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Rennjury-Urteil mit Beigeschmack "Lex Froome" rettet Tour-Favoriten

Froome im Ziel: "Ich danke ... den Organisatoren der Tour de France."

Froome im Ziel: "Ich danke ... den Organisatoren der Tour de France."

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Gesamtführende, ohne Rad und zu Fuß rennt er dem Ziel entgegen: Dieses Bild am Mont Ventoux bei der 103. Tour de France brennt sich ins kollektive Gedächtnis ein. Auch der dem Sturz-Chaos folgende Jury-Entscheid zu Froomes Gunsten.

Eine Bergankunft auf dem Gipfel des Mount Ventoux, am Nationalfeiertag der Franzosen - das klingt nach Spektakel, vielleicht sogar nach einem neuen Kapitel Tour-Geschichte. Und genau das passiert - aber anders als erhofft: Ein Sturz setzt eine Kettenreaktion in Gang, an deren Ende die Tour mit einer fragwürdigen Entscheidung aufwartet. Am Ende ist der alte auch der neue Gesamtführende: Christopher Froome startet beim Einzelzeitfahren im Gelben Trikot.

Aber was war eigentlich passiert? Es ist Nationalfeiertag in Frankreich, viele haben frei und statten der Tour de France einen Besuch ab. Schließlich geht es auf den "kahlen Riesen der Provence", Bergankunft auf dem Geröllgipfel des Mont Ventoux. So der Plan. Wegen starker Winde wird das Ziel sechs Kilometer nach unten verlegt. Absperrgitter gibt es nicht. Und deshalb drängen sich Tausende Fans auf der bereits engen Straße, unweit des neuen Ziels.

Dabei kollidiert ein TV-Motorrad mit einem Fan. Das Motorrad muss abbremsen, bleibt stehen. Von hinten rauscht eine Dreiergruppe heran: der Australier Richie Porte, dicht gefolgt von Froome und dem Niederländer Bauke Mollema. Allesamt Konkurrenten in der Gesamtwertung. Porte führt die Gruppe an, er will Froome Zeit abnehmen, attackiert, macht Druck - und fährt in das stehende TV-Motorrad hinein. Er stürzt. Froome und Mollema auch.

"Chaos bei der Tour"

Mollema hat das größte Glück, sitzt am schnellsten wieder auf seinem Rad. Porte kämpft mit seinem Bike. Froomes Pinarello-Maschine ist dagegen hinüber: Rahmenbruch, weil ein nachfolgendes Motorrad reinfährt. Froome läuft los - einfach so - ohne Rad. Die TV-Kommentatoren überschlagen sich, egal auf welchem Sender: So etwas habe es noch nie gegeben. "Chaos bei der Tour", heißt es da.

Achtung: Gelbes Trikot zu Fuß unterwegs ...

Achtung: Gelbes Trikot zu Fuß unterwegs ...

(Foto: picture alliance / dpa)

Es dauert etwa 300 Meter, ehe Froome vom neutralen Materialwagen ein neues Rennrad bekommt. Mollema ist längst enteilt. Porte fährt auch bereits wieder. Froome kommt nur schwer in Tritt. Das Rad ist nicht auf ihn abgestimmt und zudem viel zu klein. Aber es fährt. Kurz darauf ist auch der Materialwagen seines Teams Sky zur Stelle. Nun hat Froome endlich wieder ein auf ihn abgestimmtes Rad.

Doch die Zeit läuft gegen ihn. Im Ziel angekommen, hat er rund 120 Sekunden auf Mollema eingebüßt. Auch Porte kann im Gesamtklassement Boden auf den Briten gut machen. Froome muss das Gelbe Trikot abgeben, sein Landsmann Adam Yates trägt es nun, rund 50 Sekunden vor dem nun Sechstplatzierten Froome. Ein Wechsel an der Spitze? Das verspricht wieder Spannung. Erst recht vor dem anstehenden Einzelzeitfahren.

Doch dann kommt die Rennjury zusammen, berät sich. Eine Schutzzone wie bei Sprintankünften gibt es bei Bergzielen laut Reglement nicht. Dennoch: Der Unfall wird nicht als normaler Rennunfall gewertet - und Froome ist fein raus. Kurzerhand werden die Zeitabstände unmittelbar vor der Kollision in die Wertung genommen. Porte, Mollema und Froome werden zeitgleich gewertet - und Froome ist weiterhin Träger des Maillot Jaune.

"Ich bin sehr glücklich über die Entscheidung der Jury, ich glaube, das war richtig so", sagte Froome im Anschluss. "Ich danke ... den Organisatoren der Tour de France."

Mit Wut im Bauch

Ob die Rennjury auch so vorgegangen wäre, wenn es nicht Froome zu Fuß gewesen wäre, sondern Porte oder Mollema? Es darf spekuliert werden. Ein fader Beigeschmack bleibt. Denn es ist das erste Mal, dass die Rennjuy so entschieden hat.

Die Konkurrenz von Froome, allen voran der Kolumbianer Nairo Quintana, der zwei Mal erfolglos Attacken gestartet hatte und am Ende dennoch Zeit auf Froome verloren hat, dürfte deshalb mit Wut im Bauch auf die 13. Etappe gehen. Auch deshalb, weil Froome sich schon vorher den Unmut einiger Kollegen wie etwa Quintanas Movistar-Kollegen Alejandro Valverde zugezogen hatte. Froome neutralisierte das Rennen kurzzeitig eigenmächtig, nachdem Simon Gerrans sich abgelegt und einige Sky-Fahrer dabei mitgenommen hatte. Froome simulierte daraufhin ein menschliches Bedürfnis, um das Peloton zu verlangsamen. Dieses patronale Verhalten erinnert an den Sonderstatus eines Lance Armstrong.

Ob die Wut bei Movistar ausreicht, beim Einzelzeitfahren über 37,5 Kilometer nach La Caverne du Pont-d'Arc dem Führenden Froome eins auszuwischen, wird sich zeigen. So oder so schreibt die Tour de France dann aber bereits die nächste Geschichte. Vielleicht mit einem deutschen Happy End, denn einer der Topfavoriten auf den Tagessieg heißt Tony Martin.

Quelle: ntv.de

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