Umstrittene Förderreform vorgestellt Sport ringt um Rückkehr in die Weltspitze
28.09.2016, 20:00 Uhr
In Rio holte Deutschland mehr als die prognostizierte Medaillenzahl. Von der Weltspitze ist man dennoch weit entfernt.
(Foto: imago/UPI Photo)
Die Reform zur Förderung des olympischen Sports in Deutschland ist ein Mammutprojekt und birgt genau deshalb viel Konfliktstoff. Die Vorstellung des neuen Konzepts rückt Athleten und Potenziale in den Mittelpunkt - und fokussiert nur noch auf Medaillen.
Der Aufbruch in eine neue Ära wurde von Störfeuern begleitet: Mit dem Eckdaten-Papier zur Reform der Förderung des Leistungssports haben Politik und Sport ein mutiges Werk vorgelegt. Der olympische Sport in Deutschland soll zurück an die Weltspitze und muss sich dennoch auf Einschnitte gefasst machen. Verbände werden nicht mehr blind mit Geld gefüttert, Stützpunkte müssen schließen, und die Macht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) wird eingeschränkt. Sportpolitiker übten harsche Kritik, denn im Prinzip gilt künftig: Es zählen nur noch Medaillen, entsprechend wird auch gefördert.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière formuliert das anders. "Mein Ziel ist es, dass Deutschland als Sportnation wieder ganz vorne mitspielt", sagte er und verteidigte zunächst das neue Konzept: "Wir brauchen die Reform nicht nur, um uns nach oben zu orientieren, sondern auch um nicht weiter nach unten abzurutschen." Das BMI nickte in der Vergangenheit die Verhandlungen zwischen DOSB und den Spitzenverbänden nur ab, nun spricht es mit.
Bei der Präsentation im Sportausschuss hagelte es Kritik. "Das Ganze wirkt auf mich wie die Studie einer Unternehmensberatung und nicht wie das Modell zum Umbau des Leistungssports in den nächsten 20 Jahren", wetterte der sportpolitische Sprecher der Linken, Andrè Hahn. Özcan Mutlu von den Grünen meinte: "Wir Politiker wurden zu wenig eingebunden. Es gibt viel zu wenig Transparenz."
Fördern soll effizienter werden
Zu mehr Effizienz im Sport soll das neue Förderprogramm der Reform verhelfen. Die entscheidende Neuerung liegt darin, dass nicht mehr die Erfolge bei vergangenen Olympischen Spielen für den Geldfluss an die Verbände entscheidend sind, sondern das Potenzial, die Perspektive, die ein Sportler oder eine Disziplin hat. Das neu eingeführte Berechnungsmodell "PotAS" (Potenzialanalysesystem) ermittelt die Zukunftschancen der Athleten und deren Disziplinen, die im Anschluss mit Hilfe von Attributen (Erfolg, Perspektive, Strukturen etc.) in drei unterschiedliche Fördergruppen (Cluster) eingeteilt werden.
Begleitet wird der Prozess von ständigen Beratungen unterschiedlicher Gremien (PotAS-Kommission, Strukturgespräche und Förderkommission). Zu den Gruppen gehören Vertreter aus dem DOSB, der Wissenschaft, den Ländern und aus dem BMI. "In der Vergangenheit waren wir an manchen Stellen stark auf die Verbände konzentriert", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann im ZDF: "Künftig wollen wir noch filigraner, noch professioneller Sportart für Sportart durchleuchten und uns Gedanken darüber machen, wo bestehen die besten Chancen in vier, acht oder zwölf Jahren definitiv erfolgreich zu sein."
Während die gesamte Reform wohl erst 2019 greift, soll die PotAS-Kommission mit eigenem Büro und hauptamtlichen Mitarbeitern schon in den nächsten Monaten ihre Arbeit aufnehmen. Dafür wird wohl eine Anschubfinanzierung nötig, der geplante Haushalt für 2017 (162,5 Millionen Euro) würde anwachsen.
"Es wird mehr Geld kosten"
"Es wird mehr Geld kosten", sagte Ruder-Präsident Siegfried Kaidel, Sprecher der Spitzenverbände. Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, wunderte sich, dass nur die Verbände und nicht die Sportpolitiker von der Anschubfinanzierung in Kenntnis gesetzt wurden. "Eine solche Vorgehensweise stößt bei uns auf wenig Verständnis", sagte Freitag. Sie vermutete, dass kritischen Verbänden der Wind aus den Segeln genommen werden sollte.
Deutliche Änderung soll es auch bei der Neuausrichtung der Kaderstrukturen geben. Die bisherige Aufteilung in A-, B-, C, DC- und D-Kader wird in ein Modell mit Olympia-, Perspektiv- und Nachwuchskader überführt. Zudem soll die Anzahl der Stützpunkte reduziert werden. Von den bisher 204 Bundesstützpunkten soll es in Zukunft nur noch 165 bis 170 geben. Die Olympiastützpunkte sollen von 19 auf 13 gekürzt werden.
Welche Stützpunkte genau betroffen sind, ist unklar. Die Frage birgt aber Sprengstoff an der Basis, die sich nun über ihre Verbände an den Debatten beteiligen kann - und muss. Denn in Wahrheit drängt die Zeit: Im Dezember soll die Reform von der Mitgliederversammlung des DOSB in Magdeburg angenommen werden. Im Anschluss gibt es noch eine Debatte im Plenum des Bundestages und eine Kabinettssitzung, wie de Maizière ankündigte.
Quelle: ntv.de, Nikolaj Stobbe, sid