
Max Verstappen steht in der Kritik. Sein Fahrstil ist aggressiv und stellenweise gefährlich.
(Foto: Red Bull)
Max Verstappen gilt als Supertalent und kommender Formel-1-Weltmeister. Doch dafür riskiert der 19-jährige Niederländer oft viel. Selbst das Reglement wurde wegen ihm geändert. Aber kann das Rempel-Max stoppen?
Max Verstappen ist ein Jahrhunderttalent, ein Ausnahmerennfahrer, ein kommender Weltmeister. Es gibt nicht wenige, die ihn mit der Formel-1-Legende Ayrton Senna vergleichen. Mit diesen Aussichten steigt der 19-jährige Niederländer jedes Rennen in seinen Red-Bull-Boliden und ärgert die arrivierte Konkurrenz. Das allerdings häufig im Grenzbereich des Reglements und nicht selten bis in den Bereich der Fahrlässigkeit. Verstappen selbst sieht das gelassen: "Ich fahre einfach Rennen, so wie ich es für richtig halte. Dazu gehört mal ein bisschen mehr Risiko, mal ein bisschen weniger." Ja, klar, aber einen Formel-1-Rennwagen zu fahren wie ein Kart, ist schon grenzwertig.
In Suzuka bremst Verstappen seinen Verfolger Lewis Hamilton aus. Das ist nicht weiter verwerflich, wenn denn das Auto nicht in die Spur des Verfolgers gezogen wird. Der Weltmeister rettet sich nur durch das Verlassen der Strecke. Die Kritik an der harten Fahrweise von Verstappen hat unterdessen sogar Auswirkungen auf das Reglement. Im Vorfeld des Großen Preises der USA legten die Regelhüter fest, dass ein Spurwechsel während des Anbremsens nicht mehr erlaubt ist. "Jeder Richtungswechsel während des Bremsvorgangs, der andere Fahrer zu Ausweichmanövern zwingt, wird als potenziell gefährlich eingestuft und daher den Stewards gemeldet", heißt es in der Anweisung von Renndirektor Charlie Whiting an die Teams.
"Kein Protest von meiner Seite"
Genau diese Präzisierung der Regeln hatten zahlreiche Piloten gefordert. Im Fahrerbriefing in Austin sollen Piloten wie Sebastian Vettel, Fernando Alonso und Romain Grosjean geradezu auf Verstappen eingeredet haben. Dieser hatte sich nach den Vorfällen auf der Strecke stets auf den gleichen Standpunkt zurückgezogen: "Ich bin nicht bestraft worden, also war alles in Ordnung." Der siegverwöhnte Hamilton gibt sich mit Blick auf das Gerangel und einem folgenden Protest des Teams ganz als Racer. Er postet auf Twitter: "Kein Protest von meiner Seite. Ich habe gehört, das Team hat Protest eingelegt, aber ich habe ihnen davon abgeraten. Max ist gut gefahren. Wir sind Champions und blicken nach vorne. Ende."
Genau so mag es der junge Mann, der sich selbst als Weltmeister dieser Saison sieht. Einziges Hindernis ist das Auto. Wäre sein eigener Wagen ein Silberpfeil, so Verstappen, dann würde er jetzt schnurstracks auf den Titel zusteuern. "Ein Rennfahrer braucht dieses Selbstbewusstsein. Und ich glaube das wirklich", untermauert er seine Aussage. An Selbstvertrauen fehlt es einem Verstappen absolut nicht. Und das wird noch durch die unendliche Aufmerksamkeit geschürt, die ihm zuteilwird.
Ricciardo oder Verstappen?
Dabei fährt selbst im Team des 19-Jährigen ein Mann, der im Augenblick viel stärker ist: Daniel Ricciardo. Wie Verstappen bringt er eigentlich alles mit, ist mit seinen 27 Jahren aber schon viel weiter als der Teenager. So heiter und lustig Ricciardo außerhalb seines Rennwagens ist, so schlau, hart und nervenstark agiert er auf der Strecke - wenn Verstappen in Zukunft wirklich Weltmeister werden will, dann muss er zuallererst an Ricciardo vorbei.
