LeBron James und die größte Show NBA-Legende pfeift auf den stillen Abschied
18.02.2024, 07:20 Uhr
Er kann es noch immer: Auch in seiner 21. Saison spielt LeBron James noch sehr weit vorne mit.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
LeBron James: ein Name, eine Legende. Der Superstar der Los Angeles Lakers geht dem Ende seiner Karriere entgegen, doch er liefert noch immer die größte Show der NBA ab. Aber was nun, da er damit keine Titel mehr gewinnt? James will es noch einmal wissen - und hat schon gewonnen.
Der markante Bart ist gewachsen und leicht ergraut, die Haare auf dem Haupt werden weniger und wandern immer weiter nach hinten. Der Atem geht etwas schneller. Und die Schritte sind ein wenig schleppender. LeBron James ist alt. Für einen Profi-Basketballer, versteht sich. Der 39-Jährige baut in dieser vor allem in der Defensive merklich ab und seine Los Angeles Lakers enttäuschen bislang. Aber James gibt sich und deine Mannschaft noch lange nicht auf. Schließlich zaubert er selbst in der 21. Saison offensiv immer wieder Shows zum Zungeschnalzen aufs Parkett.
So auch gegen die Detroit Pistons. Das schlechteste Team der NBA ist unter der Woche zu Gast, bevor die besten der Liga das All-Star-Spiel in dieser Nacht bestreiten (1.50 Uhr/DAZN) - aber das interessiert an diesem Abend die wenigsten. Sie wollen ihre Lakers und vor allem natürlich LeBron James sehen. Der Altmeister ist die letzte Ikone aus einer Zeit, die sich wie eine Ewigkeit anfühlt. Eine Epoche, als Dirk Nowitzki mit blond-gelockter Mähne zum Korb zog. Als Kobe Bryant geniale Game-Winner aus den unmöglichsten Winkeln traf.
Diese andere Ikone, Bryant, steht nun als Statue draußen vor der Arena in Downtown Los Angeles. Vor gut einer Woche wurde diese erste von drei Skulpturen enthüllt. Die 2020 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommene Legende hatte sie sich selbst so gewünscht. Markant reckt Bryant den rechten Arm samt Zeigefinger in den Abendhimmel. Es ist die Pose nach seinem legendären 81-Punkte-Spiel, die zweitmeisten, die jemals in einer NBA-Partie erzielt wurden. Die gesamte Boxscore ist seitlich in den Sockel der Statue eingraviert. Etliche Fans schießen Fotos in der Bryant-Pose, am Fuß liegt eine Rose mit einer kleinen Fahne der Lakers.
James sagt Wechsel zu den Warriors ab
Im Innern der Crypto-Arena sind alle Augen auf Bryants Nachfolger gerichtet. Sie erleben ihr persönliches All-Star-Game. Denn die Lakers spielen sich schnell in einen Flow. Mittendrin: Vintage LeBron. Er zeigt mit einem Monsterdunk und einem No-Look-Pass auf Austin Reaves, was er offensiv noch draufhat. Sechs flotte Punkte sammelt "King" James in nur acht Minuten, dann darf er sich auf der Bank ausruhen.
Und seine Fans fragen sich: Geht da noch was dieses Jahr? Was sind die Lakers eigentlich für ein Team? Die Golden State Warriors, den alten Rivalen Boston Celtics und den Stadtkonkurrenten LA Clippers werden geschlagen, und sogar das erste In-Season-Turnier der NBA gewonnen. Aber dann hagelt es immer aufs Neue klägliche Pleiten gegen Mannschaften, die nicht wirklich zur Elite gehören. Manch ein Experte meint zwar, dass die Lakers sich fangen werden, wenn erst mal die Playoffs beginnen. Aber so wirklich glaubt da niemand dran. Zu stark ist die Western-Conference in diesem Jahr, während "Purple and Gold" auf Platz neun herumdümpelt, was gerade so für die Play-In-Spiele genügt.
James hat eine klare Sonderrolle im Team. Er ist der Megastar und sitzt ganz außen auf der Auswechselbank und klatscht die Mitspieler nur selten mal ab. Im zweiten Viertel sammelt er seinen vierten Assist mit einem weiteren No-Look-Pass. Der alte Mann hat noch immer Bock. Stiller Abstieg und Abschied? Nicht mit dem nach Michael Jordan wohl zweitbesten Basketballer aller Zeiten.
Das merkt hier jeder, das wissen auch die Mitspieler genaustens. ESPN berichtete am Freitag, dass sich die Warriors um Scharfschütze Stephen Curry vor dem Ende der Wechselperiode vor gut einer Woche an die Lakers gewandt hätten, um die Verfügbarkeit von James zu erfragen. Aber sowohl das Team als auch der Starspieler hätten abgelehnt.
