Seelische und verbale Gewalt? Turntrainerin weist Anschuldigungen zurück
04.12.2020, 18:23 Uhr
Sophie Scheder kann die Vorwürfe gegen ihre Trainerin nicht nachvollziehen.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Die langjährige Kunstturn-Trainerin Gabriele Frehse soll Athletinnen verschreibungspflichtige Medikamente gegeben haben, das ist nur einer der zahlreichen Vorwürfe. Sie ist von der Arbeit freigestellt, eine Untersuchung läuft. Die 60-Jährige hält dagegen - und bekommt Unterstützung.
Psychoterror? Training trotz Schmerzen? Verantwortungsloser Umgang mit Medikamenten? Jetzt geht Gabriele Frehse in die Offensive. Die schweren Vorwürfe von Schwebebalken-Star Pauline Schäfer und weiteren Athletinnen lässt die langjährige Kunstturn-Trainerin des Bundesstützpunktes Chemnitz nicht auf sich sitzen und erklärt ihre Sicht der Dinge.
Es gebe in den Darstellungen der Sportlerinnen "viele Punkte", die unwahr oder haltlos seien, sagte die 60-Jährige, aktuell freigestellt von ihrer Arbeit, in einem anwaltlich abgestimmten Interview mit der "Sächsischen Zeitung". Unter anderem war sie einer permanenten mentalen Erniedrigung bezichtigt worden, von "Angst" beim Betreten der Halle war die Rede. Der Deutsche Turner-Bund (DTB) reagierte und gab bei einer Anwaltskanzlei eine unabhängige Untersuchung in Auftrag.
Frehse sagte nun, sie habe die "größte Hochachtung" für die Sportlerinnen, die einen anstrengenden Alltag zu bewältigen hätten und oft schon mit zehn Jahren ihr Zuhause verlassen: "Aber dass man sich im Leistungssport eben quälen, auch mal schinden muss, ab und zu ein härteres Wort fällt, ist im Spitzensport so. Ich hatte aber zu keinem Zeitpunkt die Absicht, Turnerinnen durch meinen Ton zu verletzen."
Ähnliche Vorwürfe weltweit
Ausgangspunkt des Skandals war ein Bericht im "Spiegel", das Aufsehen in der Szene war groß. In der jüngeren Vergangenheit waren schon in den USA, Großbritannien, Neuseeland, den Niederlanden sowie zuletzt in der Schweiz mehrfach Trainer von zumeist ehemaligen Aktiven beschuldigt worden, sie seelischer und verbaler Gewalt ausgesetzt zu haben.
Schäfer hatte als prominenteste Sportlerin in besagtem Artikel auch berichtet, immer wieder "verletzende Sprüche wegen ihrer Figur, ihres Gewichts" von Frehse gehört zu haben, weitere Turnerinnen bekräftigten die Aussagen der Weltmeisterin von 2017. "Wir haben immer mit Ernährungsberatern zusammengearbeitet", entgegnete Frehse. Sie müssten "darauf achten, weil es gefährlich werden kann, wenn sie am Barren zu viel Gewicht haben, das Flugelement deswegen schiefgeht und sie sich dadurch verletzen."
Dass weitere frühere Athletinnen im "Spiegel" die Vorwürfe erneuerten, Grenzen überschritten zu haben, wies die Trainerin von sich. "In dieser Weise habe ich diese Grenzen niemals überschritten." Sie habe im Gegenteil das Training abgebrochen, wenn ein Mädchen geweint habe oder wenn es erschöpft gewesen sei. "Ich bin eine vorsichtige Trainerin. Es gibt einige Elemente, die bei mir nicht trainiert werden dürfen", betonte Frehse.
Olympia-Dritte steht zu Frehse
Verteidigt wird sie von Sophie Scheder. "Ich bin seit meinem elften Lebensjahr in Chemnitz und für mich war und ist Gabi immer Bezugsperson wie auch Ersatzmama. Natürlich ist es im Leistungssport so, dass auch mal ein bisschen der Ton verschärft wird und man angetrieben wird, aber nur so kann man letztendlich erfolgreich sein", sagte die Olympia-Dritte am Stufenbarren von 2016 dem MDR.
Dem Vorwurf, sie habe ohne ärztliche Verordnung verschreibungspflichtige Medikamente an Athletinnen verabreicht, damit diese weiter ihren Sport ausüben können, hielt Frehse entgegen: "Ich habe nie einer Turnerin ohne Absprache mit einem Arzt und/oder den Eltern ein Medikament gegeben."
Gegen eine in diesem Zusammenhang stehende Abmahnung durch den DTB 2018 sei sie nicht vorgegangen, weil sie vor der Heim-WM 2019 einen Skandal habe verhindern wollen. "Auch, weil man gegen eine Abmahnung bis drei Jahre danach vorgehen kann", sagte Frehse. Das letzte Wort in der Angelegenheit dürfte noch nicht gesprochen sein.
Quelle: ntv.de, tsi/sid/dpa