Kosten zwingen zum Umdenken Olympischer Gigantismus steht vor dem Aus
26.07.2016, 20:32 Uhr
Mit der Agenda 2020 soll das Budget deutlich schmaler werden - so zumindest der Plan.
(Foto: REUTERS)
Mit Kosten von fast 11 Milliarden Euro reiht sich Rio de Janeiro ein in den Gigantismus olympischer Gastgeber. Die Einsicht, dass derart absurden Kostenexplosionen Einhalt geboten werden muss, ist längst überfällig - doch für die Metropole kommt sie zu spät.
Fast 11.000 Athleten aus 206 Ländern streiten in 28 Sportarten um 306 Goldmedaillen. Olympische Spiele sind gigantisch - erst recht die Kosten. Umgerechnet 10,9 Milliarden Euro werden und wurden in Rio de Janeiro investiert. Eine Summe, die mit Überschuss ausreichen würde, um den Stadt-Haushalt im laufenden Jahr zu decken.
Rio 2016 ist dennoch günstiger als die Spiele von London (13,5 Milliarden Euro) vor vier Jahren, aber, wie bei fast allen Gastgebern nach erfolgreicher Wahl, teurer als geplant. Um den ausufernden Kosten und der Geldverschwendung einen Riegel vorzuschieben, um die Spiele finanzierbar zu halten, hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Dezember 2014 die Agenda 2020 verabschiedet.
Brasilien in der Krise

Die Korruptionsaffäre um Dilma Rousseff ist nur einer von vielen Krisenherden Brasiliens.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für Rio kam die Einsicht, dass es mit dem Gigantismus so nicht weiter geht, jedoch zu spät. Die Gastgeber versuchten dennoch zu sparen: auch mit Tricks. Manch ein Posten taucht im offiziellen Etat erst gar nicht auf, er wurde in anderen Sphären versteckt, um nicht noch mehr Unmut zu wecken. Denn die "Cidade Maravilhosa" braucht eigentlich Gesundheit, Sicherheit, Bildung. Olympia braucht sie eher nicht.
Die Geschichte der Spiele ist fast immer auch eine von Krisen. Keine hatte jedoch je so ein Ausmaß wie die derzeitige wirtschaftliche, politische und soziale Misslage in Brasilien. Dennoch wurden in Landeswährung 39,07 Milliarden Real investiert, aufgeteilt in drei Posten. Die letzte offizielle Zahl ist jedoch schon sechs Monate alt und damit längst korrekturbedürftig.

Die Apartments des Athletendorfs sollen nach den Spielen Höchstpreise erzielen.
(Foto: imago/Xinhua)
Das Comitê Rio 2016 muss ohne staatliche Finanzhilfe auskommen, es benötigt 7,4 Milliarden Real für die Organisation des Mega-Events, für die Eröffnungs- und Schlussfeier, für Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Verpflegung, Unterkunft, Transport, Kommunikation, für den Sold der angestellten Olympiahelfer. Getragen werden diese durch Sponsoren (53 Prozent), mit weltweiter oder lokaler Markenausrichtung, einer Mitgift des IOC (25 Prozent) aus dessen üppiger TV-Rechte-Kommerzialisierung, der Rest stammt aus dem Verkauf von Tickets und lizensierten Produkten.
Geht die Rechnung dennoch auf?
Weil deren Absatz zuletzt anzog, scheint die Rechnung aufzugehen. Neu-, Umbau und (temporärer) Aufbau der Olympiastätten verschlangen 7,07 Milliarden Real. Die insgesamt 47 Projekte wurden zwar von einem Konsortium der drei Regierungsebenen - Bund, Land, Stadt - überwacht, aber zu 60 Prozent privat finanziert. Weil die Firmen nach den Spielen Profit wittern. Wie die Erbauer des Athletendorfes, dessen 3604 Apartments als exklusiver Wohnkomplex "Ilha Pura" (die reine Insel) im trendigen Stadtteil Barra da Tijuca Höchstpreise erzielen sollen.
Das größte Kuchenstück hat mit dem Sportspektakel nicht direkt zu tun, wäre ohne Olympia aber erst viel später oder gar nicht umgesetzt worden. Das sogenannte Vermächtnis, in Verkehr (Stadtbahn VLT, Metrolinie 4), Umwelt (Reinigung der Gewässer), Urbanisierung und Revitalisierung (Hafenviertel). Auch hier entlasten bei 24,6 Milliarden Real Gesamtvolumen private Gelder mit 43 Prozent die öffentliche Hand.
Doch die Spiele sind nicht nur für die 11.000 Athleten, für die mindestens erwarteten 500.000 Touristen, für die fünf Milliarden TV-Zuschauer, für die 25.000 Medienschaffenden vor Ort. Olympia hat 85.000 temporäre Arbeitsplätze geschaffen, 2000 Zulieferfirmen Aufträge beschert, 46 neue Hotelbetriebe aus dem Boden gestampft. Das Wirtschaftsblatt Valor berichtet von einer Studie, derzufolge landesweit direkt oder indirekt mit den Spielen umgerechnet rund 21 Milliarden Euro umgesetzt werden. Ein willkommener Schub in Krisenzeiten.
Quelle: ntv.de, Heiner Gerhardts, sid