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Williams-Ausraster bei US Open Osakas Tennis-Wunder endet in Tränen

Finale ohne Gewinner? Bei der Siegerehrung nach dem US-Open-Finale wirkten sowohl Naomi Osaka als auch Serena Williams (r.), als hätten sie verloren.

Finale ohne Gewinner? Bei der Siegerehrung nach dem US-Open-Finale wirkten sowohl Naomi Osaka als auch Serena Williams (r.), als hätten sie verloren.

(Foto: imago/UPI Photo)

In einem denkwürdigen US-Open-Endspiel schafft Naomi Osaka gegen Superstar Serena Williams eine Tennis-Sensation. Die Sternstunde der 20-Jährigen trübt Williams allerdings mit wüsten Schiedsrichterattacken. Die gipfeln schließlich in schweren Vorwürfen.

Serena Williams versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Auch wenn es ihr unter Tränen gelang, die Buhrufe der 24.000 Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadium endlich abzuwürgen: Den großen Abend ihrer jungen Bezwingerin hatte sie mit ihren wiederholten Ausrastern im US-Open-Finale längst verdorben. Bei der Siegerehrung stand die 20-jährige Osaka neben ihrem Tennis-Idol und wusste nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Ihr war anzusehen: Diesen Moment, den eindrucksvollsten in ihrem bisherigen Leben, hatte sie sich ganz anders erträumt.

Eigentlich sollte die Japanerin vor Glück lachen, weinen oder wild umherspringen, immerhin hatte sie im größten Tennisstadion der Welt gerade den ersten Grand-Slam-Titel für ihr Land gewonnen. Stattdessen fühlte sie sich genötigt, sich bei Williams zu entschuldigen. "Es tut mir leid, dass es so enden musste", sagte sie mit leiser Stimme und hauchte der Amerikanerin ein "Danke" entgegen.

Auch bei der Pressekonferenz flossen bei Osaka noch einmal Tränen.

Auch bei der Pressekonferenz flossen bei Osaka noch einmal Tränen.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Einige Stunden nach ihrem denkwürdigen Sieg (6:2, 6:4) versuchte Osaka zu erklären, was ihr auf dem Court durch den Kopf gegangen war: "Als ich auf den Platz gekommen bin, war ich kein Serena-Fan. Ich war nur eine Spielerin, die gegen eine andere Spielerin antritt. Aber als ich sie am Netz umarmt habe, habe ich mich wieder wie ein kleines Kind gefühlt."

Drohungen und Wutanfälle

Die wüste Attacke auf Stuhl-Schiedsrichter Carlos Ramos durch Serena Williams, zu der Osaka von klein auf bewundernd aufblickt, die Drohungen und Wutanfälle der selbsternannten "Größten Athletin aller Zeiten" hinterließen einen bleibenden, einen unschönen Eindruck bei der jungen Japanerin.

Drei Verwarnungen hatte Williams kassiert und Osaka dafür – regelkonform - zunächst einen Punkt und dann ein Spiel zugesprochen bekommen. Was im Drama um Williams unterging: Die Japanerin hätte das gar nicht gebraucht, um zu gewinnen. In einem überwiegend hochklassigen Finale war sie die bessere der zwei eindeutig besten Spielerinnen des Turniers. Sie dominierte den ersten Satz und kam auch zurück, als Williams im zweiten mit 3:1 in Führung gegangen war.

Als Osaka den zweiten Satz wieder gedreht und nach einem Break ihrerseits mit 4:3 die Führung übernommen hatte, zerhackte die 16 Jahre ältere Williams wutentbrannt ihren Schläger. Die Nerven und ihre Beherrschung hatte sie aber schon vorher verloren. Nach einer Verwarnung wegen unerlaubten Coachings, das ihr Trainer Patrick Mouratoglou später einräumte, fauchte sie Referee Ramos entgegen: "Ich betrüge nicht, um zu gewinnen. Da verliere ich lieber."

Ätzende Häme, keine Einsicht

Stuhl-Schiedsrichter Carlos Ramos wurde von Williams wüst beschimpft.

Stuhl-Schiedsrichter Carlos Ramos wurde von Williams wüst beschimpft.

(Foto: imago/PanoramiC)

Doch es wurde noch schlimmer. "Du wirst nie wieder ein Match von mir leiten. Solange Du lebst", brüllte Williams, die vor einem Jahr Mutter geworden war und seitdem ihr zweites Grand-Slam-Finale nach der Niederlage in Wimbledon gegen Angelique Kerber bestritt. Nach dem Punktabzug bezeichnete sie Ramos als "Dieb" und "Lügner". Dem Portugiesen blieb keine andere Wahl, als Williams mit einer Spielstrafe zu belegen. Das bizarre Final-Drama nahm seinen Lauf und endete auch dann nicht, als Osaka das Match mit sensationeller Gelassenheit ausservierte.

