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Exoten im Beachvolleyball Teams, die nicht mal der Weltverband kennt

Judith Hakizimana (rechts) umarmt ihre Teamkollegin Charlotte Nzayisenga. Sie treten für Ruanda bei der Beachvolleyball-WM in Hamburg an.

Judith Hakizimana (rechts) umarmt ihre Teamkollegin Charlotte Nzayisenga. Sie treten für Ruanda bei der Beachvolleyball-WM in Hamburg an.

(Foto: FIVB)

Gerade einmal 30 Beachvolleyballer soll es in Ruanda geben. Das sagt Oliver Ntagengwa, der sein Land bei der WM in Hamburg vertritt. Die beiden Duos aus dem 13-Millionen-Einwohner-Staat sind selbst für den Weltverband noch unbeschriebene Blätter.

Während im 12.000 Zuschauer fassenden Stadion am Rothenbaum der Bär tobt, weil die Lokalmatadoren Julius Thole und Clemens Wickler bei der Beachvolleyball-Weltmeisterschaft in Hamburg ihren Kontrahenten Bahman Salemi und Arash Vakili die Bälle um die Ohren schlagen, geht es nebenan auf Court 3 wesentlich beschaulicher zu. 46 handverlesene Besucher interessieren sich dafür, wie sich Patrick Kavalo und Olivier Ntagengwa bei ihrem aussichtslosen Kampf gegen die US-Amerikaner Tri Bourne und Trevor Crabb aus der Affäre ziehen.

Viel einseitiger lässt sich das Duell zweier Duos im Sand kaum gestalten, nach knapp 30 Minuten sind die Dinge geregelt: 0:2 (13:21, 9:21), es ist für das Team aus Ruanda nach der Auftaktpartie gegen die Hamburger Thole/Wickler bereits die zweite WM-Partie, bei der die Afrikaner nicht einmal in die Nähe eines Satzgewinns kommen. Man muss kein ausgewiesener Fachmann sein, um zu prognostizieren, dass sich das auch beim dritten Auftritt gegen die spielstarken Iraner Salemi/Vakili (Dienstag, 19 Uhr) nicht ändern wird.

Man kennt das ja aus vielen Sportarten, wenn sich die Szene trifft, um bei Großereignissen wie Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ihre Besten zu ermitteln: Bevor sich die Spreu vom Weizen trennt, sind auch die Athleten am Start, die gerne als Exoten bezeichnet werden.

"Eddie the Eagle" und Eric Moussambani

Wer erinnert sich nicht an Michael Edwards, jenen Maurer aus dem britischen Königreich mit den dicken Brillengläsern, der sich todesmutig die Skisprungschanzen hinunterstürzte und als "Eddie the Eagle" so berühmt wurde, dass sogar ein Kinofilm über ihn gedreht wurde. Oder an Eric Moussambani, den Schwimmer aus Äquatorialguinea, der bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney mehr als die doppelte Zeit als Goldmedaillengewinner Pieter van den Hoogenband aus den Niederlanden benötigte und für den auf der letzten Bahn beinahe die Rettungssanitäter ins Becken gesprungen wären.

Es gibt immer wieder Stimmen, die es als übertriebene Sozialromantik geißeln, wenn solche Sportler ein Startrecht erhalten und damit leistungsstärkeren Athleten einen Platz wegnehmen. Doch die Mehrzahl begrüßt es, bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auch Teilnehmer aus Nationen zu erleben, die kaum Strukturen für Leistungssport haben.

Ruandas Beste kennt nicht mal der Weltverband

Die Athleten aus dem ostafrikanischen 13-Millionen-Einwohner-Staat Ruanda sind dermaßen unbekannt, dass selbst auf der offiziellen Homepage des Weltverbandes FIVB, auf der die Athleten mit allen möglichen Details verzeichnet sind, nichts zu erfahren ist: Geburtstag? Geburtsort? Größe? Gewicht? Keine Informationen verfügbar.

Volle Konzentration: Judith Hakizimana bei einer Abwehraktion.

Volle Konzentration: Judith Hakizimana bei einer Abwehraktion.

(Foto: FIVB)

Selbst ein solch profunder Kenner wie der Amerikaner Tim Simmons, der die World Tour seit Jahr und Tag begleitet und dabei als wandelndes Beachvolleyball-Lexikon brilliert, ist überfragt. "Ruanda? Ich wusste nicht, dass da überhaupt Spieler herkommen."

Der deutschen Nationalspielerin Victoria Bieneck erging es in der Vorbereitung auf ihre Begegnung mit dem Team aus Afrika ähnlich: "Viel Videomaterial gibt es von denen nicht." Was auch nicht nötig war, die Blockspielerin aus Weilheim in Oberbayern und ihre Partnerin Isabel Schneider fegten ihre heillos überforderten Widersacherinnen Charlotte Nzayisenga und Judith Hakizimana mit 2:0 (21:12, 21:4) vom Sandplatz.

Aufeinandertreffen der Kulturen

Bieneck genießt Spiele wie diese in der Vorrunde gegen Ruanda nicht in erster Linie, weil sie leichte Siege verheißen, sondern, "weil da verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, was die Sache interessant macht. Ich finde es toll, dass auch solche Nationen die Chance haben, bei einer Weltmeisterschaft mitzumachen." Trotz des überdeutlichen Niveauunterschieds hat die 28-Jährige "allerhöchsten Respekt, wie die hier aufspielen. Die kämpfen um jeden Ball, da habe ich Hochachtung vor. Umso schöner und wichtiger ist es, wenn diese Spieler für sich feststellen können, dass sie von Spiel zu Spiel besser werden und was mitnehmen." Ihre Partnerin Schneider hat aus der Begegnung "viele schöne und emotionale Momente" mitgenommen.

Teams wie die aus Ruanda gehören zum Bild einer Weltmeisterschaft, sagt Olympiasieger Julius Brink: "Es hilft diesen Nationen bei der Entwicklung ihres Sports, wenn ihre Besten hier teilnehmen dürfen."

World Tour kommt erstmals nach Ruanda

Der Weg an die Spitze ist weit. Olivier Ntagengwa berichtet, in seinem Land gäbe es gerade mal 30 Beachvolleyballer. "Aber die sind alle nicht so gut wie wir. Wir sind die Besten." Eine bemerkenswert selbstbewusste Aussage wenige Minuten nach der kaum halbstündigen Lehreinheit gegen die Amerikaner. Immerhin, ein bisschen was tut sich: In Ruanda findet Mitte August erstmals ein Turnier der World Tour statt. Für das Binnenland, das über keine Strände an der Küste verfügt, ein Meilenstein.

Gespielt wird im Rubavu Palm Beach Resort am Lake Kiwu. Ntagengwa freut sich darauf: "Das ist unser Saisonhöhepunkt." Auch in Hamburg saugen die Afrikaner alle Eindrücke auf: "Die Brasilianer kannten wir bislang nur aus dem Fernsehen", sagt Ntagengwa. "Jetzt sehen wir sie hier live spielen. Für uns ist das eine Riesen-Ehre."

Quelle: ntv.de

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