James sorgt für Unruhe mit Sanduhr
Offensiv ist der "King" weiterhin eine hochgefährliche und effektive Waffe. Ein ums andere Mal zieht er unnachahmlich zum Korb und der "Güterzug" in Form eines dominanten Modellathleten ist trotz seines hohen Alters einfach nicht zu stoppen. Defensiv aber agiert James mittlerweile wie ein alternder Lionel Messi. Er trabt immer öfter über den Court, nicht mehr jeder Schritt fällt leicht. Nach Fehlpässen bleibt er stehen, pumpt durch, anstatt nach hinten zu sprinten. Trotzdem führen die Lakers zur Halbzeit locker mit 71:48.
Experten stellen sich in den USA dieser Tage die Frage, ob James mit den nicht titelreifen Lakers eine der letzten Möglichkeiten auf ein tiefes Vordringen in die Playoffs verschenkt. Wohl genau deshalb schlug der Superstar, der sich in dieser Saison schon mehrmals frustriert zeigte, noch vor wenigen Wochen Alarm. Nach einer 16-Punkte-Pleite gegen die angeschlagenen Atlanta Hawks, teilte James ein Sanduhr-Emoji auf X. Fans und Experten zerrissen sich die Mäuler ob des kryptischen Posts: Läuft James' Zeit bei den Lakers ab? Plant der viermalige Champion gar sein Karriereende? Oder pocht er lediglich auf neue Starspieler?
Letzter Wunsch wurde nicht erhört, lediglich Spencer Dinwiddie kam von den Brooklyn Nets. Zwar freute sich Coach Darvin Ham nach der Partie gegen die Pistons darüber, dass er in James und Anthony Davis seine zwei Superstars mal gemeinsam auf der Bank lassen konnte, aber der 30-jährige Point Guard wird kaum das fehlende Puzzleteil für eine Meisterschaft sein.
James weiß, wie Show geht
Doch bei den Lakers geht es auch immer um mehr als einfache NBA-Siege. Dafür steht der eine Spitzname des Teams, Lake-Show, sinnbildlich. Und Show, das kann die Stadt der Engel noch immer hervorragend. Selbst gegen die miserablen Pistons ist mehr los als bei einem Top-Spiel der Clippers.
Alles ist ein wenig größer, alles glänzt ein bisschen mehr. Im Medienraum unterhalten sich nicht einfach Journalisten, sondern Lakers-Legende James Worthy erzählt Anekdoten aus der College-Zeit. Für die Vorstellung der Starting-Five wird eine riesige Runde Leinwand von der Stadiondecke heruntergelassen. Bei einem Spiel für die Fans kann ein Zuschauer mit einem einzigen Wurf von der Mittellinie 65.000 US-Dollar gewinnen. James schaut gespannt zu. Airball. Macht nichts, die Fans jubeln trotzdem.
Der Altmeister weiß natürlich mittlerweile ebenfalls genauestens, wie Show à la Kalifornien geht. In der zweiten Hälfte gegen die Pistons überragt James zusammen mit Davis. Als er zwei Dreier innerhalb von einer Minute trifft, gibt er sich selbst einen Klaps auf den Hintern. Gut gemacht, alter Mann. Dann noch ein Fast-Break mit Korbleger, James lässt in typischer ihr-könnt-mir-alle-gar-nichts-Manier die Schultern kreisen. 25 Punkte in 29 Minuten stehen am Ende des 125:111-Sieges zu Buche, dazu acht Vorlagen. Davis, den James im Anschluss als "Defensivspieler des Jahres" adelt, sammelt 14 Rebounds und sechs Blocks.
NBA-Legende gegen den Zahn der Zeit
Mit 5:33 im letzten Abschnitt wird James ein letztes Mal ausgewechselt: Das Zeichen für viele, den Weg nach Hause anzutreten. Die Show ist vorbei. Immerhin: Einen Tag später schlagen die Lakers auch die Utah Jazz für den siebten Erfolg im in zehn Spielen. "Verdammt", entfährt es Coach Ham nach dem Pistons-Sieg in den Katakomben der Arena, als er auf die Serie angesprochen wird. Als könne er selbst kaum glauben, dass seine Mannschaft noch um den Titel mitspielen kann.
Die Fans gehen trotzdem happy nach Hause. Zwar sehen sie an diesem Abend in Los Angeles nicht mehr den so unglaublich agilen James der Anfangsjahre, oder den auf beiden Seiten des Parketts uneingeschränkte Dominanz ausstrahlenden der Titel-Saisons bei den Heat und Cavaliers. Doch sie erleben einen alternden Superstar, der sich immer noch überaus erfolgreich gegen den Zahn der Zeit wehrt. Der seinen Abschied konsequent hinauszögert, wie nur er es kann.
Irgendwie ist es deshalb auch egal, ob LeBron James nochmal gewinnt. Der mittlerweile beste Punktesammler in der Geschichte der NBA ist eine Erfolgsstory für sich. Eine Ikone steht in der Stadt der Engel mittlerweile als Statue draußen vor der Halle. Dass die andere, die neben Curry letzte wirkliche der NBA, noch dermaßen auf dem Parkett verzaubern kann, ist Show genug.
Quelle: ntv.de