Bei der Siegerehrung zeigte Williams zwar sportliche Größe, nahm Osaka wie schon direkt nach ihrer Niederlage in den Arm und flehte die Fans an, nicht mehr zu buhen. Gleichzeitig musste Osaka aber mit anhören, wie US-Verbandschefin Katrina Adams ihren Star Williams trotz deren Ausrastern als Vorbild lobte und doppeldeutig sagte: "Wir alle haben uns ein anderes Ende gewünscht." Später schob Adams schriftlich nach, das Verhalten von Williams zeige Klasse und Sportlichkeit. Williams habe klargemacht, sie sei nicht gecoacht worden, teilte der US-Tennis-Verband mit, statt den Schiedsrichter zu stärken. Ihr Trainer Patrick Mouratoglou räumte allerdings verbotene Zeichen von der Tribüne ein, die Williams indes wohl kaum gesehen haben dürfte. Trotzdem war die Verwarnung regelkonform.

Via Twitter echauffierte sich der Franzose später dennoch, jeder Spieler werde gecoacht und ätzte, der Schiedsrichter sei der Star der Show gewesen. Dem hatte Williams nach der Partie den obligatorischen Handschlag verweigert. Der Portugiese, einer der erfahrensten und besonnensten Referees im Tennis, verließ direkt nach Spielende den Platz und kehrte nicht zurück. Normalerweise werden nach einem Grand-Slam-Finale auch die Stuhl-Schiedsrichter mit einer Medaille geehrt.

"Wäre bei Herrenmatch nicht passiert"

Williams sah auch nach dem Finale keinen Grund, sich für ihren Auftritt zu entschuldigen. Stattdessen erhob sie Sexismus-Vorwürfe gegen Ramos und sagte, sie kenne Männer, die für viel schlimmere Dinge auf dem Platz nicht bestraft worden wären. "Aber ich werde meinen Kampf für Frauen und für Gleichberechtigung fortsetzen", sagte Williams. Sie fühle sich als ein Vorbild für alle starken Frauen, die ihre Emotionen ausdrücken möchten, fügte sie an und brachte - komplett aus dem Zusammenhang - den Fall der Französin Alizé Cornet auf. Cornet war während des Turniers zu Unrecht verwarnt worden, weil sie auf dem Platz ihr Tennis-Hemd ausgezogen hatte, um es richtig herum wieder anzuziehen. Danach änderte der US-Verband seine Regeln.

Tennislegende Billie Jean King schlug sich später via Twitter ebenfalls auf die Seite von Williams und prangerte eine "Doppelmoral" im Tennis an, die Frauen benachteilige. Die zweimalige Australian-Open-Siegerin Viktoria Asarenka twitterte: "Wenn das ein Herrenmatch gewesen wäre, wäre das nicht in dieser Form passiert. Es wäre einfach nicht passiert." Allerdings betonte sie in einem weiteren Tweet auch, dass Osaka absolut verdient gewonnen habe: "Ohne Zweifel, Gratulation!"

Osaka ging mit dem Theater bemerkenswert um. Nach 1:19 Stunden brachte sie nervenstark ihren Aufschlag zum 6:4 durch und umarmte danach ihre japanische Mutter auf der Tribüne innig. Ihr haitianischer Vater sei zu aufgeregt gewesen, um das Match dort zu schauen, berichtete sie später. Von den Kontroversen auf dem Platz habe sie kaum etwas mitbekommen, behauptete Osaka, die in der Weltrangliste auf Rang sieben rücken wird. Sie betonte: "Ich werde mich immer an die Serena erinnern, die ich liebe. Für mich ändert sich nichts."

Was den Ausraster ihres Idols, über das sie einst in der Schule als Hausarbeit einen bebilderten Hefter anlegte, womöglich ausgelöst hatte, ließ Osaka dagegen sehr wohl durchblicken, wenn auch erst nach einiger Bedenkzeit und der nächsten Träne im Auge. "Ich weiß, dass sie wirklich den 24. Grand-Slam-Titel wollte, richtig? Jeder weiß das. Es ist in der Werbung, es ist überall." Und es sollte in diesem Finale nicht sein. Dazu war Osaka einfach zu gut.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

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