
Noah Lyles hat Großes vor.
(Foto: Imago/Beautiful Sports/Torben Flatemersch)
Der "Anfangspunkt einer Dynastie" soll der Weltmeistertitel über 100 Meter sein, den Noah Lyles in Budapest gewinnt. Der US-Amerikaner wählt nach dem Gewinn der Goldmedaille große Worte und greift nach einem Rekord von Leichtathletik-Legende Usain Bolt.
Noah Lyles sitzt auf dem Podium des Leichtathletik-Stadions von Budapest und gibt den davor versammelten Medienmenschen aus aller Welt einen kleinen Einblick in seine Gedanken. "Ich gehe davon aus, dass ich der schnellste Mensch der Welt bin", sagt der 26-Jährige, ehe er einschränkend ergänzt: "Aber, um das wirklich aus tiefster Überzeugung sagen zu können, musste ich die 100 Meter gewinnen."
In den vergangenen Jahren war der US-Amerikaner vor allem über die 200 Meter aufgefallen. Als Weltmeister der Jahre 2019 und 2022, als Dritter der ewigen Bestenliste über die halbe Stadionrunde, seit diesem Jahr als Sprinter mit den meisten Zeiten unter 20 Sekunden. Ein Rekord, den er dem legendären Usain Bolt entrissen hat - in dessen Fußstapfen er nun bei den Welttitelkämpfen in Ungarn treten möchte.
"Wenn die Leute zurückschauen", wagt Lyles den Blick in die Zukunft, dann sollen die neun Wettkampftage am Ufer der Donau nicht weniger als "den Anfangspunkt einer Dynastie" darstellen. Die Goldmedaille über 100 Meter, die er rund eine Stunde zuvor in Weltjahresbestzeit von 9,83 Sekunden errungen hatte, ist dabei von elementarer Bedeutung. "Ich bin hierhergekommen, um dreimal Gold zu holen", so Lyles, der auch über 200 Meter sowie in der 4x100-Meter-Staffel eingeplant ist: "Eine ist geschafft, zwei fehlen noch."
Lyles wollte eigentlich in Bolt-Sphären laufen
Das Finale der kürzesten Sprintdistanz unter freiem Himmel ist seit jeher die Entscheidung, die weit über das fachkundige Publikum hinausstrahlt, das so typisch für die Leichtathletik ist. Wenn die schnellsten Männer der Welt ihren Besten ermitteln, gucken oftmals auch jene hin, die sonst nur wenig mit der Kernsportart der Olympischen Sommerspiele verbinden. So auch an diesem heißen Sommerabend in Budapest, als bei über 30 Grad die acht Finalisten in den Startblock steigen.
Zwei große Namen allerdings sind da längst zu Zuschauern degradiert worden: Titelverteidiger Fred Kerley aus den USA und der italienische Sensations-Olympiasieger Lamont Marcell Jacobs sind bereits im Halbfinale ausgeschieden. Bei dem einen (Kerley) war das angesichts der starken Vorleistungen überraschend, bei dem anderen (Jacobs) eher weniger, nachdem dieser vor der WM nur einen einzigen Wettkampf bestritten hatte.
Lyles allerdings hatte sich ohnehin von der unmittelbaren Konkurrenz entkoppelt und angekündigt, in Budapest erstmals 100-Meter-Weltmeister zu werden - und dabei in 9,65 Sekunden zusätzlich in Sphären vordringen zu wollen, die bislang nur Usain Bolt erreicht hatte. Ganz so schnell wurde es trotz augenscheinlich optimaler Bedingungen nicht, immerhin aber steigerte Lyles seine vier Jahre alte persönliche Bestzeit um drei Hundertstel auf 9,83 Sekunden.
Am Mittwoch startet die zweite Gold-Mission für Lyles
Hinter dem mit bloßem Auge auszumachenden Sieger, zu dessen Trainingsgruppe unter Leitung von Lance Brauman auch Gina Lückenkemper gehört, brachte erst die intensive Auswertung des Zielfotos Klarheit über die weiteren Plätze. Für gleich drei Athleten wurden 9,88 Sekunden ausgewiesen, der Unterschied ergab sich erst in der dritten Nachkommastelle: den Tausendsteln. Silber ging an den gerade erst 20 Jahre alten Letsile Tebogo aus Botswana (9,873), Bronze rührte den Briten Zharnel Hughes (9,874) zu freudiger Fassungslosigkeit und Freudentränen, während Jamaikas Oblique Seville (9,877) als Vierter hauchdünn leer ausging.
"Die 100 Meter waren das am schwersten zu gewinnende Rennen", sagt Lyles im Anschluss, der über 200 Meter als Jahresschnellster und Titelverteidiger antritt. Auch dort dürfte die Konkurrenz um den jungen Tebogo, dessen federleichter Schritt auf der doppelten Distanz noch ein bisschen eindrucksvoller erscheint, den US-Amerikaner zu Höchstleistungen antreiben. 19,10 Sekunden hatte Lyles als seine Siegerzeit auf dieser Strecke angekündigt: Neun Hundertstel schneller als Usain Bolt bei seinem WM-Triumph 2009 auf der blauen Bahn des Berliner Olympiastadions.
Vor Budapest ließ Lyles verlauten, er habe "gute Gründe, daran zu glauben, etwas bisher Unerreichtes schaffen zu können". Ein Dreifachtriumph - 100, 200 und 4x100 - bei einer Weltmeisterschaft war zuletzt Usain Bolt vor acht Jahren in Peking gelungen. Zum dritten Mal nach 2009 in Berlin und 2013 in Moskau. Aber Budapest soll für Lyles ja auch erst den Anfang einer Dynastie darstellen. Am Mittwoch geht es mit den Vorläufen über 200 Meter weiter.
Quelle: ntv.de