenthaltsort den Anti-Doping-Behörden anzeigen müssen, mindestens dreimal nicht ausreichend ausgefüllt. Einige der Sportler kommen sogar auf neun Verfehlungen. Nach den Wada-Richtlinien sind drei Verstöße binnen 18 Monaten wie ein Dopingfall zu werten und mit einer Sperre zu ahnden.
Doping in neuen Dimensionen
Die Nachricht von der Dopinganklage erreichte die Leichtathletik, als der Weltverbandspräsident Sebastian Coe gerade vor dem britischen Parlament im Zuge der ausufernden Dopingskandale Rede und Antwort stand. Dort räumte der schwer kritisierte Brite ein, der immerhin seit August 2007 Vizepräsident der IAAF war, er sei sich eines Dopingsproblems zwar bewusst gewesen. Die Dimension habe er aber unterschätzt.
Die tatsächlichen Dimensionen sind in den zurückliegenden Wochen und Monaten mehr und mehr publik geworden. Russlands Leichtathleten sind derzeit wegen anscheinend flächendeckender Manipulationen suspendiert und müssen um ihre Olympia-Teilnahme bangen. Zudem sperrte Kenias Verband zuletzt auf einen Schlag sieben Athleten wegen Dopingvergehen.
Nun noch Italien, wo die Dopinganklage für das Bewerbungskomitee Roms für die Olympischen Spiele 2024 alles andere als gelegen kommt. Die italienische Hauptstadt befindet sich derzeit nach dem Aus von Hamburg im Rennen mit Los Angeles, Paris und Budapest um die Sommerspiele 2024.
Quelle: ntv.de, Stefan Tabeling, dpa