Es sei denn, den Australier ereilt das gleiche Schicksal wie seinen Landsmann Mark Webber seinerzeit im Duell mit Sebastian Vettel: Er wird zur Nummer zwei degradiert. Bereits im letzten Rennen gab es eine Stallorder. Die Boxenstopps werden scheinbar zum Nachteil des Australiers gemacht und am Ende bekommt er vielleicht noch das schlechtere Material. Auf Dauer ist hier der Frust vorprogrammiert und aus dem einstigen Sonnyboy könnte bald ein verbitterter Teamkollege werden. Denn natürlich zieht es auch einen Daniel Ricciardo in jedem Rennen aufs Treppchen.
Alles nur Befindlichkeiten
Verstappen dürften die Befindlichkeiten seines Teamkollegen so egal sein wie damals Vettel die von Webber. Dabei wäre der Holländer gut beraten, sich die Vita des einst ebenfalls als "Jahrhunderttalent" gehandelten Heppenheimers genauer zu betrachten. Mit 24 Jahren wird er zum ersten Mal Weltmeister und wiederholt diesen Erfolg drei Mal. Danach wird er langsam aufs Abstellgleis geschoben. Auch, weil Red Bull mit dem Renaultmotor keinen Stich mehr gegen die Silberpfeile sieht. Aber Erfolg macht hungrig und der kann bei Sebastian Vettel nicht mehr gestillt werden. Für die Roten Bullen wird er zur teuren und vor allem frustrierten Last.
Und heute? Entbrennt zwischen dem einstigen und dem neuen Formel-1-Helden ein böser Streit. Auslöser ist erneut ein fragwürdiges Manöver von Verstappen. Vettel brachte in Mexiko ein Abwehrmanöver von Verstappen am Ende des Rennens in Rage. Der 19-Jährige musste nach einem Verbremser über den Grünstreifen fahren, ließ Vettel aber nicht vorbei und verteidigte seinen dritten Platz. Die Rennkommissare sahen hier einen klaren Regelverstoß und brummten dem Niederländer nach der Zieldurchfahrt eine Fünf-Sekunden-Strafe auf. Die katapultierte Vettel auf Rang drei. Allerdings hielt die Freude nicht lange an, denn Red Bull hatte seinerseits wegen eines unerlaubten Spurwechsels von Vettel gegen Ricciardo Protest eingelegt. Das Resultat: Auch Vettel wird mit einer Zeitstrafe belegt und verliert Rang drei.
Der "Red-Bull-Kamikaze"
So gesehen nehmen sich Vettel und Verstappen nicht viel. Auch was die ausgesprochenen Hasstiraden gegen den jeweilig anderen betrifft, sind die beiden ganz vorn. "Ich habe Max in einen Fehler gedrängt. Er wurde dann angewiesen die Position zurückgeben, hat sich aber nicht bewegt", so Vettel. Verstappen ätzte gegen Vettel. "Er hat vor niemandem Respekt, er ist im Moment ein frustrierter Typ. Er sollte zurück in den Kindergarten."
Fakt ist, dass der Fahrstil Verstappens der Auslöser für die neue Regel zum Spurwechsel in der Bremszone war. Zumal der junge Niederländer bereits zu Beginn des Rennens mit einer Aktion gegen Nico Rosberg für mächtig Unmut sorgte. "Da kam ein Red-Bull-Kamikaze von hinten an und hat mich gerempelt", sagte der Mercedes-Pilot. Auch Niki Lauda zeigte sich zum wiederholten Male unwirsch: "Verstappen rammt den Nico beim Start von der Strecke, das hätte ihn die ganze WM kosten können. Diese Aktion ist für mich inakzeptabel. Irgendwann muss das mal in seinen Kopf rein, er ist ein Wiederholungstäter."
Und dennoch, wenn sich Verstappen nicht irgendwann selbst von der Piste schießt, könnte er tatsächlich ein kommender Weltmeister sein. Und bis dato haben sich noch alle Crash-Kids irgendwann eingekriegt. Wir erinnern uns nur an die Anfangsjahre von Romain Grosjean oder Kevin Magnussen. Selbst Sebastian Vettel durfte zu Beginn seiner Karriere in dieser Riege verortet werden und auch Kimi Räikkönen war diesbezüglich nicht feinfühlig. Ins Fegefeuer der Formel 1 ist keiner von ihnen gekommen.
Quelle: ntv.de