Im Achtelfinale gegen Dänemark WM-Aus wäre für die DHB-"Ladies" fatal
10.12.2017, 12:18 Uhr
Wie so oft gegen die Niederlande, kommen die DHB-"Ladies" einen Schritt zu spät.
(Foto: imago/Eibner)
Das Duell um den Gruppensieg holt die deutschen Handball-Frauen auf den Boden der Tatsachen zurück: Mit den absoluten Top-Nationen können die "Ladies" nur bedingt mithalten. Dennoch könnte es mit der Medaillenrunde klappen.
Der Bus mit den deutschen Handballfrauen an Bord rollte am Samstag verspätet vom Parkplatz des Leipziger Hotels. Auf dem Weg von Leipzig nach Magdeburg, wo am Abend (20.30 Uhr/Sport1) das Achtelfinale der Weltmeisterschaft gegen Dänemark ansteht, waren die "Ladies" von Trainer Michael Biegler nicht ganz pünktlich. Es passte zu den Eindrücken, die das Team knapp 18 Stunden zuvor hinterlassen hatte: Das 23:31 im letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande hatte viele Fragen aufgeworfen – und vor dem ersten K.o.-Spiel bei diesem Turnier bleibt wenig Zeit zur Aufarbeitung.
Immer einen Tick zu spät waren die deutschen Frauen im Duell mit dem Nachbarn - und haben gegen den Vize-Weltmeister deutlich gemacht, dass es noch einen Qualitätssprung zwischen ihnen und der Weltspitze gibt. Zumindest war das der Eindruck, der am Freitag entstand. "Wir sind ziemlich gut darin, wieder aufzustehen", sagte Anna Lorper, ehe sie durch die Tür im Inneren des schmucken Reisebusses verschwand. Die Spielführerin wirkte fest entschlossen, den Eindruck nach der Partie gegen die Niederländerinnen wegwischen zu wollen. In den 60 Minuten war es den Deutschen erstmals in diesem Turnier nicht gelungen, das Geschehen auf dem Feld durch die eigene aggressive Deckungsarbeit zu kontrollieren. Die Niederländerinnen waren zu schnell, die Deutschen kamen zu spät. Dazu leisten sich die "Ladies", wie in den Spielen zuvor, unzählige und in der Form nicht nachvollziehbare technische Fehler, die von Oranje gnadenlos bestraft wurden. Trainer Michael Biegler, das wurde mit Verlauf des Spiels deutlich, fehlte es an Alternativen – sowohl personeller als auch taktischer Natur.
Deutsche brauchen Präsenz im 1:1
Es wird gegen Dänemark entscheidend sein, ob es die deutschen Frauen schaffen, das Tempo aus dem Angriffsspiel des Gegners zu eliminieren – denn in der Hinsicht stehen die Däninnen den Niederlanden in nichts nach. Gelingt das Vorhaben gegen den spielstarken nördlichen Nachbarn, ist ein Sieg und das Erreichen des Viertelfinales möglich. Misslingt es, könnte der vielfach benannte "Traum" eines WM-Titels im eigenen Land schnell beendet sein. "Die wollen über Tempo kommen, das werden harte 60 Minuten", sagte Clara Woltering über den kommenden Gegner. Die Worte der Torhüterin durften durchaus als Warnung in Richtung des Gegners verstanden werden – müssen aber auch umgesetzt werden. Denn körperliche Härte war es, die die Deutschen am Abend zuvor viel zu oft hatten vermissen lassen - die Niederländerinnen waren allzu oft ohne Körperkontakt zum Torabschluss gekommen oder nur mithilfe von Fouls zu stoppen, die folgerichtig mit Siebenmetern bestraft wurden.
Die deutschen Handballerinnen haben in den vergangenen anderthalb Jahren unter Trainer Michael Biegler, der nach der WM aufhört, eine positive Entwicklung durchlaufen. Aber in diesem Turnier wurden in der Vorrunde die Probleme vor allem im Rückraum offenkundig. Nur selten entfachte der die Durchschlagskraft, die es braucht, um bei einer WM zu den Favoriten zu gehören. Das liegt einerseits daran, dass neben der gerade 19 Jahre alt gewordenen Emily Bölk das ganz große Talent fehlt, andererseits mit Anne Hubinger (Fußbruch) und Kim Naidzinavicius (Kreuzbandriss) zwei Leistungsträgerinnen verletzt ausfallen.
Erreichen der Finalrunde möglich
Es ist skurril, aber trotz der deutlichen Niederlage gegen die Niederlande und das Abrutschen auf den dritten Platz der Vorrundengruppe, hat sich die Ausgangslage für die Deutschen nicht verschlechtert. Vermeintlich ist es sogar etwas besser geworden. Dänemark im Achtelfinale ist ein harter Brocken, Schweden und Slowenien als mögliche Gegner im Viertelfinale ebenfalls – und doch hilft der Turnierbaum dem Gastgeber, mit Russland, Norwegen, Frankreich oder Spanien den vermeintlich schwierigsten Aufgaben aus dem Weg zu gehen. In diesem Turnier ist für die wankelmütige und in sich nicht stabile deutsche Mannschaft alles möglich: Ein schmachvolles Ausscheiden schon im Achtelfinale oder das Erreichen der Medaillenrunde in Hamburg.
Für die Fortentwicklung des Frauenhandballs in Deutschland wäre die zweite Variante elementar wichtig. Im Spartensender Sport1 sahen in der Vorrunde bis zu einer Million Menschen die Auftritte der Deutschen, was beachtlich ist. Zum Vergleich: Bis zum Ende der vergangenen Saison übertrug Sport1 die Männer-Bundesliga und da schalteten nicht einmal bei den absoluten Topspielen so viele Leute ein, die Quoten lagen deutlich darunter. Die Nationalmannschaft, das ist keine neue Erkenntnis, zieht die Massen an.
Zuschauerinteresse ist hoch
In der gestern Abend zu Ende gegangenen Gruppenphase sahen an den vier Standorten Leipzig, Oldenburg, Bietigheim und Trier knapp 160.000 Menschen die Spiele live in der Halle. Hochgerechnet bis zum Finale werden voraussichtlich 250.000 Zuschauer in den Arenen gewesen sein. Das übertrifft die vor dem Turnier formulierten Erwartungen des Verbandes. Etwa 3000 Zuschauer sahen die Matches im Durchschnitt, was selbst die Einschätzung der Optimisten übertrifft.
Das Interesse in Deutschland – das stellt die WM unter Beweis – ist vorhanden, doch es muss mit Erfolgen unterfüttert werden. Siege sind die einzige werthaltige Währung, wenn es darum geht, nachhaltige öffentliche Wahrnehmung für den Frauenhandball zu generieren. Die Verantwortlichen im Verband wissen das und werden deshalb heute Abend die Daumen drücken. Das teure und aufwändige Projekt, die WM auszurichten, würde weit weniger abwerfen, wenn die Deutschen im Achtelfinale rausfliegen.
Quelle: ntv.de